Text and Translation submitted by Lothar Mundt.



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Liber quartus.

Sunt etiam populi ductores atque dynastae
(Magnifici Bernae proceres verique patroni,
Quîs Christi multum iam tota Ecclesia debet),
Quos licet instiget nemo depromere ferrum
In fidei rebus nec vi nec torquibus aureis
Subiectis, currunt furiuntque ferociter ipsi
Sponte sua tamen atque Dei defendere honorem
Se debere putant, hinc et compescere tristes
Ex variis solitos doctrinis surgere motus
Et cultus turbas diversi: publica pacis
Munera iactantes et sollicitudine pleni,
Ne seducatur simplex ad pessima plebes.
Hos noster, properent ne, hortator, neve laborent
Ultra dimensum pennas extendere nidum,
Verùm etiam atque etiam videant, utrum omnia firma
Conscriptoque Dei sint undique consona verbo,
Quae credunt ipsi, suus an famuletur IESU
Cultus et in sacris deliria nulla sequantur,
Quod proclive nimis carni et caecae rationi.
Unde etiam insontes mactant, Christique ministros,
Haeresaeosque pios damnant, vanissima caeci
Dogmata propugnant mundi cultusque scelestos

Viertes Buch.

Ihr hochansehnlichen Häupter von Bern und Schirmherren der Wahrheit, denen die gesamte Kirche Christi schon vieles verdankt: Es gibt auch Anführer des Volkes und Fürsten, die, obgleich niemand sie dazu gedrängt hat, in den weder der Gewalt noch goldenen Ketten unterworfenen Dingen des Glaubens zum Schwert zu greifen, dennoch aus freien Stücken losrennen und martialisch wüten und sich einbilden, sie müßten Gottes Ehre verteidigen und deshalb die sich üblicherweise aus der Verschiedenheit der Lehrmeinungen entwickelnden schlimmen Leidenschaften und die Unruhe, die sich aus einer gegensätzlichen Form der Gottesverehrung ergibt, unterdrücken – wobei sie sich auf die staatliche Pflicht der Friedenserhaltung berufen und von schwerer Sorge erfüllt sind, das Volk könnte in seiner Einfalt auf die schlimmsten Abwege geführt werden. Unser Mann fordere sie auf, nicht eilfertig darauf erpicht zu sein, ihre Fittiche über das ihnen zugemessene Nest hinaus auszubreiten, sondern wieder und wieder zu prüfen, ob ihr eigener Glaube eine feste Basis hat und in jeder Hinsicht mit dem schriftlich niedergelegten Wort Gottes übereinstimmt, ob ihre Religionsausübung im Dienste Jesu steht und sie sich in geistlichen Belangen nicht von Irrwitz leiten lassen: etwas, wozu das Fleisch und die blinde Vernunft nur allzusehr neigen. Deshalb schlachten sie auch Unschuldige und Diener Christi ab, verdammen Fromme als Ketzer, ziehen für die eitelsten Lehren der verblendeten Welt ins Feld, bekräftigen frevelhafte Kulte

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<103> Sanguine confirmant sacro paedoreve nigri
Carceris, infernique ita agunt mandata tyranni
Ingenti studio, dum se acceptabile censent
Obsequium praestare Deo. Sua pectora primùm
Explorent, caecamque trabem cordisque tenebras
Et vitia eliciant, nec tam tueantur acutum,
Quid credant alii aut doceant, sectentur amentque.
À sacris removere ensem, tutissima longè
Est via, seu perversa ipsi seu recta sequamur.
Dic igitur, populi factus quicunque colonus,
Ut fures illi latronesque atque homicidas
Et qui conscelerant genialis foedera lecti
Idaliaeque vagae turpes sectantur amores,
Qui curta obiiciunt mensura et pondere fraudes,
Qui truncant nummos et prava numismata cudunt,
Qui pecora excantant hominesque et grandine fruges
Dilapidant tectisque immittunt coelitus ignes,
Toxica qui miscent, turbas qui publica contra
Imperia accersunt inimicitiasque protervi
Ignibus exercent aut rapto aut caede cruenta,
Denique periuros et proditione nocentes
Subiiciant gladio gnavi pacemque procurent
Caeteraque, externus vitae quae postulat usus,
Quo satis officio facient iurique tributo.
Non subsunt ensi flatus bona dona superni.
Nec verum ratio cultum monstrare fidemque
Unquam humana potest. Errorumque omnia plena,
Et Pelusiacae cunctorum corda tenebrae
Involvunt, ubi non summi doctrina magistri
Corporeas pariterque internas personat aures.

mit heiligem Blut oder dem Unflat eines düsteren Kerkers und führen so mit ungeheurem Eifer Aufträge des Höllenfürsten aus, während sie der Meinung sind, Gott einen ihm wohlgefälligen Dienst zu erweisen. Zuerst mögen sie ihr Inneres erforschen und den verborgenen Balken, die Finsternis des Herzens und die Laster von sich werfen und nicht so scharf darauf sehen, was andere glauben oder lehren und eifrig befolgen und lieben. Das Schwert von geistlichen Dingen fernzuhalten, ist die weitaus sicherste Methode, ob wir selbst uns nun dem Verkehrten oder dem Rechten anschließen. Wer immer du auch seist, den man zum Pflanzer des Volkes gemacht hat: verkünde also, daß jene fleißig das Schwert walten lassen mögen gegen Diebe, Räuber und Mörder, gegen Schänder des Ehebundes und Hurenjäger, gegen Personen, die andere mit reduziertem Maß und Gewicht betrügen, Geldstücke beschneiden und falsche Münzen prägen, die Tiere und Menschen verzaubern, Feldfrüchte durch Hagel zerschlagen und Blitze in Dächer fahren lassen, gegen Giftmischer, gegen Leute, die Umtriebe gegen die Staatsgewalt herbeiführen, die Feindschaften schamlos mit Feuerbränden, Raub oder blutigem Mord austragen, schließlich gegen Meineidige und solche, die durch Verrat Unheil anrichten; daß sie für den Frieden und alles, was sonst noch der Ablauf des äußerlichen Lebens erfordert, sorgen mögen. Damit werden sie ihrer Pflicht und der ihnen verliehenen Gewalt hinreichend Genüge tun. Die guten Gaben des Heiligen Geistes unterliegen nicht dem Schwert. Und die menschliche Vernunft vermag niemals den wahren Kult und den wahren Glauben aufzuzeigen. Alles ist dort voller Irrtümer, und aller Herzen umhüllt dort ägyptische Finsternis, wo nicht die Lehre des höchsten Lehrers durch die fleischlichen und zugleich die inneren Ohren schallt.

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<104> Nec mage mortales sumus ad coelestia prompti
Quàm ferus ad numeros ursus saltumque camelus.
Mansuescunt tamen arte ferae lenique feroces
Deponunt animos tactu, non verbere saevo.
Nulla domes etiam nodoso pectora fuste;
Interimes gladio, non exarmaveris unquam.
Sic doctrina opus est et mansuetudine, si quem
Ad Christum duxisse velis. Dux ergo popelli
Si rectè sentit cultumque habet ipse probatum
Atque eadem sentire cupit doctosque rudesque,
Non agat Eumenidum flagris torvique nefando
Carnificis gladio. Doctores immò peritos
Sedulus emittat, verbo tantummodo fortes,
Spiritu et armatos miti, quo pectora dura
Nondum credentum frangant alienaque Christo
Consilia extirpent passim superentque rebelles.
Qui non paruerint, alias tolerentur in horas,
Non irritentur furiis hostilibus. Ultro
Accedent, animos supera si afflaverit aura.
„At diversa docent praefracti falsaque credunt!“
Quid refert, si falsa docent? Accedere falsis
Nemo solet, nisi cui nondum sunt cognita vera.
Vis ingens veri: facilè mendacia vinces,
Si sis armatus vero, si ritè doceri
Curaris passim divino prodita verbo.
Arguit iniustam mala diffidentia causam.
Improbus et lucem metuit iustique tribunal
Iudicis actorisque horret certamina docti,
Ne quando[24] improbitas pateat referatque pudorem.
In ius non timuit maior Cato saepe vocari,

Und wir Menschen haben keine größere Neigung zu den himmlischen Dingen als der wilde Bär zum Tanzen und das Kamel zum Springen. Wilde Tiere werden aber durch Dressur zahm und verlieren ihre Unfügsamkeit durch sanftes Streicheln, nicht durch heftige Prügel. So kannst du auch keine Herzen mit dem Knotenstock bändigen; mit dem Schwert wirst du sie vernichten, aber nimmermehr zähmen! So bedarf es der Belehrung und der Sanftmut, wenn du jemanden Christus zuführen möchtest. Wenn also der Anführer eines Volkes selbst die rechte Einsicht besitzt und über eine Form der Gottesverehrung von bewährter Güte verfügt und begehrt, daß sich Geschulte und Ungeschulte seiner Einsicht anschließen, so gehe er nicht mit den Peitschen der Eumeniden und dem gottlosen Schwert des finsteren Henkers zu Werke! Vielmehr sende er fleißig erfahrene Lehrer aus, die nur durch das Wort stark und mit der Sanftmut des Heiligen Geistes gerüstet sind, damit sie mit dessen Beistand die harten Herzen der noch Ungläubigen brechen, die Christus fremden Auffassungen überall ausrotten und die Widerstrebenden überwinden. Gegen diejenigen, die sich nicht gefügt haben, sei man duldsam in Erwartung anderer Zeiten und erbittere sie nicht mit feindseligem Wüten. Sie werden freiwillig herbeikommen, wenn der himmlische Hauch ihren Geist angeweht hat. „Aber sie verbreiten doch hartnäckig eine abweichende Lehre und glauben das Falsche!“ Was tut’s, wenn sie Falsches lehren? Dem Falschen schließt sich in der Regel nur jemand an, dem die Wahrheit noch nicht bekannt ist. Die Macht der Wahrheit ist ungeheuer: du wirst Lügen mit Leichtigkeit besiegen, wenn du mit der Wahrheit gewappnet bist, wenn du dafür gesorgt hast, daß überall die Aussagen des Wortes Gottes gehörig gelehrt werden. Eine ungerechte Sache verrät sich durch einen argen Mangel an Selbstvertrauen. Ein Ruchloser scheut auch das Licht und das Tribunal des gerechten Richters und schreckt vor Auseinandersetzungen mit einem gescheiten Kläger zurück, damit seine Ruchlosigkeit nicht eines Tages offen zutage liegt und ihm Schande einträgt. Der ältere Cato fürchtete sich nicht davor, daß er oft vor Gericht zitiert wurde,

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<105> Certa erat à vero siquidem victoria stanti.
Si quis falsa docet, patefac, convince, refelle!
Ipse haud tradiderit licet adversarius herbam,
À cunctis tamen et vitabitur atque cachinno
Exceptus poenas dabit incussoque pudore.
Ne metuas igitur te doctrinamque citari,
Si fidis causae, si vero niteris uno.
Nec sacrosanctus fias, immunis ab omni
Iure, ut te contra verbum ausit dicere nemo
Iudicibusque olim lectis offerre libellum:
Id quod procurant in relligione tyranni.
Et multo efficias minus, adversarius antè
Ut pereat fractave gula coctove veneno
Aut vinctus certè turres rapiatur in atras,
Quàm prolata satis fuerit discussaque causa.
Sunt proceres, malè qui in gremium pectusque recondunt
Taxarique suos nolunt vel iure magistros.
Protinus arma et vincla crepant et dira minantur.
Porro magistelli tam tuti tamque suaves
Quid ni desipiant, quantum lubet, et sua vulgò
Obtrudant paradoxa, palàm contraria vero?
Cur non ore aliis clauso manibusque revinctis
Omnibus in rebus facilè semperque triumphent?
Cur non se statuant in relligione tyrannos?
Dent libertatem, cedant suffragia cunctis
Libera nec tollant aliena cornua dextra:
Errorum Iliadas foetas magnasque suorum
Cernent. Sed sapiunt. Longè proclivius illis
Extorres agere adversos aut tollere letho,
Quàm solidam dubii rationem reddere dicti.

denn da er auf der Seite der Wahrheit stand, war ihm der Sieg gewiß. Wenn jemand Falsches lehrt, so mache es offenbar, widerlege es und weise es zurück. Wenn dein Gegner sich auch nicht gerade selbst für besiegt erklären wird, so werden ihn doch alle meiden, und er wird bestraft werden, indem man ihn mit Gelächter empfängt und er sich Schimpf zuzieht. Fürchte dich also nicht, wenn man dich und deine Lehre vor die Schranken lädt, sofern du auf deine Sache vertraust und dich allein auf die Wahrheit stützt. Laß es nicht geschehen, daß man einen von jedem Gesetz ausgenommenen Heiligen aus dir macht, so daß niemand es wagt, gegen dich ein Wort zu sagen und bei den vor Zeiten erwählten Richtern eine Klage einzureichen. Hierauf arbeiten nur Menschen hin, die in der Religion Tyrannen sind. Und noch viel weniger bringe es dahin, daß dein Gegner hingewürgt wird oder durch Giftgebräu zu Tode kommt oder in sicherem Gewahrsam in den finsteren Turm geschleppt wird, bevor die Streitsache ausreichend dargetan und erörtert worden ist. Es gibt Obrigkeiten, die ihre Lehrer verkehrterweise in ihrem Schoß und an ihrer Brust bergen und nicht wollen, daß an ihnen Kritik geübt wird, nicht einmal dann, wenn dazu eine Berechtigung besteht. Sofort lassen sie Waffen und Ketten klirren und drohen mit grausigen Dingen. Warum sollten nun aber die Lehrmeisterlein, da sie so sicher, so wohlgelitten sind, nicht nach Belieben Narrenwerk treiben und ihre Paradoxien, die der Wahrheit offenkundig widersprechen, nicht jedermann aufdrängen? Warum sollten sie nicht in allen Fragen mit Leichtigkeit immerfort triumphieren, nachdem anderen der Mund geschlossen und die Hände gebunden wurden? Warum sollten sie sich nicht in der Religion zu Tyrannen aufwerfen? Wenn sie Freiheit gewähren, wenn sie jedermann freies Stimmrecht zugestehen und den Kampf nicht mit fremder Hilfe antreten, dann werden sie ergiebige und umfangreiche Iliaden ihrer Fehler zu sehen bekommen. Doch sie sind gewitzt! Es ist für sie weitaus leichter, ihre Gegner aus dem Lande zu jagen oder zu töten, als über einen in Zweifel gezogenen Ausspruch hieb- und stichfest Rechenschaft abzulegen.

