Text and Translation submitted by Lothar Mundt.



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Liber quintus.

Haec in cultura verbi servanda putamus,
Praestantes pietate viri Patresque colendi,
Ut conatu omni Christus verumque seratur.
Mercator cupidus nigris adnavigat Indis,
Tristia Neptuni regna et fera praelia ventorum
Et scopulos temnens ac occurrentia monstra,
Ut referat piper et depexam ex arbore lanam.
Qui labor aut sumptus, quae dira pericula mundi
Impediant, ut non Christi studeamus honori,
Omnibus ut notus fiat mortalibus, unde
Corporis haud tegimen nec condimenta culinae,
Sed charas animas tristi referemus ab Horco,
Spirituum coetu laetum clamante triumphum
Et patre coelesti dignas praebente coronas,
Non sane ex olea aut strobilis apioque virenti
Nec cultas auro gemmisque opibusque caducis,
Verùm intellectum nostrum superantibus omnem
Aeternisque bonis? Phoebes argenteus orbis
Et rutili fulgor solis candorque sereni
Luciferi astrorumque decus coelique corusci
Stellarumque nitor non nos aequaverit omnis.
Talia seposuit studiosis praemia summus
Agricolûm rector, cuius sunt semina et arva.
Et cumulatè eadem post actos ritè labores,
Post tempestates magnas et summa pericla
Speratae certaeque dabit sub tempore messis.
Nusquam segnicies quicquam ac ignavia carpit.
Praemia sudor habet vigilansque industria fructum.

Fünftes Buch.

Beim Anbau des Wortes ist, wie wir meinen, folgendes zu beachten, ihr Männer von herausragender Frömmigkeit und verehrungswürdigen Väter: daß mit jeder nur möglichen Anstrengung Christus und die Wahrheit eingesät werden. Das unheilvolle Reich Neptuns, die wilden Kämpfe der Winde, die Klippen und die ihm begegnenden Ungeheuer verachtend segelt der gewinnsüchtige Kaufmann zu den schwarzen Äthiopiern, um Pfeffer und Baumwolle heimzubringen. Welche Mühe oder welcher Aufwand, welche schrecklichen Gefahren der Welt verhindern es, daß wir nach Christi Ehre trachten, daß er allen Sterblichen bekannt wird? Bringen wir doch dadurch nicht Kleidung für den Körper und Gewürze für die Küche, sondern die teuren Seelen aus dem jammervollen Totenreich heim – wobei die Engelsschar ein fröhliches Triumphgeschrei anstimmt und der himmlische Vater die verdiente Krone darreicht, welche wahrhaftig nicht vom Ölbaum oder von der Pinie ist und nicht aus grünendem Eppich, welche auch nicht geschmückt ist mit Gold und Edelsteinen und vergänglichem Reichtum, sondern mit Schätzen, die all unsere Vorstellungskraft übersteigen und ewigen Bestand haben. Die silberne Scheibe des Mondes, der Glanz der goldenen Sonne, das blinkende Weiß des klaren Morgensterns, die Pracht der Sternbilder und des schimmernden Himmels und aller Glanz der Sterne wird dann an uns nicht heranreichen. Solchen Lohn hat der oberste Gebieter über die Landbauer, dem Saaten und Felder gehören, für die eifrig sich Mühenden aufgespart. Und ebendiesen [Lohn] wird er nach gehöriger Erledigung der Arbeit, nach großen Unwettern und höchsten Gefahren zur Zeit der erhofften und sicheren Ernte reichlich gewähren. Langsamkeit und Faulheit ernten nirgendwo etwas. Der Schweiß hat seinen Lohn und unermüdlicher Fleiß seine Frucht.

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<137> Ergo age tollamus remoras animumque iacentem
Atque alacres Christi Domini sudemus in arvis.
Pro se quisque colat, spinas tribulosque revellat,
Fructiferum et spargat per culta novalia semen.
Huc magis incumbant electi porrò coloni
Et reliquis praeeant animis et corpore prompti.
     Post fidei capita et Christum gestusque docendi
Ritus plantandi sunt et ceremonia verbo
Pulchrè conveniens. Non haec consistere vita
Ritibus absque potest, quin Christi denique verbum
Friget adhuc, si nulla astat ceremonia iuxtà
Et signis extrà nullis ex parte iuvatur.
Sic fragiles memoresque sumus malè, ut undique opus sit
Verbum inculcari velutique in pectora nostra
Scribi exercitiis, ritu, sermone statisque
Signis, tum psalmis etiam et modulamine vocis.
Ipse etiam Genitor naturae haud inscius huius
Patribus ad verbum concessit signa vetustis,
Ut verbi memores essent magis, inque futurum
Respicerent tempus nec non exacta tenerent.
     Diluviem nunquam cunctis immittere terris
Perdentem mortale genus volucresque ferasque
Pactus erat mundi cum instauratore novelli
Sat laetis verbis, at signum foederis icti
Protinus in fuscis conspecta est nubibus Iris
Adverso Phoebo, quod cuncta in secula durat.
In signum venturi extremo seminis aevo
Gratuitique adeò et pleni certique favoris
Ponere credentum iussit praeputia patrem
Atque illud signi cunctos gestare nepotes,

Auf denn! Säumen wir nicht und fassen wir Mut und arbeiten wir uns freudig ab auf den Feldern Christi, des Herrn! Jeder ackere für sich, reute Dornen und Disteln aus und streue die fruchtbaren Samen über die frisch beackerten Felder aus. Dessen mögen die auserwählten Pflanzer sich fürderhin stärker befleißigen und den übrigen Menschen als ihre Anführer mit Herz und Hand zu Diensten sein.
     Nächst den Hauptartikeln des Glaubens, nächst Christus und der Besorgung der Lehre müssen Bräuche und eine dem Wort trefflich anstehende Zeremonie eingepflanzt werden. Ohne Bräuche kann dieses Leben keinen Halt gewinnen, ja Christi Wort erstarrt zudem gar, wenn ihm keine Zeremonie dicht zur Seite steht und es durch keinerlei Zeichen teilweise eine äußerliche Unterstützung erfährt. Wir sind so gebrechlich und vergeßlich, daß uns das Wort von allen Seiten eingeschärft und unseren Herzen gleichsam eingraviert werden muß: durch Übungen, Ritus, Predigt und Aufstellung von Zeichen, ferner auch durch Loblieder und wohltönenden Gesang. Ja sogar der Schöpfer selbst hat, dieser Naturanlage wohl bewußt, den alten Vätern zum Wort Zeichen zugestanden, damit sie das Wort besser im Gedächtnis behielten, an die Zukunft dachten und nicht auf Abwege kamen.
     Der Bund, in dem sich der Wiederhersteller der neuen Welt verpflichtete, niemals eine Sintflut über alle Lande zu schicken, die das Menschengeschlecht und die Vögel und wilden Tiere vernichten würde, wurde mit Worten geschlossen, die schon glückverheißend genug waren: doch sogleich erschien in den dunklen Wolken, der Sonne gegenüber, ein Regenbogen – als ein alle Zeitalter überdauerndes Zeichen des geschlossenen Bundes. Er befahl dem Vater der Gläubigen, daß er zum Zeichen der Ankunft des Sohnes am Ende der Zeiten und der so ganz uneigennützigen, reichen und unbezweifelbaren Gnade seine Vorhaut entfernen solle und alle seine Nachkommen dieses Zeichen an sich tragen sollten,

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<138> Salvificum donec prodiret semen in orbem.
Libertatis erat partae magnaeque salutis
Aerumnis ex Niliacis duroque labore
Coelitus invectum signum, et ceremonia iusta,
Solenni caesus ritu purissimus agnus,
Et venturi idem Christi praeclara figura.
Quid voluere sibi sacra tot ritusque litandi
Et cruor effusus pecudum aspersusque frequenter,
Ni crebras noxas immundiciemque notare
Humani generis? simul et monstrare futurum,
Ut Christus fieret pro nobis victima patri
Atque immundicie per eum lueremur ab omni,
Affuso proprio nobis sparsoque cruore,
Quod verbis etiam promiserat antè disertis?
Sabbata cum festis aliis certisque diebus,
Quid nisi divinae fuerant monumenta quietis
Et benefactorum genus in mortale[30] gregatim,
Tum magnorum etiam in solos duntaxat Hebraeos?
Quid quod solliciti cordis docuere quietem?
Eque Dei expectare manu adversa atque secunda
Molirique nihil factis verbisque animoque,
Quàm quod proposuit certò statuitque Creator?
Quid reliquos memorem ritus et plurima signa,
Quae pater adiunxit verbo tribuitque prophetis,
Notior ut populo fieret decreta voluntas?
Immensum pelagus, nec res est temporis huius.
Porrò ut consuevit quondam dare signa popello
Rituque exercere fidem atque volatile verbum,
Rex regum donec Christus sua munera obisset
Atque novi mundo sanxisset foedera pacti,