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<106> Talia et hosce duces cohibe rationibus illis,
Quas Domini servis praediximus esse sequendas.
     At magnos pariet dissensio quaeque tumultus.
Est Evangelii fructus, si credis IESU,
Ut turbas moveat magnas interque propinquos
Dissidium pariat. Pueros praeceptor inertes
Ut si castiget, pater aut mala pignora virgis,
Officium facit et nullos concire tumultus
Cogitat; et si quid turbarum fortè movetur,
Hostibus id veri referendum immorigerisque
Doctrinis monitisque piis. Ius flagitat ensis
(Quis negat), ut ne quis pacem et communia turbet,
Cernere vivendi iura atque ferire securi,
Qui caedem faciunt aut seditione cruenta
Leges conantur pulchramque evertere pacem.
Ne fingant autem turbarum somnia Reges
Neve suam metuant umbram fumosque volantes
Et temerè summis instare pericula rebus,
Quum nihil apparet, clament. Ut nullius autor
Seditionis erat Christus crudique tumultus,
Insimularetur licet hostili acriter ore,
Sic nec erunt mites eius de classe coloni.
Ne metuant sibi ab his igitur nec praelia verbi
Componant dirimantque ense impactaque securi
Et nodos solvant Pellaei more tyranni,
Sed praeiudicio sine personaeque valore
Aequas admoveant ambabus partibus aures.
Omnibus excussis teneant capiantque modestè,
Quae Christo propiora sibi veroque videntur.
Et partem tolerent victam tractentque benignè,

Stelle dich solchen Vorgängen und solchen Fürsten entgegen, mit jenen Mitteln, die die Knechte Gottes, wie von uns oben dargelegt, anzuwenden haben.
     Indes – jede Meinungsverschiedenheit wird große Unruhen erzeugen. Es ist eine Frucht des Evangeliums – wofern du Jesus glaubst –, daß es große Stürme erregt und unter Verwandten Zerwürfnisse erzeugt. Gleichwie ein Lehrer faule Knaben oder ein Vater unartige Sprößlinge mit Ruten züchtigt, so tut es seine Schuldigkeit und hat nicht die Absicht, irgendwelchen Aufruhr zu erregen – und falls etwa irgendein Tumult enststeht, so ist dies den Feinden der Wahrheit zuzuschreiben sowie denen, die Belehrungen und frommen Mahnungen nicht zugänglich sind. Die Gewalt des Schwertes – wer leugnet es? – dringt darauf, daß niemand den Frieden und das Gemeinwesen stört, daß das Recht auf Leben beachtet wird, daß man diejenigen köpft, die einen Mord begehen oder mit einem blutigen Aufstand die Gesetze und den behaglichen Frieden umzustürzen versuchen. Die Könige mögen sich aber nicht Aufruhr wahnhaft einbilden oder sich vor ihrem eigenen Schatten und vor Rauchschwaden fürchten und nicht ins Blaue hinein lautstark klagen, der Spitze des Staates drohe Gefahr, wenn gar nichts zu sehen ist. So wie Christus kein Urheber einer Rebellion oder eines rohen Aufruhrs war, obwohl er aus dem Mund seiner Feinde hartnäckig dessen bezichtigt wurde, so werden es auch die sanftmütigen Pflanzer aus seiner Gemeinde nicht sein. Sie [die Fürsten] mögen also von diesen nichts für ihre eigene Person befürchten, Kämpfe um das Wort nicht mit dem Schwert und dem Zwang des Beiles beilegen und schlichten und Knoten nicht auf die Art des Herrschers aus Pella lösen, sondern beiden Seiten unvoreingenommen und ohne Ansehen der Person geneigtes Gehör schenken. Und nachdem sie alles reiflich erwogen haben, mögen sie dasjenige festhalten und mit Besonnenheit sich aneignen, was ihnen Christus und der Wahrheit näherzustehen scheint. Auch den unterlegenen Teil mögen sie dulden und glimpflich behandeln,

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<107> Ut resipiscendi spacium illecebraeque supersint.
Sic hodie errorum pleni tractantur Apellae;
Sic Reges olim Christi de corte potentes,
Gentiles fovere ipsa patienter in aula
Diversaeque viris fidei privata frequenter
Publicaque imperii mandarunt munia rectè
Nec doctrinarum lites et dogmata caeca
Vi studuere truci malè in unam fundere massam.
Quod nunquam fieri, Satana regnante per orbem
Et Christo illius regnum turbante subinde,
Viderunt posse. Et si posset, non tamen istud
Regnum lene decere Dei verbumque salutis.
Nimirum fidei hauddum emerserat atra tyrannis.
Hos, dic, sectentur potius quàm barbara nostri
In doctrinis atque fide molimina saecli.
     Magnus in his planè labor, et dignissima cura.
Ultima doctrinae pars, convenientia morum,
Frustra operam sumunt qua nunc plerique coloni,
Quum solidae nondum fidei fundamina iacta,
Regnet et impietas passim cultusque prophani.
Incipe tu Christo, Christum propone sciendum
Ut vitae autorem solum veniamque perennem
Humano generi; pugnantes stirpitus illi
Cultus atque superstitiosos erue ritus.
Ludicra tollatur quondam ceremonia si qua
Irrepsit fanis signisque est addita sacris.
Quales nominibus non est memorare necessum.
Ipse scies omnis: nec enim latitant, sed apertè
Insignique solent vulgò procedere pompa
Calcatisque Dei iussis regnare superbè.

damit ihm noch Gelegenheit und Anreiz bleibt, wieder zur Einsicht zu kommen. So verfährt man heute gegenüber den voller Irrtümer steckenden Juden; so haben einst auch mächtige Könige aus der Gemeinde Christi den Heiden selbst an ihrem Hof langmütig Unterhalt geboten und Männern mit abweichendem Glauben häufig mit Fug und Recht private Geschäfte und solche im Staatsdienst aufgetragen. Sie waren auch nicht darauf aus, Lehrstreitigkeiten und verblendete Lehrmeinungen mit grimmiger Gewalt auf schlimme Weise in Klump zu schlagen. Sie haben erkannt, daß dies nie möglich ist, solange Satan in der Welt regiert und Christus seine Herrschaft immer wieder durchkreuzt. Und daß es, wäre es denn möglich, doch nicht vereinbar wäre mit dem sanften Regiment Gottes und dem Wort des Heils. Freilich hatte damals finstere Glaubenstyrannei noch nicht ihr Haupt erhoben. Verkünde, daß sie lieber diesen [Königen] nachfolgen mögen als den barbarischen Bemühungen unseres Jahrhunderts auf dem Gebiete der Lehre und des Glaubens.
     Diese Dinge erfordern schlechthin große Anstrengung, und sehr verdienstvoll ist es, sich ihnen zu widmen. Der letzte Teil der Lehre ist die Harmonie der Sitten, um die sich die meisten Pflanzer heute vergeblich mühen, da noch keine soliden Grundlagen für den Glauben gelegt sind und allenthalben Gottlosigkeit und ruchlose Kulte den Ton angeben. Beginne du mit Christus, mache deutlich, daß man Christus kennen muß als den einzigen Stifter des Lebens und die immerwährende Gnade für das Menschengeschlecht. Die ihm widerstreitenden Kulte und abergläubischen Bräuche rotte mit Stumpf und Stiel aus! Sollte sich vor Zeiten etwa eine unernste Zeremonie in die Kirchen eingeschlichen haben und den Sakramenten beigesellt worden sein, so werde sie beseitigt. Um welche es sich handelt, muß nicht ausdrücklich hervorgehoben werden. Du wirst sie allesamt selbst kennen: sie halten sich nämlich nicht im verborgenen, sondern schreiten gewöhnlich offen und mit unerhörtem Gepränge einher und üben unter Mißachtung der Gebote Gottes ein hoffärtiges Regiment aus.

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<108> Nec minus auxiliis ac protectore vigebunt
Ac cultus ipsi, tibi nec minus inde pericli,
Tollere si studeas sacra radicitus aede.
Audendum est, siquidem verbo nil egeris uno,
Impia si doceat magno ceremonia fastu.
Interea nec servitii obliviscere coepti,
Nec dominus fito fidei fratrumque sequentum
Nec laudato ullos in relligione tyrannos.
Hinc ubi deseruit fallax fiducia mentes
Et Christo externi respondent congrua ritus
Purgataeque aedes referunt vestigia sanae
Doctrinae, ad mores curam converte regendos,
Ut sint condigni Christo rebusque novatis.
Pravos extirpa verbo monitisque severis,
Quos facilè doctus per te cognoveris ipse
Vel sanae norma fidei Mosisve tabellis.
Nil opus est igitur nobis properantibus ultrà,
Singula describi pravorum nomina morum
Et vitam adversam Christo studiumque malignum.
Omnia tu fugito primus malè consona Christo,
Teque ipsum vitae propone exemplar honestae,
Quamque viam monstras aliis, tu primus inito.
Qui Christi fuerint, doctorem sponte sequentur,
Aetherei afflatu moniti tractique parentis.
Et se transplantare sinent inhonestaque linquent.
Namque odere malum ipsi omnique à crimine abhorrent.
Non impura placet fraudique obnoxia vita.
Carnis spurcitias pravae lutulentaque mundi
Proscribunt studia et meditantur nocte dieque,
Sobriè ut atque piè vivant mandata secundum

Sie werden auch nicht weniger durch Helfershelfer und Beschützer in Macht und Ansehen erhalten werden als die Kulte selbst, und dein Risiko wird nicht gerade gering sein, wenn du darauf ausgehst, sie mit Stumpf und Stiel aus der Kirche zu entfernen. Das Wagnis muß eingegangen werden, da du ja mit einem einzigen Wort nichts ausrichten wirst, wenn eine Zeremonie mit großem Hochmut Gottloses lehrt. Gleichwohl verliere die dienende Funktion, unter der du angetreten bist, nicht aus dem Auge: werde nicht zum Herrn über den Glauben und deine sich dir anschließenden Brüder, und lobe auf dem Gebiet der Religion keine Tyrannen. Sobald daher die trügerische Sicherheit von den Geistern gewichen ist und die äußerlichen Bräuche Christus gemäß sind und die gesäuberten Gotteshäuser die Merkmale einer unverdorbenen Lehre aufweisen, wende deine Sorge der Korrektur der Sitten zu, damit sie Christus und der Neugestaltung der Dinge vollkommen entsprechend sind. Verkehrte Sitten, die du als gelehrter Mann anhand der Richtschnur des rechten Glaubens oder der Tafeln Moses’ mühelos von selbst als solche erkennen wirst, rotte aus mit dem Wort und strengen Ermahnungen. Es erübrigt sich also für uns, die wir schnell vom einen zum anderen übergehen, die verkehrten Sitten im einzelnen beim Namen zu nennen und eine Christus entgegengesetzte Lebensweise und ein bösartiges Streben zu beschreiben. Fliehe du als erster alles, was mit Christus übel harmoniert, stelle selbst ein Musterbild ehrbaren Wandels dar und beschreite den Weg, den du anderen weist, als erster. Diejenigen, welche Christus zu eigen sein werden, werden ihrem Lehrer freiwillig folgen, ermahnt und bestimmt durch den Anhauch des himmlischen Vaters. Und sie werden sich verpflanzen lassen und sich von schändlichen Dingen abwenden. Sie hassen nämlich selbst das Schlechte und schrecken vor jedem Verbrechen zurück. Ein unreines und dem Frevel geweihtes Leben findet bei ihnen keinen Anklang. Sie ächten das unflätige Wesen des schlechten Fleisches und die schmutzigen Bestrebungen der Welt und sind Tag und Nacht darauf bedacht, mäßig und fromm den Geboten entsprechend zu leben,

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<109> Iusticiamque omnem faciant prosintque benignè
Omnibus, in mundo niteant et divite fructu.
Haec studia electi licet amplectantur ab ipso
Flamine compulsi, regnante in cordibus imis,
Peccatrice tamen quoniam sub carne premuntur
Et circum varias exuscitat usque procellas
Regnator mundi Satanas torquetque sagittas
Iusticiam contra iam dexter iamque sinister
Pugnatque illecebris mundus scabieque propinqua
Affrictuque mali crebra offensacula ponit,
Continuis opus est monitis verboque sonante.
Utque exercitiis corpus potuque ciboque
Indiget assiduo, ne langueat et nervorum
Virtus et demum vitalis concidat aura,
Secius haud animi studium probitasque fidesque
Per bona divini verbi serventur oportet
Pabula coelestique subinde rigentur ab imbri
Atque exercitium fraterni haud cesset amoris,
Assiduus menti donec callum imprimat usus.
Ni fiat, fragili paulatim spiritus ardens
Pectore frigescit virtusque ad recta patranda
Deficit opprimiturque fides animusque recedit
Iusticiae cultor verae, omnis et osor iniqui.
Mox caput impietas tollit, mentisque tenebrae
Succedunt, crescitque seges foecunda malorum.
Ut ratis et clavo quondam et spoliata magistro
Sirtibus aut scopulis Aquilone impellitur aspro
Atque viros mediis gazasque exponit in undis,
Et consternati rectore absente caballi,
Impetus ut fert cunque, ruunt seseque rotasque

in jeder Weise Gerechtigkeit zu üben, jedermann in Güte nützlich zu sein und sich in der Welt durch reiche Frucht hervorzutun. Wenn auch die Erwählten sich diesen Bestrebungen mit Liebe widmen, getrieben von dem Wehen selbst, das tief im Innern ihrer Herzen regiert, so stehen sie doch unter dem Druck des sündigen Fleisches – Satan, der Herrscher der Welt, erregt fortlaufend ringsumher mannigfache Stürme, schießt bald von rechts, bald von links Pfeile gegen die Gerechtigkeit, und die Welt widerstrebt mittels Verlockungen und schafft immer wieder durch den Reiz und Kitzel des Bösen Anstöße in nächster Nähe –, und deshalb bedarf es unaufhörlicher Ermahnungen und des tönenden Wortes. So wie der Körper geübt werden muß und ständig der Speise und des Tranks bedarf, damit er nicht erschlafft und die Kraft der Muskeln und schließlich der Odem des Lebens entschwindet, gerade so müssen das Streben des Herzens, die Rechtschaffenheit und der Glaube durch die gute Speise des göttlichen Wortes am Leben erhalten und immer wieder mit himmlischem Regen getränkt werden, und die Übung in brüderlicher Liebe darf nicht nachlassen, bis ihre ständige Praktizierung dem Gemüt Schwielen einprägt. Geschieht dies nicht, so erkaltet allmählich der glühende Geist in der hinfälligen Brust, und es fehlt die Kraft zur Vollbringung des Rechten, der Glaube wird unterdrückt und die Gesinnung, die wahre Gerechtigkeit liebt und alles Unbillige haßt, weicht von hinnen. Alsbald erhebt die Ruchlosigkeit ihr Haupt, und Finsternis des Geistes tritt ein, und die fruchtbare Saat des Bösen wächst heran. Wie zuweilen ein seines Ruders und Steuermanns beraubtes Schiff vom rauhen Nord auf Sandbänke oder Klippen getrieben wird und Mannschaft und Schätze inmitten der Wogen preisgibt, und wie erschreckte Pferde, wenn kein Lenker da ist, losjagen, wie es ihnen ihr Trieb gerade eingibt, und sich selbst und den Wagen

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<110> In fluvios foveasve altas atque invia saxa
Praecipitant sparguntque viros et fragmina currus:
Haud aliter docti quamvis Christumque fidemque
Inque viam ducti rectam studiumque placendi
Virtute et factis, fraterno et amore Tonanti,
Conticuere simul divini hortamina verbi
Et rectoris abest prudentis sedula cura,
Labimur adque malum declinant corda manusque.
Usque adeò fragiles sumus atque ad pessima proni.
Si quibus ergo fide recti instillaris amorem
Atque odium pravi maculasque absterseris atras
Cordibus et scelerum fontes obstruxeris ipsos,
Moribus et fidei doctrinis semper adesto.
Laudato, si quem recto conspexeris ire
Limite et exempli radios praeferre salubris.
Hortator, si quis cessat vel stare videtur,
In studiisque piis turpi languere veterno.
Castiga et monitis etiam compesce severis,
Immemor officii si quis fideique professae
Ad mala deflectit moresque capessit olentes
Designatque palàm factum famosius ullum.
Militiae bonus ut princeps rectorque duelli
Contemplare omnes cunctisque occurre periclis,
Integros serva, collapsos erige, sanam
Vulnere tristifico laesis adhibeto medelam,
Militis et cura pater ut cuiusque salutem.
Non magni fuerit salvos retinere negoci
Illos, qui Christi sunt, quîs vel mica superni est
Flatus atque gerunt virtutum semina corde.
At sunt, qui magno Christi se nomine velant

in Flüsse oder tiefe Gruben und unwegsame Felsklüfte hinabstürzen und Menschen und Trümmer des Wagens umherstreuen, genauso kommen wir zu Fall und neigen sich unsere Herzen und Hände zum Schlechten hin, sobald die Ermunterungen des göttlichen Wortes verstummt sind und das emsige Mühen eines klugen Lenkers ausbleibt – so sehr wir auch in Christus und im Glauben geschult und auf den rechten Weg gebracht und zu dem Streben angehalten worden sein mögen, dem Donnerer durch tugendhafte Werke und brüderliche Liebe wohlgefällig zu sein. Dermaßen gebrechlich sind wir und geneigt zum Allerschlechtesten! Wenn du also Menschen durch den Glauben Liebe zum Guten und Haß auf das Schlechte eingeimpft, die schwarzen Flecken von den Herzen entfernt und die Quellen der Freveltaten selbst verstopft hast, so stütze das sittliche Verhalten und den Glauben ständig durch Belehrungen. Wenn du etwa bemerkt hast, daß jemand auf dem rechten Pfade wandelt und von ihm die Strahlen eines heilsamen Vorbildes ausgehen, so spende Lob. Wer etwa nachläßt oder stillzustehen und hinsichtlich frommer Bestrebungen in schändlichem Phlegma zu erschlaffen scheint, den ermahne. Wer etwa pflichtvergessen und ohne einen Gedanken an den Glauben, zu dem er sich bekannt hat, zum Bösen überschwenkt, sich einem stinkenden Lebenswandel überläßt und vor aller Augen eine recht anrüchige Tat verübt, den schilt aus und weise ihn auch mit strengen Ermahnungen in die Schranken. Wie ein guter Feldherr und Schlachtenlenker behalte alle im Auge, komme jedweder Gefahr zuvor, schütze die Unversehrten, richte die Zusammengebrochenen auf, gib denen, die schrecklich verwundet sind, Arznei, und kümmere dich wie ein Vater um das Wohlergehen eines jeden Soldaten. Es wird keine große Mühe kosten, diejenigen vor Schaden zu bewahren, die Christus zu eigen sind, die auch nur ein Körnchen vom Heiligen Geist besitzen und die Saat der Tugend im Herzen tragen. Doch gibt es Menschen, die sich unter dem großen Namen Christi verhüllen

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<111> Externisque gregi signis miscentur ovillo,
Interius flatu vacui studiisque lupinis
Dediti et in Christi Satanae colludere castris
Clamque palamque solent, prava vitaque fideque.
In quorum numero proceres plerique videntur
Et quos turgentes argenti copia fecit,
Qui licitum censent sibi, quicquid collibet. Inde
Sudores magni venient et plaustra laborum,
Inde etiam victus et magna pericula vitae.
Nam quamvis Evangelii amplectantur amoeni
Doctrinam cultumque probent pariterque sequantur
Verbis nimirum nudis gestuque forensi,
Vix tamen, ut vitam mutent, persuaseris unquam.
Scortillis haerent partim partimque nefandis
Dediti adulteriis aliove fruuntur amore,
Quem furvus docuit tristis moderator Averni.
Deglubunt alii populum vivuntque rapinis;
Conculcant alii fruges venando famemque
Inducunt miseris, meritis nec tale colonis.
Sunt, qui detruncant vallos sepesque revellunt
Custodesque canes iugulant religantve catenis
Aut certè impediunt baculis ad colla ligatis,
Liberè uti celeres absque et discrimine cervi
Pascant atque vorent aliorum impunè labores,
Sicque voluptates nihili et sua commoda quaerunt
Pernicie cassoque sui sudore popelli.
Fraudibus intendunt alii mercique dolosae
Et nauci faciunt etiam imposuisse parenti.
Usuras alii cudunt iterumque recudunt,
Unum illis studium consuetaque fabula foenus,

und sich mit nur äußerlichen Kennzeichnungen unter die Schafherde mischen, während sie innerlich völlig des Heiligen Geistes entbehren und wölfischen Bestrebungen ergeben sind, und die, verkehrten Lebens und Glaubens, in Christi Lager heimlich und öffentlich mit Satan gemeinsame Sache zu machen pflegen. Unter ihnen finden sich meist die Vornehmsten sowie diejenigen, die ein Haufen Geld hochmütig gemacht hat: diese meinen, ihnen sei alles erlaubt, was ihnen gerade gefällt. Dies wird große Kraftanstrengungen und eine gewaltige Fülle von Arbeit verursachen, desgleichen große Gefahren für deinen Unterhalt und dein Leben. Denn obgleich sie die Lehre des lieblichen Evangeliums gern annehmen, seine Verehrung gutheißen und sich auch nach ihm richten – mit bloßen Worten und äußerlicher Gebärde, versteht sich –, wirst du sie doch kaum jemals dazu überreden, ihr Leben zu ändern. Zum Teil hängen sie sich an Hürchen, zum Teil geben sie sich ruchlosem Ehebruch hin oder ergötzen sich an irgendeiner anderen Liebschaft, die der schwarze Lenker der schreckenvollen Hölle sie gelehrt hat. Die einen schinden das Volk und leben von Räubereien, die anderen zerstampfen bei der Jagd das Getreide und bringen eine unverschuldete Hungersnot über die armen Bauern. Da sind welche, die die Pfähle umhauen und die Zäune herausreißen, die die Wachhunde abschlachten oder an Ketten festbinden oder sie doch wenigstens mit Stöcken, die sie ihnen an die Hälse gebunden haben, so behindern, daß die flinken Hirsche ungehindert und ohne Gefahr äsen und ungestraft die Früchte fremder Arbeit verschlingen, und die auf diese Weise für nichts und wieder nichts sich Vergnügungen und Vorteile zu verschaffen suchen, indem sie ihrem Volk Verderben bringen und seine schwere Arbeit zunichtemachen. Andere widmen sich Betrügereien und falscher Ware und scheren sich nicht die Bohne darum, selbst ihren Vater übers Ohr gehauen zu haben. Wieder andere schlagen immer aufs neue Wucherzinsen heraus: ihr einziges Streben und ihr gewöhnlicher Gesprächsstoff ist der Wucher,

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<112> Nilque aliud cauti meditantur nocte dieque,
Quo regum fiscos populique aeraria verrunt.
Et dites opibus quondam censuque beatos
Mendicos reddunt patriosque relinquere cogunt
Absque pudore lares pergrataque caetera vitae.
Quid de periuris dicam et cauponibus, uni
Addictis lucro? Quaestus certissimus est iam,
Cauponam si quis mercatur, si quis in annum
Conducit quamvis magno. Nam civibus ille
Hospitibusque alia quavis regione profectis,
Iure tribunitio veluti, quantum libet, aufert
Perfrictaque omnem contemnit fronte querelam.
Nonnullos videas hac tempestate[25] potentes
Pulchrè Evangelicos, nomen quantum attinet ipsum,
Non minus interea vestes, calices patinasque,
Quicquid et argenti delubris, quicquid et auri
Inventum rapere inque pios convertere nullos
Usus et dites monachorum denique nidos
Deplumare aut cum ramento tollere prorsus,
Largius ut potent, ludant insanius atque
Aedificent crudisque parent incendia bellis
Privataeque rei possint explere lacunas,
Foenus et immensum curtis persolvere verpis:
Solliciti nihil, ut Christus verbumque salutis
Floreat atque ope relligio syncera iuvetur,
Ut nullam ob causam doctrinae haerere probatae
Iures, quàm ut spolient sacra sacrorumque ministros.
Lurcones aderunt et grex studiosus Iacchi
Atque alii, quorum Christo non vita cohaeret.
Sunt vomicae putres, quas vix sanaveris unquam.

und Tag und Nacht sinnen sie verschlagen nur darauf, wie sie die Schatzkammern der Könige und die Kassen des Volkes leerfegen. Und Menschen, die einst begütert und wohlhabend waren, machen sie zu Bettlern und zwingen sie ohne Scham, ihr Vaterhaus und alle sonstigen großen Annehmlichkeiten ihres Lebens aufzugeben. Was soll ich von den Meineidigen und den Schankwirten sagen, die sich allein dem Profit verschrieben haben? Wer sich etwa eine Schankwirtschaft kauft, wer sie etwa, gegen noch so hohe Gebühr, auf ein Jahr pachtet, dem ist sein Gewinn schon vollkommen sicher. Er zieht nämlich den Bürgern und den Fremden, die aus irgendeiner anderen Gegend angereist sind, gewissermaßen aus obrigkeitlicher Machtvollkommenheit aus der Tasche, soviel ihm beliebt, und setzt sich schamlos über jede Beschwerde hinweg. Du kannst heute so manche mächtigen Herren sehen, die, soweit es nur den Namen selbst betrifft, vortrefflich evangelisch sind, nichtsdestoweniger aber Gewänder, Kelche und Schüsseln und was immer sich an Silber- und Goldgegenständen in den Kirchen angefunden hat, rauben und keinerlei frommem Gebrauch zuführen, die vollends die reichen Mönchsnester rupfen oder bis auf das letzte Bißchen radikal ausräumen, um noch ausgiebiger zu trinken und noch unsinniger zu spielen, um zu bauen, um die Glut roher Kriege anzufachen, um Verluste in ihrem Privatvermögen auszugleichen und den beschnittenen Schwänzen ungeheuren Zins bezahlen zu können: in keiner Weise darum besorgt, daß Christus und die Heilsbotschaft in Blüte stehen und die unverfälschte Religion materielle Unterstützung erhält, so daß du schwören möchtest, daß sie der bewährten Lehre aus keinem anderen Grund anhängen, als um die Kirchen und ihre Diener zu berauben. Da werden Schlemmer zur Stelle sein, der eifrige Schwarm des Bacchus und noch andere, deren Lebensweise nicht in Christus verankert ist. Dies sind brandige Geschwüre, die du kaum jemals heilen wirst.

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<113> Non tamen officium cesset, nec subtrahe verbum:
Sanctorem ignitae legis poenasque futuras
Urge atque inculca, cane magni exempla furoris,
Quo pater omnipotens sceleratum perdidit orbem
Vixque homines octo clausa servavit in arca.
Plurima profer ad hoc alia argumenta locosque,
Ut videant manibusque queant palpare vel ipsis,
Quidnam et ubi quantumque mali scelerisque patrarint
Designentque hodie quantumque à tramite recto
Coelestis stadii ad flammantia Tartara vadant,
Frigidus ut tandem peccantes occupet horror
Et mali eos odium capiat fugiantque petita
Hactenus et Domini servent mandata tremendi.
Rectè habet, huc si opera studioque attraxeris illos.
Verbo Evangelii poteris recreare dolentes
Solarique gravi perculsos iudicis ira,
Eripere atque choris coelestibus addere missos
In tristes Phlegethontis aquas Erebique profundum
Reddereque occisos vitae lucique sepultos.
     Sin poteris minus Aethiopes albare lavando,
Testes iudicii tamen iis tua verba futuri
Semper erunt, animamque tuam servaveris ipse.
Nullius aspicias vultum nec opes nec honores
Nec fasces aut sceptra genusque illustrius ullum,
Quo minus accuses vitia et mandata superni
Omnibus exponas Regis. Sunt plurima vatum
Hîc exempla tibi. Baptistam imitare severum,
Qui magni incestos Regis damnavit amores.
Thesbiten etiam, qui Regi audacter Achabo
Restitit in faciem et facta exprobravit iniqua.

Dennoch laß es nicht fehlen an der Erfüllung deiner Pflicht und halte das Wort nicht zurück. Weise mit Nachdruck und eindringlich auf den Verordner des feurigen Gesetzes und die künftigen Strafen hin und verkünde die Beispiele von der großen Wut, mit der der allmächtige Vater die frevelhafte Welt vernichtet und gerade acht Menschen in der verschlossenen Arche verschont hat. Bringe hierzu noch sehr viele andere Beweismittel und Schriftstellen bei, damit sie erkennen und geradezu mit Händen greifen können, welches Verbrechen – sowie worin und in welchem Ausmaß – sie verübt haben und noch bis heute begehen und wie sehr sie sich vom rechten Lauf der himmlischen Rennbahn weg auf die flammende Hölle zubewegen, damit die Sünder endlich ein kaltes Grausen überkommt und Haß auf das Böse sie ergreift und sie das bis dahin Erstrebte fliehen und die Gebote des schrecklichen Herrn einhalten. Deine Sache steht gut, wenn du sie mit eifrigem Mühen auf diesen Punkt gebracht hast. Du wirst die Leidenden mit dem Wort des Evangeliums erquicken und die durch den schweren Zorn des Richters Verzagten trösten können; du wirst die, die zu den trauervollen Wassern des Phlegethon und in die bodenlose Tiefe des Totenreiches geschickt wurden, herausreißen und den himmlischen Chören beigesellen können; du wirst die Getöteten dem Leben, dem Licht die Begrabenen zurückgeben können.
     Wenn du auch Mohren nicht wirst weißwaschen können, so werden ihnen deine Worte doch immer Zeugen des künftigen Gerichts sein, und du selbst wirst deine Seele gerettet haben. Nimm nicht in der Weise Rücksicht auf irgend jemandes Gesicht, Reichtum, Ansehen, Ehrenstellen oder Herrschermacht und irgendwie erlauchtes Geschlecht, daß du Laster nicht anklagst und nicht jedermann die Gebote des Himmelskönigs darlegst. Die Propheten bieten dir hierfür sehr zahlreiche Beispiele. Ahme den strengen Täufer nach, der die blutschänderische Liebschaft eines großen Königs verdammt hat; auch den Thisbiter, der dem König Ahab von Angesicht zu Angesicht kühnen Widerstand leistete und ihm seine Missetaten vorhielt.

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<114> Quid multis? Stephanus docet et Servator IESUS
Non applaudendum sceleratis, fortiter immò
Ulcera rescindenda atrumque in pectore virus,
Quod foris hircino cunctos offendit odore,
Tangendum. Si qui praefracti nempe videntur
Nec sentire leves acresque repellere tactus,
Argue publicitus constanterque occine poenas,
Ne totum exitiosa gregem contagia laedant.
Porro procax absit largae petulantia linguae
Nec non Sardonius fumanti pectore risus.
Nec spargas fatua in praeceps convicia vulgus,
Ne rabulas viles scurrasque imitere forenses
Et discant eadem iuvenes facilesque puellae,
Ut plerique sumus scelera ad discenda capaces.
Quo nimium peccant hac tempestate coloni.
Quippe putant pulchrum scurrili ludere more
Atque Theonino quosvis arrodere dente
Sisennisque adeò nihil et concedere Barris,
Nec lachrymas docti, sed risum agitare solutum.
Strenuè in hoc quos quisque imitatur pessimus, ut iam
Quàm plebem tales praestaret pascere porcos.
     Turpia si qua unquam damnas obscoenaque facta,
Auribus atque animis parces puerisque tenellis.
Atque eadem nunquam obscoenis effabere verbis
Nec pinges clarè aut carpendo morabere longum.
Obscuris sat erit verbis brevibusque pudenda
Dicere, ne, quando nimium traducis apertè
Singulaque exponis, non deterrere puteris
Velle à flagitiis, sed eorum tradere cultum.
Perpendes semper, quid Christo teque locoque

Was bedarf’s vieler Worte? Stephanus und der Retter Christus lehren, daß man Frevlern keinen Beifall spenden darf, daß man vielmehr die Geschwüre energisch aufschneiden und das schwarze Gift in der Brust, das nach außen hin jedermann mit seinem Bocksgestank belästigt, anpacken muß. Sollte es nämlich Menschen geben, die verstockt sind und gelinde Rüffel nicht spüren und scharfe zurückweisen, so rüge sie öffentlich und verkünde unbeirrt ihre Strafen, damit nicht durch unheilvolle Ansteckung die ganze Gemeinde Schaden erleidet. Andererseits aber meide den frechen Übermut einer schwatzhaften Zunge sowie das sardonische Lachen, das aus einer rauchenden Brust kommt. Schütte auch nicht im Übereifer abgeschmackte Beschimpfungen über das Volk aus, damit du nicht den primitiven Zungendreschern und Possenreißern auf dem Marktplatz ähnelst und die Jünglinge und anpassungswilligen Mädchen ebendies übernehmen – wie denn die meisten von uns empfänglich sind in der Aneignung von Lastern. Hierin sündigen die Pflanzer heutzutage im Übermaß. Sie finden es freilich schön, auf possenreißerische Art zu scherzen, jedweden mit theoninischem Zahn zu benagen und einem Sisenna und einem Barrus in gar keinem Punkte nachzustehen, nicht geschickt, Tränen, wohl aber, ausgelassenes Gelächter hervorzurufen. Es sind gerade die Schlechtesten, die sie hierin beflissen nachahmen, so daß es nachgerade besser wäre, wenn solche Pflanzer Schweine weideten anstelle des Volkes.
     Solltest du etwa jemals schimpfliche und unzüchtige Handlungen verdammen, so wirst du Ohren und Gemüter und die zarten Kinder schonen. Und du wirst sie niemals in einer unzüchtigen Sprache aufs Tapet bringen und sie auch nicht anschaulich ausmalen oder dich bei deinem Tadel lange aufhalten. Es wird ausreichend sein, dunkle Andeutungen zu machen und die häßlichen Verstöße kurz zu erwähnen, damit du nicht den Eindruck erweckst, du wollest nicht von Schandtaten abschrecken, sondern ihre Ausübung lehren, da du sie mit übergroßer Offenheit bloßstellst und Einzelheiten darlegst. Stets wirst du genau abwägen, was Christus, dir selbst und dem Ort