bis der heilbringende Sohn auf der Welt erscheinen würde. Die nach feierlichem Ritus vollzogene Schlachtung eines völlig makellosen Lammes war ein vom Himmel eingeführtes Zeichen für die erlangte Freiheit und die große Errettung aus den Drangsalen und dem harten Ungemach in Ägypten, ein wohlbegründeter religiöser Brauch, zugleich aber auch ein herrliches Sinnbild für die einstige Ankunft Christi. Was anders hätte der Sinn sein sollen von so vielen Opfern und Opferriten, von immer wieder vergossenem und hingespritztem Tierblut, als zeichenhaft hinzudeuten auf die sich ständig wiederholenden Sünden und die Unreinheit des Menschengeschlechts und als gleichzeitig hinzuweisen auf die Zukunft: daß Christus dem Vater uns zuliebe geopfert werden würde und wir durch ihn – dadurch, daß er für uns sein eigenes Blut hinschütten und verspritzen würde – gereinigt werden würden von aller Unsauberkeit –, was er [Gott] auch schon zuvor in aller Deutlichkeit verheißen hatte? Was waren der Sabbat und mit ihm die anderen festgesetzten Feiertage anderes als Erinnerungszeichen an die göttliche Ruhepause und die Fülle von Wohltaten gegen das Menschengeschlecht, die damals nämlich allein schon gegenüber den Juden bedeutend waren? Ja noch mehr: sie lehrten, daß in das aufgeregte Herz Ruhe einkehren solle; [sie lehrten], Mißhelligkeiten wie glückliche Umstände aus Gottes Hand zu erwarten, [und sie lehrten], daß mit Taten, Worten und dem Geist nur ins Werk gesetzt werden kann, was der Schöpfer ohne allen Zweifel bestimmt und festgesetzt hat. Wozu sollte ich noch die übrigen Riten und die sehr zahlreichen Zeichen anführen, die der Vater dem Wort beigesellt und den Propheten zugestanden hat, damit das Volk mit seinen Willensentscheidungen möglichst gut vertraut wurde? Dies ist ein unermeßliches Meer und betrifft auch nicht unser Zeitalter. Wie es nun aber dereinst seine [Gottes] Praxis war, dem Volk Zeichen zu geben, den Glauben und das flüchtige Wort durch das Ritual einzuüben, bis Christus, der Könige König, sein Amt angetreten und der Welt den Vertrag des Neuen Bundes unverbrüchlich bestätigt haben würde,

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<139> Sic Rex ipse (licet fragilis iam cederet umbra,
Spiritus et summo verum demissus Olympo
Cordibus insereret) ritus et paucula signa,
Nempe duo, causas propter mandavit easdem:
Tingere simpliciter[31] credentes gurgite primùm
In patris aetherei nomen flatusque suumque,
Ut tincti nossent sese iam quique redemptos
Mundoque occisos coelorum vivere Regi
Atque nihil culpae et mortis debere tyranno,
Scilicet ablutos plenè per sanguinem IESU.
Talia dona piis obsignat tinctio sacra
Officiique monet cunctos vitaeque futurae
Spemque resurgendi cum verbo firmat et auget.
Tum coenam instituit prolato pane meroque,
Corporis ut signis fracti fusique cruoris:
Ipsius unanimi collecto ut nomine coetu
Salvificae mortis memores essemus et arctae
Utrosque inter amicitiae, corpusque secundum
Atque animam, quòd nos verè vivamus in ipso,
Ipse quoque in nobis, unà ut servemur in aevum.
Haec eadem et verbo docuit iussitque doceri
Summa novi capita ut pacti monumentaque vitae,
Visibilem adiecit tamen ob carnalia ritum
Detrimenta nimisque pigrum ad coelestia captum.
     Hos ritus sanctos Dominus mandavit IESUS,
Quaeque Deus statuit, meritò divina vocantur.
Nam divina potest mortalis condere nemo,
Nec solus nec cum multis, nec secula et aetas.
Hos praeter sanctum nullum teneasque putesque,
Ipse nec instituas, sacra qui mysteria signet.

so hat, aus den gleichen Gründen, der König selbst, obgleich er alsbald als zerbrechlicher Schatten entwich und der vom höchsten Himmel herabgesandte Heilige Geist die Wahrheit in die Herzen einsäte, Bräuche und ganz wenige Zeichen, nämlich zwei an der Zahl, gestiftet. Erstens, daß man die aufrichtig Gläubigen in der Wasserflut taufen solle auf des himmlischen Vaters, des Heiligen Geistes und seinen eigenen Namen, damit alle Getauften sich bewußt würden, daß sie schon erlöst seien und daß sie, auch wenn sie für die Welt tot seien, für den König des Himmels doch lebten, daß sie dem Fürsten der Sünde und des Todes nichts schuldeten, da sie ja vollkommen reingewaschen seien durch das Blut Jesu. Diese Gaben prägt die heilige Taufe den Frommen ein; und sie erinnert alle an ihre Pflicht und das künftige Leben und festigt und vergrößert die Hoffnung auf eine Auferstehung mit dem Wort. Zweitens hat er mit der Darreichung von Brot und Wein – als Zeichen seines zerbrochenen Körpers und vergossenen Blutes – das Abendmahl eingesetzt, damit wir in der in seinem Namen einträchtig zusammengetretenen Gemeinde seines heilbringenden Todes und der engen Freundschaft zwischen jenen beiden, [seinem] glückhaften Körper und [unserer] Seele nämlich, gedächten, insoweit wir wahrhaft in ihm selbst leben und er seinerseits in uns, damit wir mit ihm in Ewigkeit unversehrt überdauern. Genau das gleiche hat er auch mit dem Wort gelehrt und befohlen, daß man es lehre als die Hauptartikel des Neuen Bundes und Zeugnisse des Lebens; dennoch hat er mit Rücksicht auf die Unzulänglichkeit des Fleisches und das allzu träge Auffassungsvermögen für die himmlischen Dinge einen sichtbaren Ritus hinzugefügt.
     Diese heiligen Riten hat der Herr Jesus anbefohlen, und was Gott festgesetzt hat, wird zu Recht göttlich genannt. Denn Göttliches kann kein Sterblicher stiften, weder allein noch mit vielen [anderen], noch kann es ein ganzes Jahrhundert und Zeitalter. Außer diesen Riten halte und betrachte keinen sonst als heilig, und setze selbst keinen ein, der auf heilige Mysterien verweisen soll.

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<140> Quippe hoc molimen pravum et temerarius error.
Signorum satis est pacti sub luce recentis,
Si duo serventur, nobis ut tradidit autor.
Non nostrum, claris qui discimus omnia verbis,
Sed Iudaeorum, multis lusisse figuris
Atque sub involucris crassoque recondita velo
Sancta aspexisse et Christum quaesisse latentem.
His si dempsisti sordes et ludicra, si qua
Adiunxit veterum non debita cura virorum
Aut arrepserunt alio sub nomine, puros
Conservare stude, ne rursum stercora sacris
Mixta velis Dominique iterum sub nomine vendas.
     Si quosdam veteres servas aut denuò condis
Ipse novos, maneant humani, nomine et isto
Suscipiat populus, ne multiplicare reatus
Coneris temerè faciasque obnoxia corda
Non Christo iussisque illius ab ore profectis,
Sed tricis hominum, ut toto mos durat in orbe.
Hi tamen haud ut significent, condantur et adsint,
Mystica, sed tantum pax ut servetur et ordo,
Sancti quin etiam[32] coetus spectetur honestas
Profectusque lucrum. Huc, inquam, ceremonia quaevis,
Huc ritus tendat: quod nos sententia Pauli
Et ratio ipsa docet. Qui non ostenderit istam
Ritus naturam, procul expellendus et omni
Effugiendus erit pede, nempe ut inutilis et qui
Non pia promoveat, sed ducat ad impia sensim
Atque superstitionum immittat germina plebi.
Horum certè exempla vides, nisi luminis usum
Perdideris verbique Dei scrutinia spernas.