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<115> Sit dignum, non quae mereantur verba scelesti.
Corripe peccantes digna gravitate colono
Culturaque Dei. Serva tempusque locumque,
Ne fortè admotae noceant non ritè medelae
Crudescatque mage et planè immedicabile fiat
Vulnus tuque operam ludas perdasque protervus,
Quem tempestiva poteras sanare medela.
Si patet accessus tibi delinquentis in aedes
Notitia quadam, veteris vel nomine amici,
Mollibus obiurga coràm bis terque quaterque,
Instantes adiunge preces, hortator amico
Multum animo, properè lethaei castra tyranni
Deserat atque piè meditetur vivere tandem,
Iudicii metuens stricti famaeque sinistrae.
Ò te felicem lucri sumptique laboris,
À culpa si quem patuloque abstraxeris Horco!
Porrò aditus tibi si nullus vel perspicis ipse
Ingratum fore te coram vultuque sonoque,
Ne tamen idcirco commissum munus omittas.
Allegato alios, quorum tibi gratia nota
Quosque eadem curare aptè sub nomine speres
Posse tuo. Quòd si hoc etiam fortasse negatur,
Doctè conscriptis eadem persuade libellis.
Non adeò mordent scripta incutiuntque pudorem
Ut vox increpitans coràm vultusque renidens.
Nec te rescriptum durum nullumve fatiget.
Insta etiam atque etiam, partes expandito in omnes
Retia, et incurvus liquidis natet hamus in undis
Semper, et haud usquam tibi sedula dextra quiescat.
Assiduo serrae finduntur marmora tractu,

geziemt, und nicht, welche Worte die Frevler wohl verdienen. Tadle die Sünder mit dem würdevollen Ernst und der Ehrfurcht vor Gott, die sich für einen Pflanzer geziemen. Berücksichtige Zeit und Ort, damit nicht etwa deine Arzneimittel infolge unpassender Anwendung Schaden stiften und die Wunde schlimmer und schlechterdings unheilbar wird und du deine Arbeit vertust und mutwillig einen Menschen zugrunderichtest, den du mit einer rechtzeitig verabreichten Arznei hättest heilen können. Wenn du Zugang zum Haus eines Frevlers hast, weil du irgendwie mit ihm bekannt bist oder dich auf alte Freundschaft berufen kannst, so mache ihm persönlich zwei-, drei-, viermal mit schonenden Worten Vorhaltungen, schließe eindringliche Bitten an und fordere ihn in freundschaftlicher Gesinnung vielmals auf, das Lager des Todesfürsten eilends zu verlassen und sich endlich, in der Furcht vor einem strengen Gericht und einem üblen Leumund, auf ein frommes Leben zu besinnen. O, gesegnet bist du mit Gewinn, lohnend war dein Aufwand an Mühe, wenn du jemanden der Sünde und der klaffenden Hölle entzogen hast! Solltest du aber keinen Zugang haben oder selbst feststellen, daß du mit deiner Gegenwart – deinem Anblick und deiner Stimme – keinen Dank ernten wirst, so versäume darum trotzdem nicht das dir aufgegebene Amt. Sende andere aus, von denen du weißt, daß sie willkommen sind, und von denen du hoffen kannst, daß sie in deinem Namen auf die rechte Weise das Gleiche auszurichten vermögen. Sollte auch dies vielleicht auf Ablehnung stoßen, so leiste jene Überzeugungsarbeit mit geschickt abgefaßten Briefen. Briefe sind nicht gar so kränkend und beschämend wie die Gegenwart einer scheltenden Stimme und höhnischen Miene. Es verdrieße dich auch nicht, wenn du ein grobes oder überhaupt kein Antwortschreiben erhältst. Dränge wieder und wieder, spanne auf allen Seiten Netze aus, und stets schwimme der gekrümmte Angelhaken im fließenden Wasser, und nirgendwo sei deine emsige Rechte müßig. Durch unermüdliches Sägen zerteilt man Marmorblöcke,

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<116> Et callem faciunt formicarum agmina tritum
Discursu crebro, calido sub sidere Cancri
Dum quaerunt escas, structis aut tegmina nidis.
     At si peccanti Satanas obstruxerit aures
Utque adamanta animum pravum duraverit, ut nil
Secretis valeas precibus monitisque benignis,
Tum demum accusato palàm, ut, si spreverit unum
Sive duos, coetus metuat tamen ora verendi,
Sumat et ingenuum mentis frontisque pudorem.
Aut si depuduit penitus vitamque scelestam
Tutari verbis potius quàm linquere tendit
Nec poscit veniam nec coetum exaudit honestum,
Verùm ira tumet et monitori dira minatur,
Tum magis et rabida cane et evitetur echidnis
Nec iusti membrum coetus habeatur IESU
Sitque precum et sacrorum exors, nec munera quisquam
Illius accipiat, Regi tradatur Averni,
Cui servire studet devotus corde manuque.
Primus ad ista praei, carnali liber ab ira,
Nec tuam agas odio causam sub corde latenti:
Divinus regat et moveat tua pectora zelus.
Totum hortare gregem monstratis ritè periclis,
Praebeat assensum simul et carbone scelestos
Damnet cumque illis habeat commercia nulla,
Ne culpa unius somno neglecta profundo
Repat in exemplum vindictamque adferat acrem
Omnibus atque urbes totae plectantur ob unum.
Nam licet officium iudex cessator omittat,
Ipse Deus vigilat tamen et sua fulmina dextra
Corripit et vibrat gladium telisque minatur

und die Heerscharen der Ameisen stellen durch häufiges Hin- und Herlaufen einen Trampelpfad her, während sie unter dem heißen Sternbild des Krebses Nahrung oder, nach Errichtung ihrer Haufen, Material zur Abdeckung suchen.
     Wenn aber Satan einem Sünder die Ohren verschlossen und sein verdorbenes Herz stahlartig verhärtet hat, so daß du mit geheimen Bitten und gütigen Ermahnungen nichts auszurichten vermagst, dann klage öffentlich an, damit er – mag er auch einen allein oder auch zwei verachtet haben – doch die Gesichter der respektgebietenden Gemeinde fürchtet und sein Geist und seine Miene von aufrichtiger Scham gekennzeichnet sind. Oder aber – wenn alle Scham völlig von ihm gewichen ist und er eher dazu neigt, sein frevelhaftes Leben mit Worten zu rechtfertigen, als es aufzugeben, wenn er weder Vergebung verlangt noch auf eine ehrenwerte Gemeinde hört, sondern sich zornig bläht und dem Mahner schreckliche Dinge androht, dann meide man ihn mehr als eine tollwütige Hündin und eine Viper: man betrachte ihn nicht als Mitglied der gerechten Gemeinde Jesu, er sei von Gebet und Gottesdienst ausgeschlossen, niemand nehme von ihm Geschenke an, man überlasse ihn dem Fürsten der Hölle, dem er hingebungsvoll mit Herz und Hand zu dienen bestrebt ist. Gehe hierbei als erster voran, frei von fleischlichem Zorn, und verfolge nicht, mit heimlichem Haß im Herzen, deine eigene Sache: göttlicher Eifer lenke und bestimme dein Herz! Fordere die ganze Gemeinde nach gehöriger Darlegung der Gefahren auf, dir geschlossen beizupflichten, die Frevler mit der Kohle zu verdammen und mit ihnen keinerlei Gemeinschaft zu halten, damit nicht die Sünde eines einzigen, deren Ahndung man infolge tiefen Schlummers verabsäumt hat, nicht unversehens zu einem Musterbeispiel wird, jedermann eine harte Strafe einträgt und ganze Städte eines einzigen Menschen wegen büßen müssen. Denn mag auch ein saumseliger Richter seine Pflicht ignorieren: Gott selbst ist doch wachsam, und seine Rechte greift geschwind zum Wetterstrahl, schwingt das Schwert, dräut mit Geschossen

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<117> Evertitque simul nonnunquam et iudicem inertem
Atque reos, unà populum populique magistros.
     Haec erat antiquis pia disciplina colonis.
Hoc gratum regimen Domino et tinctae utile genti.
Si quis avarus erat malè quaerens undique lucra,
Si quis et alterius lectum foedarat adulter,
Si quis furto operam dabat iniustisque rapinis,
Si quis caedis erat reus aut flagrabat acerbo
Adversum fratres odio implacabilis et si
Quis Comum assiduè Morychumque colebat Iacchum,
Si quis scortator, scelerato aut de grege draucus
Sive ferebatur pathicus cultorve prophani
Cuiusdam rerum simulacri hominumque deûmque,
Si quis erat semper maledictis dives amaris
Aut fidei assertor pravae insanique repertor
Dogmatis indomitus, periuri nomine si quis
Notus erat vel damnosi rumore fritilli,
Aut alio si quis macularat crimine coetum,
Tradebant Satanae, Christi de corte recisum,
Arcebant sacris, nectebant vincula menti.
Quem morem Reges etiam tremuere potentes
Et quicunque ausi quondam sperare salutem.
Heu quò decidimus? Quem nunc Ecclesia vultum
Possidet? Infames quis nunc pravosque cohercet?
Pro disciplina tali verboque potenti
Agricolae saturi gladios rapuere nefandos,
Scilicet ut cunctis ita per compendia rebus
Consulerent, immò miscerent infima summis,
Omnes turbarent populos et regna per orbem
Quaerentes sua, non Christi coetusve sacrati,

und vernichtet zuweilen gleichzeitig sowohl den untüchtigen Richter wie die Angeklagten, zugleich das Volk und die Lehrer des Volkes.
     Die Landbauer früherer Zeiten besaßen diese fromme Zucht. Ein solches Regiment war Gott wohlgefällig und für die Christenheit von Nutzen. Wenn jemand habgierig war und überall auf üble Weise Gewinn machen wollte, wenn jemand als Ehebrecher eines anderen Bett besudelt hatte, wenn jemand sich aufs Stehlen und Räubern verlegte, wenn jemand des Mordes angeklagt war oder unversöhnlich von bitterem Haß auf seine Brüder brannte, wenn jemand unablässig dem Komos und Dionysos huldigte, wenn jemand ein Hurer war oder zur ruchlosen Schar der Männerliebhaber gehörte oder als Lustknabe berüchtigt war oder als Verehrer irgendeines frevelhaften Abbildes von Gegenständen, Menschen oder Göttern, wenn jemand ständig im Übermaß bittere Schmähreden führte oder für einen verkehrten Glauben eintrat oder ein unbezähmbarer Urheber einer unsinnigen Lehre war, wenn man jemanden als Meineidigen kannte oder vom Klappern des verderblichen Würfelbechers her oder wenn jemand die Gemeinde mit einem anderen Frevel besudelt hatte, so überließ man ihn Satan als einen aus der Gemeinde Christi Ausgetilgten, man hielt ihn vom Gottesdienst fern und legte seinen Absichten Fesseln an. Vor diesem Brauch haben sogar mächtige Könige gezittert sowie alle, die einst gewagt haben, das Heil zu erhoffen. Wehe, auf welches Niveau sind wir herabgesunken! Wie ist das Erscheinungsbild der Kirche heute? Wer hält heute die Übelbeleumdeten und Schlechten in Schranken? Anstelle einer solchen Zucht und der Macht des Wortes haben die feisten Landbauer zu greulichen Schwertern gegriffen – um so nämlich im Schnellverfahren allen Dingen Rat zu schaffen oder besser: um das Niedrigste mit dem Höchsten zu vermischen und alle Völker und Reiche der Erde in Verwirrung zu stürzen, indem sie ihre eigenen Interessen verfolgten und nicht diejenigen Christi oder der heiligen Schar,

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<118> Non scelera arcentes, scelerum sed pinguia passim
Semina spargentes et res non huius honestas
Et veri studium facientes, improba planè
Pondera terrarum pestisque miserrima veri.
Si qua pii veterisque hodie vestigia moris
Restant, in pravum videas convertier usum.
Nam dedunt Satanae, si quis non tempore solvit
Debita templorum, si quis narrare recusat
Omnia, quae facto verbisque admisit, in aurem
Indocto insanoque homini rimisque patenti.
Caetera quid memorem? Pugnatur Marte feroci
Pro tricis hominum, zelus lucra quaerit avarus
Obsaturatque odium miraque libidine regnat.
Nemo est sollicitus summi pro lege Tonantis.
Interea iocus est et habetur adulter honestus,
Publicitusque lupas urbes certumque lupanar
Prostituunt; scortis quoque diversoria plena,
Ne fortè hospitibus scortandi copia desit.
Ipsis incesti vulgò luduntur amores
Agricolis, sacri neque cura est ulla pudoris.
Deditus his studiis et sanguine collitus atro
Mavortemque efflans et tristis Erinnyas Horci
Concordesque inter dirumpens foedera reges
Praeficitur sacris et vir coelestis habetur,
Nescio quas retinens in coelum et Tartara claves.
Praedones furesque astant altaria circum,
Dispensatque Dei blasphemus munera notus.
Et breviter, non est ullum damnabile factum
Quodque Dei excludat coetu faciatque prophanos,
Quàm commenta hominum et ridendas spernere nugas.

indem sie nicht Freveltaten verhinderten, sondern überall ergiebige Samen des Frevels ausstreuten und den Eifer für jenen [sc. Christus] und die Wahrheit für unehrenhafte Dinge ansahen – als eine schlechthin ruchlose Last der Erde und eine höchst jammervolle Geißel der Wahrheit. Sofern etwa heute noch Spuren des frommen alten Brauchs übrig sind, werden sie, wie man sehen kann, in einen üblen Zweck verkehrt. Denn wer nicht pünktlich die der Kirche geschuldeten Abgaben zahlt, wer sich weigert, alles, was er sich in Wort und Tat hat zuschulden kommen lassen, einem ungebildeten und wahnwitzigen Menschen, der nicht dicht hält, ins Ohr zu sagen, den geben sie Satan anheim. Wozu soll ich noch das übrige aufzählen? Mit wilder Kriegswut streitet man für menschliche Possen, habgieriger Eifer ist auf Gewinn aus, befriedigt seinen Haß und herrscht mit erstaunlicher Willkür. Niemand sorgt sich um das Gesetz des höchsten Donnerers. Ein Ehebrecher ist [nur] ein Gegenstand des Scherzes und gilt als Ehrenmann, die Städte bieten öffentlich Huren und ein eindeutiges Bordell an, auch die Herbergen wimmeln von Huren, damit es den Gästen nicht etwa an einer Gelegenheit zur Unzucht fehlt. Die Landbauer haben allenthalben selbst ihren Spaß an schmutzigen Liebschaften, und man hat keinerlei Interesse an geistlicher Keuschheit. Ein Mensch, der sich diesen Bestrebungen hingibt, der beschmiert ist mit schwarzem Blut, der Krieg atmet und die Erinnyen des schaurigen Orkus, der einträchtige Bündnisse unter Königen zerbricht – solch ein Mensch steht dem Gottesdienst vor und gilt als Mann des Himmels, der – ich weiß nicht, welche – Schlüssel zum Himmel und zur Hölle in Händen hält! Beim Altar stehen Räuber und Diebe, und ein berüchtigter Lästerer verwaltet die Geschäfte Gottes. Und, kurz gesagt, die einzige Tat, die als verdammenswürdig gilt und zum Ausschluß aus der Gemeinde Gottes führt und Menschen zu Frevlern macht, ist die Verachtung menschlicher Erdichtungen und belachenswerter Flausen.