Dies wäre allerdings ein abwegiges Unterfangen und ein riskanter Fehltritt. Im Lichte des Neuen Bundes sind es genug der Zeichen, wenn wir die zwei bewahren, wie es uns ihr Urheber gelehrt hat. Nicht uns, die wir alles in deutlichen Worten erfahren, sondern den Juden steht es an, mit vielerlei Figuren herumzuhantieren und das Heilige unter Verkleidungen und einer dicken Umhüllung verborgen zu betrachten und einen darin versteckten Christus zu suchen. Wenn du diese [zwei Zeichen] von Verunreinigungen und Firlefanz befreit hast – falls etwa überflüssiger Eifer der Vorfahren derlei hinzugefügt oder es sich unter einem anderen Vorwand eingeschlichen hat –, so bemühe dich, sie unverfälscht zu bewahren, damit du die heiligen Verkleidungen nicht wiederum mit einer Beimischung von Schmutz – und dies erneut im Namen des Herrn – verkaufst.
     Wenn du gewisse alte [Riten] beibehältst oder sie selbst wieder neu begründest, so mögen sie doch menschliche [Riten] bleiben, und unter dieser Bezeichnung nehme das Volk sie auf, damit du dich nicht unbesonnen anschickst, Sünden zu vervielfachen und die Herzen nicht Christus und den aus seinem Munde stammenden Weisungen untertan zu machen, sondern menschlichen Flausen – wie es auf der ganzen Welt heute noch Brauch ist. Diese [Riten] sollen aber keinesfalls begründet und genutzt werden, um Mysterien zu kennzeichnen, sondern nur zur Bewahrung von Friede und Ordnung, ja sehr wohl auch aus Rücksicht auf das äußere Ansehen der heiligen Gemeinde und den Gewinn, der sich aus ihrer Fortentwicklung ergibt. Hierauf, sage ich, zielt jede Zeremonie, jeder Ritus ab; dies lehrt uns der Ausspruch des Paulus und die Vernunft selbst. Jeden Ritus, der nicht diesen Wesenszug aufweist, muß man in hohem Bogen hinauswerfen und mit aller Kraft fliehen, denn er ist unnütz und fördert nicht die Frömmigkeit, sondern führt allmählich zur Ruchlosigkeit und trägt die Keime abergläubischen Wesens ins Volk. Beispiele hierfür siehst du gewiß, wenn du die Sehkraft nicht eingebüßt hast und die Erforschung des Wortes nicht verachtest.

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<141> Quapropter si quando doces aut sacra ministras
Publicitus, cultu incedas vestitus honesto,
Ne sis ridiculus monstrosa veste puellis
Aut admirandus stupidis rerumve peritis
Non sani cerebri et stultè videare superbus
Aut personatus fabellam agere histrio fictam.
Non est, pontifices quod cultu imiteris Hebraeos
Aut Salios aut Bassarides Gallosve Cybelles
Aut cum flaminibus cupias certare Quiritum
Linigeraeve nihil Memphis concedere turbae,
Vestibus insolitis vulgo miraque tiara,
Turpiter aut raso capite atque stola muliebri:
Qualia multa vides magno florere paratu
Aedibus in sacris, ut sint miracula vulgo.
Quae tamen, ut penitus non insanire putentur,
Maxima significare aiunt mysteria iamque
Omnia ridendis sudant exponere libris.
Sudant incassum. Christum qui noverit, illi
Significant vacuum caput et praeclara magorum
Praestigia atque superstitionis signa prophanae.
Omnia significata tuis à vestibus aufer;
Non nostris plebs est nugis nec veste docenda.
Doctrinam commendo tibi verbumque salutis
Signaque sancta duo, quorum est coelestis origo.
Simpliciter vestitus eas et cultus in aede
Et sacram nullam dicas gestesve lacernam
Et quam non liceat mutare aut ponere prorsus,
Seu tu materiam aut formam spectesve colorem.
Talibus in rebus doctor sit liber oportet,
Christicolûm qui sit recturus libera corda.

Wenn du daher jemals lehrst oder öffentlich Gottesdienst abhältst, gehe in ehrbarer Kleidung einher, damit du dich nicht wegen eines abenteuerlichen Gewandes vor den Kindern lächerlich machst oder dich Schwachköpfen als Gegenstand der Bewunderung darbietest und bei Gescheiten den Eindruck erweckst, du seist nicht ganz bei Verstand und von alberner Hoffart oder führtest im Kostüm eines Schauspielers ein kleines Theaterstück auf. Es besteht kein Grund für dich, was den äußeren Aufzug betrifft, die jüdischen oder salischen Priester, die Bacchantinnen oder die phrygischen Kybele-Priester nachzuahmen oder mit den Flamines (Eigenpriestern) der Römer in einen Wettstreit eintreten oder den Isis-Priestern in Memphis in nichts nachstehen zu wollen – mit Gewändern, die beim Volk ungebräuchlich sind, mit einem wundersamen Turban oder einem häßlich geschorenen Kopf oder einem Frauenkleid. Vieles dergleichen tut sich in den Kirchen, wie du siehst, mit großem Gepränge hervor, damit das Volk etwas zu bestaunen hat. Dabei behaupten sie aber, damit man sie nicht für vollkommen verrückt hält, daß solcherlei auf die größten Mysterien hindeute, und plagen sich sogar ab, dies alles mit belachenswerten Büchern zu beweisen. Sie plagen sich umsonst! Wer Christus kennt, dem deutet es auf einen hohlen Kopf hin, auf berüchtigtes Blendwerk von Zauberern und auf Anzeichen gottlosen Aberglaubens. Entferne von deinen Kleidern alles Zeichenhafte; wir dürfen das Volk weder mit unseren Flausen noch mit unserem Gewand belehren. Ich empfehle dir die Lehre und das Wort des Heils und die beiden heiligen Zeichen, die ihren Ursprung im Himmel haben. Bewege dich in der Kirche in schlichter Kleidung und Aufmachung und bezeichne und trage deinen Talar nicht als ein Heiligtum, an dem man, was Stoff, Schnitt und Farbe betrifft, überhaupt nichts ändern oder entfernen darf. Ein Lehrer, der sich anschickt, die freien Herzen von Christen zu leiten, muß in solcherlei Dingen frei sein.

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<142> Ne misera aedificet doctrinae elementa vetustae,
Quaerat et adverso vacuata Levitica Mose,
À quîs nos retrahit Paulus Christusque redemptor.
Ò nos degeneres! ô quàm nos prisca reliquit
Regula! quàm nugis omnes paremus ineptis!
Quàm mox humano capimur quocunque colore!
Nunquam et Apostolici sequimur decreta senatus,
Quanquam et Apostolici nobis iustique videmur!
Catholica et semper nobis Ecclesia in ore est!
Catholica impietas est, non pietasque fidesque,
Quod[33] quidam aedificant nec non imponere tentant
Ad Christum postliminii nunc iure reversis.
Tu circumspecta cautè atque examine recto,
Quae Christi certò aut humani, expende, cerebri.
     Si canis aut oras loquerisve astante popello,
Ne facito ignotis linguis et murmure inani
Neve placeto tibi peregrinae merce loquelae
Iactator vanus, cuius nolisve queasve
Reddere participes alios, qua nullus ad illos
Fructus perveniat, quorum tibi commoda solum
Credidit omnipotens, quorum fers te ipse ministrum.
Si lubet Ausonidum lingua Graiûmque profari
Aut psalmos canere aut tenui trutinare labello
Mystica suspensaque loqui coelestia mente,
Chaldaeis literis si adeò atque iuvaris Hebraeis
Aut valdè alterius gaudes non esse rudem te,
Quattuor exercere licet sumptisve duobus
Eiusdem studii linguaeque sodalibus olim
Aedibus in propriis studiosorumque Lyceio.
Quid prodest surdum studiis astare popellum,