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<119> Disciplina igitur vetus atque exercita quondam
Neglectu periit partim partimque frequenti
In summum populi contemptum venit abusu,
Nec facile apparet reparari posse per unum.
Consensus, non vis multorum accedat oportet.
     Quantumcunque potes, cura, quantumque licebit
Causaque divini quantum tolerabit honoris,
Ne reprobi atque probi precio reputentur eodem.
Si nequeas istuc totum perducere coetum,
Tu tamen ut doctor populi morumque magister
Discrimen serva iustum nec in aede Tonantis
Magnorum quamvis tolerato fimeta virorum,
Nec simul immundaeque sues stabulentur et agni.
Pervigil esto canis contra furesque luposque.
Ne parcas voci, si quem conspexeris atrum
Aut facientem indigna fide et contraria Christo.
Nec taceas, unctam si fortè obiecerit offam
Aut panis frustum dives satrapesque placentam,
Iusserit atque sua te semper vivere quadra
Aut palpo fecisse alio curarit amicum.
Viribus hîc opus est, hîc sit tibi cornea fibra,
Hîc nulli cedas planeque adamantinus esto.
Non etenim tua, sed divina negocia tractas
Inque domo Domini custos delectus haberis.
Si malè destiterint agere atque offendere coetum,
Dicito tum cunctis te ultro et promptè fore amicum.
Tum pergrata etiam, dederint quaecunque, futura,
Si Christum fuerint vitaque fideque secuti.
Non te posse Dei cuiquam colludere certo
Hosti nec fures ex pacto immittere in aedes

Die alte, einstmals praktizierte Zucht ist also teils durch Nachlässigkeit zugrundegegangen, teils durch häufigen Mißbrauch beim Volk größter Verachtung anheimgefallen, und es ist augenscheinlich, daß sie nicht leicht durch einen einzelnen wiederhergestellt werden kann. Es ist nötig, daß die Beistimmung vieler – nicht Gewalt! – hinzukommt.
     Soviel du vermagst, soweit es dir verstattet sein und die Sache der göttlichen Ehre es dulden wird, sei darum besorgt, daß Verworfene und Rechtschaffene nicht auf eine Stufe gestellt werden. Wenn du auch nicht die ganze Gemeinde zu diesem Ziel zu führen vermagst, so beobachte du doch als Volkserzieher und Sittenlehrer eine gerechte Scheidelinie und dulde im Hause des Donnerers keine Misthaufen, seien es auch die noch so großer Männer, und es diene nicht gleichermaßen schmutzigen Säuen wie den Lämmern als Stall. Sei ein Wachhund, der gegen Diebe und Wölfe ständig auf der Lauer liegt. Schone deine Stimme nicht, wenn du eine finstere Gestalt erblickst oder auch jemanden, der etwas tut, was des Glaubens unwürdig ist und Christus zuwiderläuft. Schweige auch nicht, wenn dir etwa ein Reicher einen Leckerbissen oder ein Stück Brot, wenn ein Statthalter dir einen Kuchen vorgesetzt und dich aufgefordert hat, ständig von seinem Brot zu leben, oder wenn er bemüht war, dich mit einer anderen Wohltat zu seinem Freund zu machen. Hierzu ist Kraft nötig, hierin sei hartherzig, gib hierin niemandem nach und sei geradezu eisern! Du betreibst nämlich nicht deine eigenen, sondern Gottes Geschäfte, und im Hause des Herrn giltst du als der auserwählte Wächter. Sag ihnen, du würdest in dem Moment aus freien Stücken und ohne zu zögern allen ein Freund sein, wo sie aufgehört haben würden, Übles zu tun und die Gemeinde zu kränken. Wenn sie in Leben und Glauben Christus nachgefolgt seien, würden alle ihre Geschenke künftig hochwillkommen sein. Du seist nicht in der Lage, mit einem eindeutigen Feind Gottes gemeinsame Sache zu machen, ausgemachte Diebe ins Haus zu lassen,

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<120> Nec canibus sanctum et gemmas substernere porcis.
Ò dura agricolûm coramque miserrima mundo
Conditio, ô ratio vivendi plena periclis.
Quando divitibus multumque potentibus omnes
Quovis esse modo aut fieri nituntur amici,
Gratiam et illorum cupiunt et liminis usum
Et verbis illos factisque offendere vitant,
Ut qui permultum possint prodesse faventes
Omnibus in rebus, contra quoque plurimum obesse,
Coeperit atra unquam bilis praecordia circum
Fervere et offensis stomachus vultusque moveri,
Tum sanè fuerit nigrum iracundia plumbum
Atque tuae praesto desertae incommoda vitae.
Omnia constantes contemnent ista coloni
Nec magni pendent hominum quemcunque favorem
Et sus deque ferent iras animosque feroces.
Quantum quisque Deo fidit servitque fidelis,
Tantum illis inimicus erit fautorve colendus.
Fraxini ut est gravis, et fugitur serpentibus, umbra,
Ut lupus ora canum cochleamque ut simia tardam
Utque opicos elephas mures saevique leones
Alitis aspectum lucem clamore vocantis,
Polypon ut crustata odit vitatque locusta:
Haud aliter pravi sanos odere colonos,
Inter eos et nulla coit concordia, donec
Iusticiae compar studium Christique colatur.
Non est Herodis longum versatus in aula
Zachariae proles, nihil et convenit Achabo,
Impio et impuro Regi, cum vatibus olim.
Ergo piis inimicitiae cum gente scelesta

Heiliges vor die Hunde und Perlen vor die Säue zu werfen. O, welch hartes und vor der Welt höchst elendes Los haben die Landbauer! O, wie voller Gefahren ist ihre Lebensweise! Wenn alle mit Eifer auf jede nur denkbare Art darauf aus sind, mit Reichen und sehr Mächtigen gut freund zu sein oder es zu werden, wenn alle begierig sind, deren Wohlwollen zu besitzen und in ihrem Hause aus- und einzugehen, und sich hüten, sie mit Worten und Taten zu verletzen, da ja ihre Gunst in allen Angelegenheiten sehr von Nutzen zu sein vermag, so wie es umgekehrt auch höchst nachteilig sein kann, wenn ihnen jemals im Leib die schwarze Galle zu sieden beginnt und sie durch Kränkungen zu Unwillen und zorniger Miene provoziert wurden, dann wird ihr Zornesausbruch für dein einsames Leben geradezu schwarzes Blei sein und sich als Erschwernis erweisen. Standhafte Pflanzer werden all dies gering achten und auf keinerlei menschliche Gunst großen Wert legen und sich von Zorn und wilder Heftigkeit nicht beeindrucken lassen. Jeder wird in dem Maße, wie er Gott vertraut und getreulich dient, für jene ein Feind oder auch ein verehrungswürdiger Gönner sein. Wie der Schatten der Esche den Schlangen unangenehm ist und sie ihn fliehen, wie der Wolf den Anblick der Hunde, der Affe die langsame Schnecke, der Elefant die den Musen feindlichen Mäuse haßt und meidet, desgleichen die grimmigen Löwen den Anblick des krähend den Tag verkündenden Hahns und die krustige Languste den Tintenfisch, genauso hassen die Schlechten unverdorbene Pflanzer, und zwischen ihnen kommt es zu keiner Eintracht, bis sich beide Seiten den gleichen Eifer für die Gerechtigkeit und für Christus angelegen sein lassen. Des Zacharias Sohn hat sich nicht lange am Hof des Herodes aufgehalten, und dereinst gab es keinerlei Gemeinschaft zwischen dem ruchlosen und unreinen König Ahab und den Propheten. Also wird es immer Feindschaften zwischen den Frommen und der Gemeinde der Frevler geben,

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<121> Semper erunt, opibus quamvis et polleat auro.
Inde igitur charae gliscunt dispendia famae
Primùm, et inhumani cerebrosique, â grege turpi,
Moribus incomptique homines durique vocantur
Quique ut Diogenes ignorent regibus uti,
Nec portantur equis, diti nec aluntur in aula.
Impius ad coenam locuples nemo vocat, immo
Ipsi haud dignantur tali parêre vocanti.
Pura nemo toga, nemo donaverit aere,
Munera quin etiam[26] rectè ipsi hostilia spernunt.
Haec sed adhuc animis leviter toleranda modestis,
Donaque fortunae veniunt censenda secundae.
Arrepta causa caveis clauduntur in atris,
Recula diripitur, gnati vexantur et uxor,
Denique Vulcano traduntur et Ennosigaeo
Aut ensem accipiunt iugulo strictasque secures,
Aut aconita bibunt Italo lethalia more,
Aut conto tristi aut trabe suspenduntur ab alta,
Lenius aut ardens si fortè eruperit ira,
Extorres nudique vagum pelluntur in orbem.
Talia pro meritis firmi meditata coloni
Semper habent. Melius si quid successerit, illud
Apponunt lucro. Devota est victima quisque,
Robustaeque Dei committunt omnia dextrae.
Ò nostram fugiat stivam, munusque colendi,
Christi immò nomen declinet iuraque veri,
Qui clara illustris quaerit praeconia famae
Quique rei augendae studet amittitque gravatè,
Quicquid habet, vel opes vel honorem aut denique vitam,
Qui pro quisquiliis ludoque recusat haberi

soviel Reichtum und Gold diese auch besitzen mag. Also entwickelt sich daraus zunächst unmerklich eine Einbuße an Beliebtheit, und die üble Bande sagt von ihnen [den frommen Pflanzern], sie seien unhöflich, hirnwütig, Leute mit ungehobelten und plumpen Umgangsformen; so wie Diogenes wüßten sie nicht, wie man mit Königen umgeht; weder fahren sie in einer Kutsche, noch speisen sie in einem reichen Palast. Kein begüterter Frevler lädt sie zum Mahl, ja vielmehr sie selbst halten es für unter ihrer Würde, eine solche Einladung anzunehmen. Niemand wird ihnen einen schlichten Mantel, niemand Geld schenken, ja sie selbst werden dergleichen als Gaben aus Feindeshand füglich verachten. Diese Dinge sind jedoch für bescheidene Gemüter noch leicht zu ertragen, und ihr Eintreten muß als Gabe eines günstigen Geschicks bewertet werden. Wenn die Angelegenheit erst einmal mit Eifer betrieben wird, schließt man sie [die aufrechten Pflanzer] in dunklen Käfigen ein, ihr bescheidener Besitz wird ihnen geraubt, ihre Kinder und ihre Frau werden mißhandelt, schließlich überliefert man sie Vulkan und Neptun, oder ihr Hals macht Bekanntschaft mit dem Schwert und dem gezückten Beil, oder sie bekommen, nach italienischem Brauch, Gift zu trinken, oder man erhängt sie an einer unseligen Stange oder einem hohen Balken, oder man jagt sie – vorausgesetzt, daß der brennende Zorn sich vielleicht gelinder entladen hat – als Heimatlose nackt und bloß in die weite Welt. Standhafte Pflanzer sind sich ständig bewußt, daß sie solches als Lohn erwartet. Wenn einmal etwas besser abgelaufen ist, rechnen sie dies als Gewinn. Jeder von ihnen ist ein geweihtes Sühnopfer, und sie legen alles in Gottes starke Hand. Wen es nach dem herrlichen Nimbus glänzenden Ruhms gelüstet, wer nach der Vergrößerung seines Vermögens strebt und nur ungern fahren läßt, was immer er besitzt, sei es Reichtum, Ehre oder vollends das Leben, wer es ablehnt, als letzter Dreck oder Hans Narr betrachtet zu werden,

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<122> Seque negare nequit dominumque attendere solum.
Non ego Vertumnos sacris nec Prothea rebus
Nec polypos dextrè petrarum quenque colorem
Sumentes, aptos calci nec utrique cothurnos
Approbo: nimirum crassos hôc tempore ventres,
Agricolûm sancto nunquam cognonime dignos,
Qui Christi verbum doctrinamque illicet omnem,
Muneris officiumque sui legesque docendi
Ad populi mutant placitum procerumque iubentum.
Nunc hoc, si placeat, tradunt, nunc protinus illud,
Arbitrioque silent alieno et cuncta loquuntur.
Tenuibus aut nullo vel parvo crimine lapsis
Urticae nimium tristes spinaeque molestae,
Lilia divitibus mera fasciculusque rosarum,
Quicquid peccarint etiam, ne limina tantum
Pinguia frigescant, pereat neu gratia dulcis.
Scilicet hoc absunt, ne rem famamque animamque
Sustineant offerre Deo atque impendere vero.
     Quaeritur hoc multis, regimen num plura severum
An lene expediat, magis et conducat ovili,
Quod Christus statuit sancto spiramine pastor.
Sunt rigidi quidam nimium torvique Catones,
Qui modo Posthumiana probant lenteque[27] sequuntur
Imperia indulgentque nihil, nihil atque remittunt.
Perpetuum servant morum inflexumque tenorem,
Nec prudenter ovesque locumque et tempora cernunt
Atque parant hostes temerè Christoque sibique
Asperitate truci verbisque licenter acerbis.
Sunt contrà nimium molles semperque remissi,
Qui nulli laedunt os nec putria hulcera tangunt

und sich nicht selbst zu verleugnen und seinen Sinn allein auf den Herrn zu richten vermag, o, der fliehe unseren Pflugsterz und unser Geschäft des Landbaus oder vielmehr: der meide den Namen Christi und das Gesetz der Wahrheit! In geistlichen Dingen billige ich keinen Vertumnus und keinen Proteus, keinen Tintenfisch, der geschickt jede Gesteinsfärbung annimmt, und keine Stiefel, die auf beide Füße passen – jene fetten Wänste unseres Zeitalters wohlgemerkt, die niemals des heiligen Beinamens der Landbauer würdig sind. Diese verändern sogleich Christi Wort, jedwede Lehre, die Pflicht ihres Amtes und die Richtschnur des Lehrens nach dem Willen des Volkes und den Weisungen der Vornehmsten. Bald lehren sie, wenn’s gefällig sein sollte, dieses, bald ungesäumt jenes, und auf fremden Wunsch schweigen sie und predigen sie alles mögliche. Für kleine Leute, die ohne Fehl sind oder sich nur Geringfügiges haben zuschulden kommen lassen, haben sie nur die überaus scheußlichen Brennesseln und unerquickliches Dornengesträuch übrig, den Reichen aber, wie immer sie auch gesündigt haben mögen, verehren sie reine Lilien und Rosensträuße – nur damit in ihr behagliches Heim nicht Kälte einzieht oder das angenehme Wohlwollen nicht schwindet. Auf diese Weise sind sie nämlich von der Last befreit, Vermögen, Ruf und Seele Gott opfern und der Wahrheit zollen zu müssen!
     Viele stellen die Frage, ob eine strenge oder eine milde Leitung mehr bewirkt und leichter zu dem Schafstall führt, den Christus, Hirte kraft Heiligen Geistes, erbaut hat. Manche sind allzu schroffe und finstere Catonen: sie billigen nur ein Regiment nach der Weise des Postumus und halten dies rücksichtslos durch; sie kennen keine Nachsicht und vergeben nichts; sie bewahren die Aussage des Sittengesetzes in ihrer Allgemeingültigkeit und Unbeugsamkeit; sie nehmen auch nicht klug Rücksicht auf die Schafe sowie Ort und Zeit und schaffen Christus und sich selbst durch ihre grimmige Härte und hemmungslos schroffe Sprache leichtfertig Feinde. Auf der anderen Seite gibt es solche, die allzu weich und stets sanftmütig sind, die niemandem eine Grobheit ins Gesicht sagen, keine brandigen Geschwüre anrühren