Er errichte nicht die kläglichen Fundamente einer alten Lehre und trachte nicht nach dem gegen den Willen Moses’ seines Inhalts beraubten levitischen Kult, von dem uns Paulus und der Erlöser Christus zurückhalten. O wir Entarteten! O, wie hat uns die altehrwürdige Richtschnur verlassen! Von wie läppischen Flausen lassen wir alle uns leiten! Wie schnell lassen wir uns von jeder menschlichen Pracht gefangennehmen! Wie befolgen wir auch niemals die Verfügungen des apostolischen Rates, obgleich wir uns selbst für apostolisch und gerecht halten! Und wie reden wir immer von einer katholischen Kirche! Katholisch ist an dem, was gewisse Leute errichten und denen, die nach dem Heimkehrrecht zu Christus zurückgekehrt sind, aufzubürden suchen, allein die Gottlosigkeit, nicht die Frömmigkeit und der Glaube! Schau du dich aufmerksam um und wäge sorgfältig prüfend ab, was mit Sicherheit Christi Eigen und was dem menschlichen Hirn entsprungen ist.
     Wenn du vor der Gemeinde singst, betest oder predigst, dann tu dies nicht in einer unbekannten Sprache und mit sinnlosem Gemurmel, und gefalle dir nicht als einer, der eitel mit dem Tand einer fremdländischen Redeweise prahlt, an der du andere nicht teilhaben lassen willst oder kannst, von der keinerlei Nutzen für jene abfällt, die dir der Allmächtige allein zu ihrem Wohle anvertraut hat und deren Diener du dich selbst nennst. Wenn du es liebst, auf lateinisch oder griechisch zu predigen oder Psalmen zu singen oder mit zarter Lippe mystische Dinge zu untersuchen und von hoher Warte über Himmlisches zu sprechen, wenn dich die chaldäische und hebräische Literatur gar so sehr ergötzt oder du überaus froh bist, auch in einer anderen Sprache nicht unwissend zu sein, dann hast du die Möglichkeit, dich darin irgendwann einmal in deinem eigenen Hause oder im Gymnasium zu üben, falls du ein paar gute Freunde gewonnen hast, die dieselbe Sprache studiert haben. Was hat es für einen Nutzen, wenn das Volk Liebhabereien,

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<143> Quorum esse auditor nequeat nec denique iudex?
Nec tu linguarum vetus huc adducito donum,
Cuius nulla etiam iam pridem exempla supersunt.
Proderat id plebi verboque fideque novellae,
Spiritus ut variis sanciret credita donis,
Omnibus et linguis Christum firmaret IESUM.
Gentibus immo magis pro signo proderat illud,
Coelitus ut nossent Christi documenta probari,
Ut Pentecostes patuit sub luce celebris.
At vetat instinctus sancto spiramine Paulus,
In sacro ne quis conventu utatur eodem,
Si non interpres doceat recitata peritus.
Scilicet indoctae respexit commoda plebis
Omnibus in rebus, flatus pro more superni.
Nam cur conveniat positis ex lege prophanis,
Si nihil utilitatis habet? si carpere fructum
Nullum ex te potis est, te prorsum ignota loquente?
Quum canis atque oras uni intellecta tibi, quin
Nec fortasse tibi? quum te ut citharam audit asellus
Et stupet audita tantum sine pectore voce?
Nec quid nec novit, quando respondeat Amen?
Si populi calles linguam, male habebere sanus,
Si non inservis illi, sed murmura tollis
Barritumque illi ignotum, quasi veneris illuc
Parietibus tantum et saxis lignisque minister.
Sin calles minus et conventu effundere coram
Verba tamen lubet, aut interpres idoneus adsit
Aut sile et incassum nolito illudere plebi.
Saepius admonui, crebroque monere necesse est,
Ut sis ad populi doctrinam et commoda semper