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<123> Nec, quî vivatur, curant, rectene, secusne,
Erga omnis homines animis linguaque supini.
Non probo saeviciam morum linguamque procacem,
Nec tractandarum placet impudentia rerum.
Quippe suos Christus mites iubet esse simulque
Prudentes, nimirum ut dexteritate regendi
Adductas teneant aliasque in ovile bidentes
Alliciant multas et curent omnia doctè,
Quo lucrum per eos faciat, non damna, redemptor.
Sed nec segnicies linguaeque manusque remissae
Conveniunt Christo populisque subinde monendis.
Vera locum media virtus sibi legit in arce,
Nec summa affectat nec rursum fertur ad ima;
Quippe in utrisque patet vitiorum magna vorago.
Ad medium aspirent remis velisque coloni.
Christum exemplar habent ingens Paulumque Petrumque.
Si partem alterutram nobis captare liceret,
Lenior esse velim quàm durior asperiorque.
Liber ab invidia certè atque acceptior essem
Omnibus humanumque mali comemque vocarent;
Forsan et allicerem plures citiusque tenerem.
Asperitas odium parat importuna modumque
Excedens. Fugiunt rabiem puerique senesque,
Deque Evangelio peius Christoque loquuntur.
Ergo minus quàm plus praestat facere, ipsa nequimus
Si media atque scopum fallente attingere dextra.
Porrò suos terrae sapidum vult Christus IESUS
Esse salem, fatuumque foras ut inutile quiddam
Proiicere atque hominum pedibus substernere mandat.
Commendatque salem pulchrè, nec sacra Tonanti

und sich nicht darum kümmern, ob die Lebensweise der Menschen einwandfrei oder schlecht ist, gegen jedermann eine lässige Haltung und Sprache bewahrend. Ich billige keine grausame Strenge im Umgang mit anderen Menschen und keine rücksichtslose Sprache, und an Unverschämtheit bei der Wahrnehmung der Amtsgeschäfte habe ich kein Gefallen – befiehlt doch Christus seinen Anhängern, sanft und zugleich klug zu sein, ohne Zweifel deshalb, damit sie die mitgeführten Schafe mit einem geschickten Regiment an sich binden und noch viele andere in den Schafstall locken und alles gescheit besorgen, so daß der Erlöser durch sie Gewinn macht und keine Verluste. Doch auch Gleichgültigkeit und lässige Zungen und Hände sind Christus und den wiederholter Ermahnungen bedürftigen Völkern nicht gemäß. Die wahre Tugend wählt sich ihren Platz in mittlerer Höhe; weder trachtet sie nach dem höchsten Gipfel, noch begibt sie sich andererseits in die tiefste Tiefe, denn an jedem dieser beiden Enden klafft ja ein großer Abgrund von Lastern. Die Pflanzer mögen mit Rudern und Segeln zur Mitte streben! An Christus haben sie ein gewaltiges Vorbild, auch an Paulus und Petrus. Wenn es uns verstattet wäre, uns für eine der beiden Möglichkeiten zu entscheiden, so möchte ich lieber zu milde sein als zu hart und rauh. Ich wäre gewiß keiner Mißgunst ausgesetzt und bei allen beliebter, und die Schlechten würden mich menschenfreundlich und gütig nennen. Vielleicht würde ich auch mehr Menschen anlocken und schneller für mich gewinnen. Rücksichtslose und alles Maß überschreitende Grobheit erzeugt Haß. Kinder und Alte nehmen vor wütendem Grimm Reißaus und reden dann noch schlechter vom Evangelium und von Christus. Also ist es besser, etwas weniger zu tun als zuviel, wenn wir schon, sofern uns die Hand ausgleitet, den Mittel- und Zielpunkt selbst nicht zu treffen vermögen. Andererseits aber will Jesus Christus, daß seine Anhänger das kluge Salz der Erde sind, und befiehlt, daß das Salz, wenn es fad ist, als etwas Unnützes vor die Tür geschüttet und von den Leuten zertreten werden solle. Er preist das Salz vortrefflich, und es konnten dem Donnerer auch keine Opfer

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<124> Offerri potuere salis conspergine vivi
Orba. Sed et pacti sub papilione vetusti
Semper adesse salem voluit regnator Olympi
Aque sacris penitus praedulcia mella removit.
Causa in propatulo. Nimium nec salsa palatum,
Non insulsa iuvant. Ergo sal semper adesto,
Condiat atque omnis hominum mediocriter escas.
Sic vult sermones nostros et facta Creator
Condiri sale nec fatuo nec valdius atro.
Peccantes carpant sanè, sed corde paterno,
Agricolae et sanare omnes quàm occidere malint
Atque fidem et Christum quovis adducere pacto
Et retinere velint potius quàm perdere quenquam.
Facta igitur cuncta et linguam moderare, colone,
Ne quid delinquas adversum hominesque Deumque.
Perdere non leve erit, quos Christus morte redemit,
Quos fecit magni, te non nuce pendere cassa.
Is solet interdum multis benedicere, dum nos
Saevicia freti maledicimus, inque suorum
Annumerare albo, quos tristi dedimus Horco.
Ergo supercilium depone et mollia duris
Pro variis hominum geniis medicamina misce
Nilque intentatum curanda linque salute,
Omnium et effectum curae committe parentis.
Quem simul exora, sancto tibi pneumate monstret,
Quatenus et quando, quibus et cum sit magis in rem
Mollibus articulis agere et retro ungue reducto
Aut dura palma vel cotibus ungue subacto.
     Destructa impietate animique erroribus atri
Et vulsis fidei spinis vitaeque scelestae

dargebracht werden, ohne daß frisches Salz darübergestreut worden wäre. Der Lenker des Himmels wollte aber auch, daß im Zelt des Alten Bundes stets Salz vorhanden war, und den übersüßen Honig verbannte er von den Opfern vollständig. Der Grund liegt auf der Hand: weder zu stark Gesalzenes noch Salzloses behagt dem Gaumen. Also sei Salz immer griffbereit und würze alle menschlichen Speisen mit rechtem Maß. So will auch der Schöpfer, daß unsere Reden und Taten mit einem Salz gewürzt werden, das nicht fad ist, geschweige denn schwarz. Gewiß sollen die Landbauer die Sünder tadeln, doch aus einem väterlichen Herzen, und statt zu töten, sollen sie es vorziehen, alle Menschen zu heilen und auf jede nur erdenkliche Art den Glauben und Christus zu bringen, und sie sollen jeden Menschen lieber behalten als verlieren wollen. Halte also Maß in allen deinen Taten und mit deiner Zunge, Pflanzer, damit du dich nicht auf irgendeine Weise an Gott und den Menschen vergehst. Es wird keine Bagatelle sein, wenn du die verlierst, welche Christus durch seinen Tod losgekauft hat, wenn du die, welche er hochgeschätzt hat, für wertloser hältst als eine taube Nuß. Er pflegt zuweilen viele zu segnen, die wir im selben Augenblick, auf Härte pochend, vermaledeien, und diejenigen auf seine Liste zu setzen, die wir dem trauervollen Totenreich überantwortet haben. Tue also Überheblichkeit von dir und mische für die mannigfaltigen Charaktere der Menschen milde Arzneien mit scharfen, und laß nichts unversucht, wenn es um die Fürsorge für das Heil geht, und überlasse die Wirkung aller Arzneien der Sorge des Vaters. Flehe ihn gleichzeitig an, daß er dir durch den Heiligen Geist offenbare, inwieweit, wann und bei welchen Menschen es sachdienlicher ist, mit zarten Fingern und eingezogenen Krallen oder mit harter Hand und geschärften Krallen vorzugehen.
     Wenn du die Gottlosigkeit und die Irrtümer des finsteren Herzens zerstört, Dornensträucher des Glaubens und die üblen Gewohnheiten eines frevelhaften Lebenswandels ausgereutet,

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<125> Moribus et fractis glebis terraque subacta
Forsitan expectas, quae nam plantanda doceri
Semina, quae tandem deceat post diruta condi?
Horum dicta prius longè pars maxima nobis,
Quum quid te primum vellemus quaerere dictum,
Impia monstratum quando radicitus imis
Dogmata pectoribus populi evellenda novelli
Cultusque adversos verbo ritusque prophanos
Tollendos, prius insereres quàm semina veri.
Inter se facilè cuivis contraria parent,
Naturae siquidem nexu vinclisque coherent
Nec possis unum radio describere certo,
Expressa alterius quin crebrò mentio fiat.
At grave si non est, repetamus paucula quaedam
Auctariique vice addamus nonnulla monendo.
Diximus ergo, viam rectam solamque salutis
Esse fidem in Christum, qui noxas totius orbis
Abstulit et fuso placavit sanguine patrem.
Cordibus hunc puris infige insculpeque solers,
Illic nimirum ferventi ut vivat amore,
Constanti regnetque fide probitateque vitae.
Unicus in sacris extat fons ille sciendi
Et scripturarum colophon clausumque sigillum,
Virtutum caput atque dator, vitaeque beatae
Signifer haud solum, verùm et collator et autor.
Quo sine nemo potest Scripturas noscere vatum,
Magna operumque Dei et veteris mysteria saecli,
Quo sine virtutis studium frustratur honestae,
Facta ad placandumque Deum sunt omnia cassa.
Illum planta igitur primò illiusque salubrem

die Scholle aufgebrochen und die Erde durchgewalkt hast, dann erwartest du vielleicht, daß man dich lehrt, welche Samen denn gesät werden müssen, welche schließlich nach denen, die zerstört wurden, füglich in der Erde geborgen werden sollen. Den weitaus größten Teil dessen haben wir schon an früherer Stelle dargelegt, da wir wollten, daß du zuerst nach dem trachtest, was gesagt worden ist, als aufgezeigt wurde, daß die gottlosen Lehren aus den Herzen des neuen Volkes mit Stumpf und Stiel ausgerottet und die dem Wort widersprechenden ruchlosen Kulte und Riten beseitigt werden müssen, bevor du die Saat der Wahrheit einsäst. Für jeden ist leicht erkennbar, daß das eine mit dem anderen in einem Verhältnis des Gegensatzes steht, da beide durch Bande und Fesseln der Natur miteinander zasammenhängen und man das eine nicht mit zuverlässigem Stift beschreiben könnte, ohne immer wieder das andere ausdrücklich zu erwähnen. Doch wenn es nicht lästig ist, wollen wir einiges wenige wiederholen und nach Art einer Zugabe unsere Mahnungen ein bißchen ausbauen. Nun, wir haben dargelegt, daß der wahre und einzige Weg zum Heil der Glaube an Christus ist, der die Sünden der ganzen Welt hinweggenommen und durch Vergießen seines Blutes den Vater versöhnt hat. Ihn präge und meißle den reinen Herzen kunstgerecht ein, damit er dort nämlich aus heißer Liebe heraus lebt und aus einem unerschütterlichen Glauben und rechtschaffenen Leben heraus regiert. In geistlichen Dingen ist er der einzige Quell des Wissens, der Abschluß und das eingeschlossene Siegel der Schrift, der Gipfel und der Spender der Tugenden, nicht allein Bannerträger, sondern auch Bringer und Urheber eines glückseligen Lebens. Ohne ihn vermag niemand die Schriften der Propheten und die großen Geheimnisse der Werke Gottes und der alten Zeit zu verstehen; ohne ihn wird das Streben nach ehrbarer Tugend zunichte und sind alle Werke zur Versöhnung Gottes unnütz. Ihn also pflanze zuerst, und streue das heilsame

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<126> Spargito notitiam studiose. Ostendito, quantum
Nos culpa incauti quondam damnarit Adami
Reddideritque reos lethi atque accenderit iram
Viribus atque odium nunquam placabile nostris
Nominis humani contra genus omne nepotum.
At pater omnipotens cladem miseratus acerbam
In precium nobis gnatum dedit atque salutis
Aeternum pignus, Regem famulumque fidelem,
Qui nostras lueret culpas et adesset ubique
Adversum assiduos Satanae lethique furores.
Filius haec eadem confessus credere de se
Praecipit et vitam veniamque patrisque favorem
Credenti obsignat contrà, communicat et se
Et sua nobiscum, simul ut servemur in aevum.
Talia discipuli tradunt sanctique prophetae.
Spiritus haec eadem quoque prima ab origine mundi
Clarè et obscurè signis multisque figuris,
Quin multis etiam per dia oracula verbis
Mundi et sanctorum potius clamavit in aures.
Tu quoque idem cura Christi mundique minister.
     Notitiam Christi hanc, patris et benefacta superni
Poscere confirma, grates solvamus ut ultro
Atque fidem voce et lingua fateamur apertè,
Nisibus et summis ad eam ducamus ut omnes
Et servum alterius faciat se quisque propinqui
Et fratres omnisque homines ut nosmet amemus,
Quos quocunque modo nobis fecere sodales
Aut labor aut casus, merces, habitatio iterve.
Adde etiam et sanis persuade mentibus illud,
Ut se quisque neget nec sollicitudine victus

Wissen von ihm eifrig aus. Zeige auf, wie sehr uns einst die Sünde des unbesonnenen Adam der Verdammung anheimgegeben, uns der Todesstrafe unterworfen und einen Zorn und Haß gegen die ganze Nachkommenschaft des Menschengeschlechts entfacht hat, den wir aus eigener Kraft niemals zu besänftigen vermögen. Doch aus Erbarmen über unseren bitteren Sturz hat uns der allmächtige Vater seinen Sohn als Lösegeld gegeben und überdies als ewiges Unterpfand des Heils, als König und getreulichen Diener, damit er unsere Sünden abwüsche und uns überall beistünde gegen das unablässige Wüten Satans und des Todes. Der Sohn hat dies ebenfalls bekannt; er lehrt, daß man an ihn glauben solle, und verbrieft umgekehrt dem, der glaubt, Leben, Verzeihung und die Gunst des Vaters; und er teilt sich und das Seine uns mit, damit auch wir für alle Ewigkeit überdauern. Solches lehren seine Jünger und die heiligen Propheten. Auch der Heilige Geist lehrt ebendies von Anbeginn der Welt an sowohl in deutlicher als auch in einer durch viele Zeichen und Figuren verdunkelten Form, ja er hat es sogar durch göttliche Aussprüche mit vielen Worten in die Ohren der Welt und mehr noch der Heiligen geschrien. Laß du dir als Christi und der Welt Diener das gleiche angelegen sein.
     Erkläre mit Bestimmtheit, daß dieses Wissen von Christus und die Wohltaten des himmlischen Vaters erheischen, daß wir aus freien Stücken Dank abstatten, in Rede und Gesang rückhaltlos unseren Glauben bekennen, daß wir jedweden mit größtmöglicher Anstrengung zu ihm führen, daß jeder sich zum Knecht seines Nächsten macht, daß wir unsere Brüder und überhaupt alle Menschen, die durch Absicht oder Zufall, Kaufhandel, Wohnung oder Reiseweg auf irgendeine Weise zu unseren Gefährten geworden sind, lieben wie uns selbst. Bringe die unverdorbenen Geister darüber hinaus dazu, daß jeder sich selbst verleugnet und sich nicht mit der Sorge um den Lebensunterhalt

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<127> Torqueat insano gentis pro more prophanae
Nec sibi sub passo quaerat sublimia Christo,
Divitias nec amet nec res quascunque caducas,
Christi notitiam contra, sed cuncta parentis
Committat curae celebretque ita sabbata porrò
Continua, ut poscunt renovati foedera pacti.
Addicatque cruci se qualicunque ferendae,
Nec sibi, sed Christo vivat fratrumque saluti.
Est opus inserto quoque, summae ut pareat unus
Quisque potestati, quando civilia mandat
Atque Dei notis nihil advorsantia scriptis,
Illius utque Dei sic voci praebeat aures.
Militet, excubias servet praestetque tributa,
In ius arcessitus eat, veneretur et ipsos
Rectores moremque gerat pro viribus in re
Qualibet iis, Dominus summum quîs cessit honorem.
Hi sunt factorum fontes et fulcra bonorum,
Hinc fluit et firmum est coram acceptabile patre.
     Sed quid salvificae culturae semina narrem
Singula? Monstrabit luculenter pagina legis,
Quid curare suos coeli terraeque creator
Preaecipiat, quali vivendum denique more.
Sunt nobis aliâs etiam complura relata.
È sacris credenda feres faciendaque scriptis
Omnia, quîs veterum subscribunt symbola patrum
Et sancti, tenuit quos prima Ecclesia, mores.
Quorum ritè sequi et tutò vestigia possis,
Ut quae sunt verbum Domini formata secundum.
Ne qua superstitio, ne cordis opinio caeci,
Haeresis irrepatve, cave, ritusque nocivi

unvernünftig plagt wie das Heidenvolk, daß auch niemand, der dem Leidensmann Christus untersteht, nach hohen Ehren trachtet, daß niemand den Reichtum noch irgendwelche sonstigen vergänglichen Dinge liebt, entgegen dem Wissen von Christus, sondern daß jedermann alles der Sorge des Vaters überläßt und so gerade im Gegenteil fortwährend Sabbat feiert, wie es die Bestimmungen des erneuerten Bundes erheischen. Jeder gebe sich ganz dem Kreuz hin, das er zu tragen hat, welches es auch sei, und nicht für sich lebe er, sondern für Christus und das Wohl seiner Brüder. Man muß [den Menschen] auch einpflanzen, daß ein jeder sich der obersten Staatsgewalt fügen soll, wenn sie Weisungen erteilt, die staatliche Angelegenheiten betreffen und den bekannten Schriften Gottes in keiner Weise zuwiderlaufen, und auf ihre Stimme so hören soll wie auf die Stimme Gottes. Jedermann leiste den Kriegsdienst, halte die Wachen ein, zahle Steuern, erscheine vor Gericht, wenn er gerufen wird, und verehre auch die Staatslenker selbst und sei ihnen nach Kräften in jeder Sache zu Willen: als denjenigen, denen der Herr die höchste Ehre zuerkannt hat. Dies sind die Quellen und Pfeiler guter Werke; hieraus fließt und hierauf ruht fest, was vor dem Vater Wohlgefallen findet.
     Aber wozu soll ich die Samen des heilbringenden Landbaus einzeln benennen? Der Gesetzestext wird dir gehörig aufzeigen, was der Schöpfer Himmels und der Erde der Sorge der Seinen anbefohlen hat, wie man überhaupt zu leben hat. Auch noch an anderer Stelle wurde uns mancherlei mitgeteilt. Aus der Heiligen Schrift wirst du alles entnehmen, was man glauben und tun muß, was durch die Bekenntnisse der alten Väter und die heiligen Sitten der Urkirche beglaubigt ist. Deren Spuren kannst du mit Fug und Recht und ungefährdet folgen, da sie ja auf Gottes Wort abgestimmt sind. Nimm dich in acht, daß sich durch dich und durch andere nicht etwa Aberglaube, eine Mutmaßung des verblendeten Herzens oder eine Ketzerei und schädliche Bräuche einschleichen.

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<128> Per te perque alios. Scripturas excute prudens
Atque sibi confer vultu contraria primo,
Ut sensum elicias sanum firmumque tenorem,
Nec patiare unum multis obsistere dictis
Atque voluntati Domini per plurima notae
Et, fidei monstrat nobis quem regula, calli.
Neque tuo fidas solum plaudasque cerebro,
Non audita antè ut producas et nova primus
Dogmata, quae magno fermè sunt iuncta periclo
Atque inflant animos faciuntque assumere cristas.
Quin veterum in cunctis expende volumina patrum:
Nunquis idem aut aliud doctrinae assertor et haeres
Fidus Apostolicae dederit vel senserit usquam
Quîque citarit eò scriptorum verba sacrorum:
Traxerit an collo obtorto prensisque capillis,
An verò ad partes currentia sponte vocarit.
His non servatis, sanè tum Biblia fiunt
Materia errorum foeta haereseonque malarum,
Praeterita ut certi sunt nostraque tempora testes.
In sacris igitur summo versare timore,
Ne te magnifici seducat nominis aura
Teque putes aliquid tendasque magister haberi.
Nec veterum temerè linquas vestigia patrum,
Tramitem et invenias Christo fideique vetustae
Usque repugnantem. Quales cernisne catervae
Haeque haud indoctae nec mentis acumine cassae
Christum pugnarunt contra moresque decentes
Et fidei sanctas studuerunt vertere partes?
Tristia sunt exempla nimis casusque necisque,
Quae te commoneant, ne fors labaris eòdem.

Untersuche die Schrift mit Umsicht und bringe das, was sich auf den ersten Blick widerspricht, in Übereinstimmung, um ihr ihren unverfälschten Sinn und ihre unbezweifelbare Aussage zu entlocken; und nimm es nicht hin, daß eine einzige Aussage im Widerspruch steht zu vielen anderen, zu dem durch sehr viele Aussagen bekannten Willen des Herrn und zu dem Weg, den uns die Richtschnur des Glaubens weist. Traue und applaudiere nicht nur deinem eigenen Verstand, damit du nicht als erster nie gehörte und neuartige Lehren hervorbringst, die in der Regel mit großer Gefahr verbunden sind und die Herzen blähen und die Kämme schwellen lassen. Ziehe vielmehr in allen Dingen die Werke der alten Väter in Erwägung: ob etwa ein Vertreter und getreuer Erbe der apostolischen Lehre jemals dasselbe oder etwas anderes ausgesagt oder gedacht und wie er hierzu den Wortlaut der Heiligen Schrift zitiert hat: ob er ihn am Schlafittchen oder an den Haaren herbeigezogen hat oder aber ob dieser, als er ihn abrief, sich freiwillig auf seine Seite schlug. Wenn man dies nicht beachtet hat, wird die Bibel wahrhaftig zu einer ergiebigen Quelle von Irrtümern und schlimmen Ketzereien, wofür das vergangene und unser eigenes Zeitalter zuverlässige Zeugen sind. Bewege dich auf geistlichem Terrain also mit der größten Zaghaftigkeit, damit der flüchtige Glanz eines großartigen Namens dich nicht verführt, du dir nichts auf dich selbst einbildest und nicht darauf ausgehst, als Lehrer zu gelten. Verlasse auch nicht leichtfertig die Fußtapfen der alten Väter und verfalle nicht auf einen Weg, der zu Christus und dem altehrwürdigen Glauben völlig im Widerspruch steht. Siehst du die Scharen, die dies taten? Durchaus nicht der Gelehrsamkeit und des Scharfsinns entbehrend, haben sie gegen Christus und schickliche Sitten angekämpft und danach getrachtet, geheiligte Bereiche des Glaubens umzustürzen. Dies sind tieftraurige Beispiele von Untergang und Verderben: dir eine Mahnung, nicht etwa auf die gleiche Weise zu straucheln.

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<129> Ne vim scripturis facias nec cedere cogas
Limite de recto quòquam, ancillentur ineptis
Invitae ut nugis: id quod persaepe priores
Caeteraque illustres crassa fecere Minerva,
Ut populo indocto quaevis absurda probarent.
Ultrò vera docent dominoque accommoda Christo,
Nec fuerit torquere nisi ad perversa necesse.
Nec sine suspicione mali detorseris unquam.
Prendit enim quaecunque potest, qui labitur, et se
Obtegit, in turpi cupiens re purus haberi.
Semper idem de re dicas attentus eadem,
Ut certus rerum et longè à puerilibus annis.
Si tibi non constes atque huc illucque vacilles,
Quid persuadebis? quis se tibi credet inepto?
Quando alii poterunt solidè defigere plantam?
Testis reiicitur, si fors contraria dicit,
Estque argumentum proprium inconstantia falsi.
Hinc si mendaces nolunt deprendier usquam,
Sint memores impensè eademque loquantur oportet.
At verum tractu nativo et semper eodem
Profluit et gustum semper quoque praebet eundem
Nec pudefit reditu, nullius et ora veretur
Nec prolata semel quantumvis dura recantat.
Nonne vides magnos non belle audire colonos,
Quod pro re nata geniique calore citati
Nunc hoc, nunc illud, planè et pugnantia tradant
Interdum? Nunc sana quidem et mediocria corde
Sedato, at pugnandi ubi fors incesserit ardor
Et magnae fuerit dulcis victoria curae,
Tollant omnia hyperbolicως absurdaque dicant?

Tue der Schrift keine Gewalt an und zwinge sie nicht, sich vom rechten Weg in irgendeine Richtung zu entfernen, so daß sie wider Willen läppischen Flausen dienstbar gemacht wird. Dies haben unsere Vorfahren, Menschen mit derbem Hausverstand, im übrigen aber angesehene Leute, sehr oft getan, so daß sie dem ungeschulten Volk alle möglichen Ungereimtheiten als richtig hinstellten. Was wahr und dem Herrn Christus gemäß ist, lehrt die Schrift von selbst, und nur zum Verkehrten hin wird sie der Verbiegung bedürfen. Du wirst sie auch niemals umbiegen, ohne dich einer bösen Absicht verdächtig zu machen. Wer nämlich strauchelt, der greift nach allem, was ihm erreichbar ist, und wer in einer schimpflichen Angelegenheit rein scheinen will, der scheut das Licht. Äußere dich über dieselbe Sache mit Bedacht stets auf die gleiche Weise – als jemand, der sich seiner Sache sicher ist, und dies schon lange, von Kindesbeinen an. Wenn du dir selbst nicht treu bleibst und hin und her schwankst, wovon wirst du dann überzeugen? Wer wird sich einem Gimpel wie dir anvertrauen, da andere doch fähig sein werden, den Setzling fest einwurzeln zu lassen? Falls ein Zeuge etwa Widersprüchliches aussagt, wird er verworfen, und mangelnde Folgerichtigkeit ist ein wesentlicher Beweis dafür, daß etwas falsch ist. Daher müssen Lügner, wenn sie niemals ertappt werden wollen, ein ungemein gutes Gedächtnis haben und immer dasselbe sagen. Die Wahrheit aber fließt kraft einer ihr ureigenen Bewegung, und sie fließt stets aus derselben Richtung und weist auch stets den gleichen Geschmack auf; sie blamiert sich nicht durch Zurückweichen, sie scheut niemandes Anblick und widerruft nicht, was sie einmal vorgebracht hat, und sei es auch noch so hart. Siehst du nicht, daß auch große Pflanzer in üblem Rufe stehen, weil sie je nach Beschaffenheit der Umstände und der Hitze ihres geschwinden Geistes bald dies, bald jenes und zuweilen sich schlechterdings Widersprechendes lehren? Weil sie jetzt zwar, wo sie sich in gelassener Stimmung befinden, Vernünftiges und Wohlabgewogenes lehren, hingegen, sobald sie etwa die Leidenschaft des Kampfes überwältigt und sie sehr um einen süßen Sieg besorgt sind, alles auf übertriebene Weise aufbauschen und Ungereimtheiten vortragen?

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<130> Hoc magis attendas tibi. Nam si talia magnis
Evenere viris, quid non in classe tribuque
Extrema possit? Si quid contenderis unquam
Contraque infensum validè pugnaveris hostem,
Propter eum nunquam veri de tramite flectas,
Ut falso dicas, atrum quod dixerit ille,
Album, nec dextrum, quod dixerit ille sinistrum:
Tantum ne videaris idem sentire, quod ille,
Nec veri studiis, stomacho sed motus iniquo,
Id quod nonnullos hodie fecisse videmus,
Non offendiculum citra risumque popelli,
Ut qui vicinum propter succenderet aedes
Ipse suas pariterque suam rem perderet omnem.
Est alioqui odium vetitum et damnabile cunctis,
Quanto Christicolis magè doctrinaeque magistris,
Si manifesta negent studeantque resistere vero
Falsaque defendant sibique adversantia prodant
Invidiae ductu vanaeque cupidine laudis?
Quando nocere volunt adversis, dedecus ipsi
Asciscunt sibi non ullo delebile seclo.
Non huc, non illuc odio rapiaris et ira
Nec verum inflectas ullius tractus amore:
Quod prius admonui quoque et est mihi saepe monendum.
Disce alios eadem tecum perferre docentes,
Non nunquam diversa etiam, ut tempusque locumque
Videris, imperiumque tibi uni quaerere noli,
Ut pellas alios rabidarum more ferarum
Et vacua regnes truculentè solus in aula.
Quid ferat ambitioque mali et violenta tyrannis,
Novimus, atque priora satis tibi secula monstrant.

Um so mehr sei kritisch gegen dich selbst! Denn wenn dergleichen großen Männern widerfahren ist, was kann dann nicht in den untersten Schichten und Rängen passieren! Wenn du dich jemals auf einen Streit einlassen und mit Macht gegen einen erbitterten Feind ankämpfen wirst, so biege seinetwegen nie vom Pfade der Wahrheit ab, so daß du fälschlich behauptest, das, was jener schwarz genannt habe, sei weiß, und was er links genannt habe, sei rechts – und dies allein deshalb, um nicht den Anschein zu erwecken, du dächtest das gleiche wie er, nicht aus dem Streben nach Wahrheit, sondern getrieben von mißgünstigem Unmut. Wie wir sehen, hat dies heutzutage so mancher getan, nicht ohne beim gemeinen Volk Anstoß und Gelächter zu erregen, da er ja seines Nachbarn wegen sein eigenes Haus angezündet und mit ihm seine ganze Habe vernichtet hat. Haß ist ohnehin jedem verboten und bei jedermann verdammenswert, um wieviel mehr bei Christen und den Lehrern des Evangeliums, wenn sie abstreiten, was offenkundig ist, sich der Wahrheit geflissentlich widersetzen, Falsches verteidigen und in sich Widersprüchliches behaupten, weil Mißgunst und Begierde nach eitlem Ruhm sie treiben? Da sie ihren Gegnern Schaden zufügen wollen, ziehen sie selbst eine niemals austilgbare Schmach auf sich. Laß dich von Haß und Zorn nicht auf diese oder jene Seite ziehen und verbiege nicht irgend jemandem zuliebe die Wahrheit! Dazu habe ich auch früher schon ermahnt, und ich muß meine Mahnung oft wiederholen. Lerne es, andere, die mit dir das gleiche, manchmal auch Abweichendes lehren, zu ertragen; ziehe Zeit und Ort in Betracht, und verlange nicht dermaßen die Herrschaft für dich allein, daß du die anderen wie eine rasende wilde Bestie vertreibst und im leeren Palast eine grimmige Alleinherrschaft ausübst. Wir kennen die schlimmen Folgen von Ehrgeiz und gewaltsamer Tyrannei, und die verflossenen Jahrhunderte zeigen sie dir zur Genüge.

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<131> Si quando adversum vitia et mala dogmata pugnas
Aut viva voce aut calamo scriptisque libellis,
Quid te quidque Evangelio, quid denique Christo
Sit dignum, potius semper meminisse decebit,
Quàm quid et improbitas aliorum et facta requirant
(Ut suprà monui quoque), ne bona tempora perdas
Et ventos oneres frustra stomachumque popello
Permoveas, tantum sannarum aspergine dives,
Ad convincendum verò recteque docendum
Pauperior Codro porcaque indoctior alba.
Nec des scurrantis specimen rabulaeque forensis,
Mendaciis onerans alios dictisque probrosis.
In verbis adeò scriptisque modestia vincat
Ritè tuis, tantum et solidis agito argumentis
Doctrinaque pia vatum studioque lucrandi
Omnes adversos, ne ridiculis et inani
Concio verborum strepitu vel pagina constet.
Non etiam populis aeternae pabula vitae
Languentisque animae dulces sitientibus undas
Frivola nugamenta feras multisque diuque
Et praeter causam tractes terraeque marisque
Stellatique poli naturam et semina rerum
Et rapidi cursum solis lunaeque bicornis,
Unde ruant venti, quae trudat fulmina causa,
Unde nives crescant lapidosoque impete grando,
Qui sint terrarum tractus, quae flumina, montes,
Lutea qui pelagi gignat corallia gurges,
Quod sit gemmarum precium pannique Britanni,
Gestaque quae totum quondam sint bella per orbem,
Quali luxuria certans regina Canopi

Falls du jemals Laster und schlimme Lehren mit deiner leibhaftigen Stimme oder mit der Feder und in Büchern bekämpfst, so wird es sich für dich geziemen (worauf ich ebenfalls oben schon mahnend hingewiesen habe), eher das im Auge zu behalten, was deiner, was des Evangeliums und vollends Christi würdig ist, als das, was die Schlechtigkeit anderer und deren Taten eigentlich erfordern würden, damit du nicht wertvolle Zeit vertust, unnütz in den Wind redest und beim Volk heftig Unwillen erregst – als einer, der nur im Grimassenwerfen reich ist, doch ärmer als Codrus und ungebildeter als eine weiße Sau, was Überzeugungskraft und rechtes Lehren betrifft. Gib nicht das Musterbild eines Possenreißers und Marktschreiers ab, indem du andere mit Lügen und Schimpfwörtern überschüttest. Gerade in deinen Worten und Schriften behalte die Besonnenheit gehörig die Oberhand; bekämpfe deine Widersacher nur mit gediegenen Argumenten und der frommen Lehre der Propheten, in dem Bestreben, daraus Nutzen zu ziehen, damit deine Predigt oder dein Buch sich nicht auf Possen und leerem Wortgeklingel gründen. Trage den Völkern, die nach der Speise des ewigen Lebens und süßem Trank für die ermattete Seele dürsten, auch nicht wertloses dummes Zeug vor und handle nicht lang und breit und ohne Grund über das Wesen von Land und Meer und des gestirnten Himmels, über die Ursachen der Dinge, den Lauf der sengenden Sonne und des zweigehörnten Mondes, davon, woher die Winde stürmen, welche Ursache die Blitze heraustreibt, wie der Schnee entsteht und der steinschlagähnliche Hagel, welche Landstriche, Flüsse und Berge es gibt, welcher Schlund des Meeres die rosenroten Korallen hervorbringt, was der Preis für Edelsteine und englisches Tuch ist, welche Kriege vor Zeiten auf der ganzen Welt geführt worden sind, mit welchem Luxus die Königin von Ägypten wetteifernd

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<132> Vicerit Antoni sumptus et prandia lauta
Quaeque futurarum iactent prognostica rerum
Solliciti astrorum mensores atque prophetae
De bellis, morbis, annona, peste fameque
Deque aliis. Quae grata sibi velamina quidam
Et diverticula assumunt fraudantque popellum
Expectantem aliud melius cathedraque locoque
Dignius adque animae faciat quod commoda moestae.
Si quid fortè tamen tractandum occurrerit horum,
Id paucis agito, ne sex integra dierum
Plasmata denarres, ut mellitissimus olim
Ambrosius scripsit doctoque Adamantius ore.
     Est etiam plebi valdè indoctisque molestum,
Creber Aristoteles resonet si aliique sophistae,
Qui nec verba Dei nec iter novere salutis.
Saepe igitur proferre illorum nomina parce,
Ne magis instructus scriptis videare prophanis
Atque sacris sophiaque modò inturgescere mundi
Nec Christum satis et divina oracula nosse
Atque tuam unius ventosus quaerere laudem,
Non populi profectum et Christi regis honorem:
Quod procul abs te absit nec grex tolerabit IESU,
Cui praeter Domini verbum acceptabile nil est.
     Quid nunc insulsum monachorum dicere morem,
Nec tantum insulsum, quantum scurrilem et ineptum,
Ordiar? Ut fugiasque meis sermonibus horter?
Namque solent venerando etiam sub tempore Paschae[28]
Prandia post acta, haud largo sine munere Bacchi,
Ridiculas, putres, obscoenas, planè et ineptas
Inque loco narrare sacro et sub schemate honesto

die Verschwendung und die üppigen Mähler des Antonius übertroffen hat und welche Vorzeichen künftiger Dinge die besorgten Sternmesser und -propheten in bezug auf Kriege, Krankheiten, Teuerung, Pest, Hungersnot und andere Dinge verkünden. Manche greifen derlei als willkommene Einkleidung und Abschweifung auf und betrügen damit das Volk, das etwas anderes – etwas Besseres, des Lehramts und des Ortes Würdigeres und der betrübten Seele Zuträglicheres – erwartet. Sollte es sich aber etwa ergeben, daß man über eines dieser Themen handeln muß, so mache es kurz ab, damit du nicht in allen Einzelheiten die gesamte Schöpfung der sechs Tage hererzählst, wie sie einst der allersüßeste Ambrosius und der sprachgewandte Origenes beschrieben haben.
     Für das gemeine Volk und ungeschulte Menschen ist es auch höchst verdrießlich, wenn immer wieder von Aristoteles und anderen Weisheitslehrern die Rede ist, die weder das Wort Gottes noch den Weg zum Heil kannten. Hüte dich also, oft ihre Namen zu nennen, damit es nicht so scheint, als seist du besser in profaner als in geistlicher Literatur beschlagen, als strotztest du nur von der Weisheit der Welt und kenntest Christus und das Wort Gottes nicht genug und trachtetest – ein Windbeutel – einzig nach deinem eigenen Ruhm, nicht aber nach der Wohlfahrt des Volkes und der Ehre des Königs Christus. Dies sei ferne von dir! Die Gemeinde Jesu, der allein das Wort des Herrn wohlgefällt, wird es auch nicht dulden.
     Wozu sollte ich jetzt anfangen, über das geschmacklose (bzw. nicht so sehr geschmacklose wie possenreißerische und läppische) Verfahren der Mönche zu reden? Um dich aufzufordern, vor meinen Darlegungen die Flucht zu ergreifen? Denn sogar zur hochehrwürdigen Osterzeit pflegen sie nach Absolvierung der Mahlzeiten, zu denen auch die Gaben des Bacchus in reichlicher Fülle genossen wurden, an heiligem Ort und mit dem Gebaren von Ehrenmännern lächerliche, abgestandene, unzüchtige und schlechterdings alberne Schwänke zu erzählen,

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<133> Fabellas, quales turpis vix Galba tulisset,
Quo risum moveant somnumque et taedia cunctis
Excutiant, quae ventre solent obrepere pleno,
Fessis praesertim multis huc usque diebus
Rancidulis patulas dando sermonibus aures.
Et quid quadraginta aliud docuere diebus?
Tu nugas aufer penitus ridendaque dicta
Et quaecunque dicax queat et proferre facetus,
Ne maiestatem minuas verbique locique.
Nec metuas somnum populi nec taedia, si tu
Dixeris ex animo vivusque repleverit aures
Sermo piumque subinde salem intersperseris illi.
Quid mirum, afficitur si nemo et taedia passim
Succrescunt, gravat et lethi germanus ocellos,
Si non afficeris, nihil et commoveris ipse?
Si sermo languet, pectus si mortua spirat?
Si dormitantem creber demonstrat hiatus?
Tu praeses, tu dux verbi ludique choragus:
Te primum vigilare et cunctis vivere nervis
Addecet, attentos alios si reddere gliscis
Torporemque animi atque aliorum abstergere somnum.
Quocirca et gestus tibi circumpone decoros,
Nec planè immotum videat te concio truncum,
Quales nonnullos videas, et vertere laudi
Hoc audent sibi et inveniunt erroris amicos,
Quod stent immotis pedibus dorsoque manuque
Nec caput aut collum statuarum more rigentum
Flectant. Virginei reputant hoc esse pudoris,
Ast ego saxorum reor et sine sanguine cordis.
Quamvis sana etiam studiose lumina claudunt,

wie sie kaum der schimpfliche Galba ertragen hätte: zu dem Zweck, Lachen zu erregen und jedermann Schläfrigkeit und Unwohlsein auszutreiben, die sich bei vollem Bauch gewöhnlich einstellen, zumal alle erschöpft sind von den vielen Tagen, an denen sie bis dahin widerwärtigen Predigten ein offenes Ohr liehen. Und was haben sie in den vierzig Tagen anderes gelehrt? Verzichte du gänzlich auf Mätzchen und lachenerregende Sprüche und all das, was ein Witzbold und Spaßvogel vorzutragen imstande ist, um nicht der Erhabenheit des Wortes und des Umfeldes Abbruch zu tun. Sei nicht in Sorge, daß du das Volk einschläfern und langweilen könntest, wenn deine Rede nur aus dem Herzen kommt, wenn eine lebendige Predigt die Ohren erfreut und du von Zeit zu Zeit frommes Salz in sie einstreust. Was Wunder, daß niemand beeindruckt wird und überall Langeweile aufkommt und der Bruder des Todes auf den Augen lastet, wenn du selbst nicht beeindruckt und überhaupt nicht ergriffen bist? Wenn deine Predigt matt und in deiner Brust alles tot ist? Wenn häufiges Gähnen deutlich erkennen läßt, daß es dich schläfert? Du bist der Herr, der Fürst über das Wort, du bist der Spielleiter. Für dich gebührt es sich zu allererst, wach und in allen Fasern voller Leben zu sein, wenn du darauf brennst, anderer Aufmerksamkeit zu erregen und bei anderen Mattigkeit des Geistes und Schläfrigkeit zu vertreiben. Lege dir deshalb auch ein schickliches Gebärdenspiel zu, und die Gemeinde erlebe dich nicht als einen schlechterdings unbeweglichen Baumstamm. Von dieser Art kannst du viele beobachten: sie wagen auch noch, sich dies als Lob anzurechnen, und finden Anhänger für ihr Fehlverhalten, das sich darin äußert, daß sie dastehen, ohne Füße, Rücken und Hände zu bewegen, und wie starre Standbilder nicht Hals noch Kopf beugen. Sie halten dies für ein Merkmal jungfräulicher Züchtigkeit, ich aber glaube, es ist das Merkmal eines Steinblocks und eines blutleeren Herzens. Sie schließen auch absichtlich ihre Augen, obwohl diese völlig intakt sind,

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<134> Ut sibi desertis videantur fundere templis,
Non populo verbum. Huc vel pudor urget ineptus
Vel metus, immemores ne sint concepta profando
Totius aspectu coetus aut huius et huius.
Utere tu vultu manibusque oculisque reclusis
Et populi aspectum perferre assuesce frequentis,
Personae ullius nec te praesentia turbet.
Mortuus à vivo quantum distare videtur,
Tantum apud indoctos doctosque oratio viva,
Quae gestu, motu vultuque oculisque[29] decoris
Et fluit affectu nativo, distat ab illa,
Quae legitur tepidè aut clausis profertur ocellis.
Hoc natura docet genitrix doctique sophistae.
Nil mirum, fatui si non laudabile laudent
Et quisque applaudat sibi seque attingere ducat
Omnia acu. Multos conspexi hucusque colonos,
Et studia et mores varios gestusque docendi
Signavi tacitè et quae de his sententia vulgi
(Ut tibi Suffeni referam et nonnulla Thrasonis).
Hinc iam recta ferè gestuque decentia cerno,
Quamvis illa sequi nequeam atque effingere prorsus.
Quare hîc et veteres et nos novisse putato,
Natura duce, nonnihil, effectuque patenti.
Naturam sequitor communem tu quoque, verùm
Ne propriae nimium tendas pugnare Minervae.
Non succedit enim et risum plerunque reportat
Id facere, in nostro cuius scintillula corde
Nulla latet. Frustra siquidem tentaret asellus
Perblandos gestus Meliteae imitasse catellae.
Nec nos in gestu veterum praescripta sophorum

um sich selbst den Eindruck zu verschaffen, sie verkündeten das Wort vor einer leeren Kirche und nicht vor dem Volke. Hierzu treibt sie unangebrachte Scham oder die Furcht, sie könnten beim Anblick der ganzen Gemeinde oder dieses und jenes [Mitglieds] bei ihrer Predigt den Faden verlieren. Mache du Gebrauch von deinem Mienenspiel, deinen Händen und deinen offenen Augen und gewöhne dich daran, den Anblick einer dichtgedrängten Volksmenge zu ertragen, und laß dich auch durch niemandes Gegenwart irre machen. Wie sich ein Toter offenbar von einem Lebenden unterscheidet, so unterscheidet sich bei Laien wie bei Gelehrten eine lebendige Rede, die sich in reichem Maße durch Gestik, Bewegtheit, Mienenspiel, glänzende Augen und natürliches Feuer auszeichnet, von jener, die lau verlesen oder mit geschlossenen Augen vorgetragen wird. Dies lehren Mutter Natur und die gescheiten Sophisten. Kein Wunder, wenn Narren loben, was nicht lobenswert ist, und jeder sich selbst beklatscht und der Meinung ist, er treffe in allem den Nagel auf den Kopf. Ich habe bis heute viele Pflanzer zu Gesicht bekommen und ihre Interessen, unterschiedlichen Verhaltensweisen und ihr Gebärdenspiel bei ihrer Lehre sowie auch die Volksmeinung hierüber insgeheim beobachtet, um dir etwas von einem Suffenus und einem Thraso zu berichten. Aufgrund dessen entscheide ich nun darüber, was so einigermaßen in Ordnung und bezüglich des Gebärdenspiels geziemend ist, wenn ich dies auch nicht weiter verfolgen und ausführen kann. Sei daher überzeugt, daß sowohl die Altvorderen als auch wir auf diesem Gebiet einige Kenntnis besitzen, denn uns leitet die Natur, und der Erfolg ist offensichtlich. Folge auch du der allgemeinen Natur, doch sei nicht allzusehr bemüht, gegen deine eigene Veranlagung anzukämpfen! Etwas zu tun, wovon kein Fünkchen in unserem Herzen vorhanden ist, bringt nämlich keinen Erfolg und trägt meist Gelächter ein. Denn vergeblich wäre der Versuch des Esels, das sehr gewinnende Gebärdenspiel eines melitaeischen Hündchens nachzuahmen. Wir loben auch nicht alles, was die alten Weisen bezüglich der Gestik vorgeschrieben haben.

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<135> Omnia laudamus. Latialis ludicra gentis
Martia consuevit necdum Germania ferre.
Est mos cuique suus genti, nec ubique decorum
Rentur idem. Si quis Germani ante ora popelli
Sacro in suggestu celer huc discurrat et illuc
Supplodatque pedem atque ad coelum brachia iactet
Extendatve in utrumque latus pro more natantis
Complodatque manus, magno aut suggesta fragore
Tundat et exagitet caput et tueatur ocellis
Gorgoneis labrisque tumentibus atque retortis
Disserat et spumam convolvat et expuat albam,
Rideat aut caperet frontem turpemque fragosis
Naribus attracto flatu crepitum edat, ut alto
Oppressus somno cultor destertit Iacchi,
Ceritus planè et malè sanus habebitur omni.
Compositos laudatque et amat Germania gestus,
Compositi testes animi morumque severûm.
Inter dicendum revocas si saepe lacernam,
Pilea si ponis nunc, nunc post pauca resumis,
Ad dextramve aurem aut torques obliqua sinistram
Aut trahis in frontis cilia atque exordia nasi,
Non Momum effugies morosè cuncta notantem.
Ne speciem irati referas tumidique gigantis,
Nec sermone aut ullo odiosa superbia gestu
Pareat, et motus lascivi turpiter absint,
Clamor et insanus vocisque intentio raucae.
Vocem pro genioque loci et moderare popelli.
Caetera, quae restant, Romanis fontibus hauri.

Das kriegerische Deutschland ist noch nicht gewöhnt, die Mätzchen des italienischen Volkes zu ertragen. Jedes Volk hat seine besondere Art, und nicht überall gilt dasselbe als schicklich. Wenn jemand vor den Augen einer deutschen Gemeinde auf der Kirchenkanzel geschwind hin und her läuft, mit dem Fuß aufstampft und die Arme zum Himmel wirft oder sie wie ein Schwimmer nach beiden Seiten ausstreckt, wenn er die Hände zusammenschlägt oder mit großem Krachen auf die Kanzel haut und den Kopf herumwirft und mit Gorgonenaugen dreinblickt, wenn er mit geblähten und auch mit eingezogenen Lippen predigt und weißen Schaum mahlt und ausspuckt, wenn er lacht oder sich an die Stirn greift und, nachdem er durch die Nase schniefend Luft geholt hat, einen scheußlichen Knall ertönen läßt, so daß der in tiefen Schlummer versunkene Verehrer des Bacchus sein Schnarchen beendet, dann wird jedermann ihn für einen schlechterdings Hirnrissigen und Verrückten halten. Das deutsche Volk lobt und liebt abgemessene Gebärden als Zeugen eines gesetzten Geistes und ernsten Wandels. Wenn du bei der Predigt oft den Talar zurückschlägst, die Mütze bald abnimmst, bald nach kurzer Zeit wieder aufsetzt, sie schief aufs rechte oder linke Ohr drehst oder die Augenlider bis zum Ansatz von Stirn und Nase hochziehst, dann wirst du dem alles grämlich tadelnden Momus nicht entfliehen. Biete nicht den Anblick eines zornigen und aufgeblasenen Riesen und offenbare mit deiner Predigt oder Gestik keinen abstoßenden Hochmut; vollführe keine auf unsittliche Weise freizügigen Bewegungen, unterlasse verrücktes Gezeter und die Anspannung einer heiseren Stimme. Mäßige deine Stimme dem Geist des Ortes und des Volkes zuliebe. Was sonst noch zu sagen übrig ist, das schöpfe aus römischen Quellen!


[24] Nequando   [25] tempestare   [26] quinetiam   [27] tenteque   [28] Pashae   [29] oculis (oculisque Errata)

Letzte Änderung: 15.12.2009

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