die es nicht aufnehmen, geschweige denn beurteilen kann, taub beiwohnt? Berufe dich hier nicht auf die alte Gabe der Zungen, von der auch schon längst keine Beispiele mehr vorhanden sind! Dem im Wort und Glauben noch unerfahrenen Volk war es von Nutzen, daß der Heilige Geist die Glaubensinhalte durch verschiedenerlei Gaben unwiderruflich besiegelte und Jesus Christus in allen Sprachen beglaubigte. Ja es war sogar mehr noch den Heiden als Zeichen von Nutzen: insofern, als sie nun wußten, daß der Himmel Christi Lehre bestätigte, wie es offenbar wurde am Morgen des stark besuchten Pfingstfestes. Doch der vom Heiligen Geist beflügelte Paulus verbietet es, daß jemand in einer gottesdienstlichen Versammlung das gleiche Verfahren anwendet, es sei denn, ein sachkundiger Übersetzer erläuterte den Vortrag. Er hatte nämlich – nach dem Willen des Heiligen Geistes – in allen Dingen den Vorteil des ungeschulten Volkes im Auge. Wozu sollte es denn auch zusammenkommen, nachdem es dem Gebot entsprechend die Gottlosigkeit abgelegt hat, wenn ihm daraus keinerlei Nutzen erwächst? Wenn es von dir überhaupt nicht profitieren kann, weil deine Rede ihm völlig unverständlich ist? Weil nur du selbst verstehst, was du singst und betest, ja vielleicht nicht einmal du! Weil es dich so hört wie der Esel das Saitenspiel und verdutzt ist, daß es nur eine Stimme hört ohne Sinn und nicht weiß, warum und wann es mit „Amen“ antworten soll! Wenn du die Volkssprache beherrschst, dann wird man dich für nicht ganz gescheit halten, wenn du dich ihr nicht anbequemst, sondern ein ihr fremdes Gemurmel und Geschrei erhebst, gleichsam als seist du dorthin gekommen, um nur den Wänden, den Steinen und dem Holz dienstbar zu sein. Wenn du sie nicht beherrschst und trotzdem vor der Gemeinde reden möchtest, dann sollte ein geeigneter Übersetzer dabei sein; wenn dies nicht der Fall ist, so schweige und halte das Volk nicht sinnlos zum Narren. Ich habe dich schon öfter dazu ermahnt und muß dich immer wieder dazu anhalten, daß du stets auf die Belehrung und den Nutzen des Volkes

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<144> Intentus, tua non quaeras, ut iura ministri
Publica praescribunt. Ergo nec mutus adesto
Chironomus gestusque insulsi ludius acer.
Os linguamque te habere decet gnarumque docendi
Pectus, non populo persona assistere quarta,
Gestibus ut fatuis coràm tantummodo ludas,
Pingas mille cruces, extendas brachia fixus,
Nunc totum inclines corpus, nunc genua recurves,
Nunc castrae ad Boream vertas, nunc rursus ad austrum,
Quattuor aspiciasque plagas vertigine mundi,
Nunc calici et patinae, nunc figas basia libris,
Nunc vitro ceram vel pallidula ossa tegenti,
Atque manu mota iubeas idem ad oscula circum
Omnibus adferri, vel summis (turpe) monarchis,
Codicis aurati literas pictasque figuras,
Calceoli aut partem veteris craniique patentis,
Linteola aut tetro nimium foedata cruore.
Nunc sedeas, nunc stes, nunc frigida pectora fundas
Atque decussatim componas denique palmas
Versusque astantes incondita murmura iactes,
Per vacuum crucibus depictis aera ternis.
Non ludendum aio, viva sed voce docendum.
Gesticulatores tales non ipse magister,
Non et Apostolicae quondam voluere catervae.
Verbum et doctrinam commendavere ministris
Et scripturarum scrutinia, denique curam,
Omnia ut aedificent et sint plerique prophetae
Atque Dei exundet pleno passim ubere sermo,
Alter ut alterius facile queat esse magister.
At postquam ambitio praeclaros dira colonos,

bedacht sein, daß du, wie es das bürgerliche Recht für einen Diener vorschreibt, nicht das Deine suchen sollst. Präsentiere dich also nicht als ein stummer Pantomime und wilder Mimiker mit albernem Gebärdenspiel. Es geziemt sich, daß du Mund und Zunge besitzt und einen Verstand, der sich auf die Lehre versteht, und daß du nicht als vierte Person vor das Volk hintrittst, um vor ihm nur mit blödsinnigen Gesten ein Possenspiel aufzuführen, indem du tausend Kreuze malst, die Arme ausstreckst wie ein Gekreuzigter, bald den ganzen Körper beugst, bald die Knie krümmst, bald dein Lager nach Norden, bald wieder nach Süden hin ausrichtest und im Herumdrehen die vier Himmelsrichtungen in Augenschein nimmst, indem du bald auf den Kelch und die Schüssel, bald auf das Buch, bald auf das Glas, das Wachs oder bleiche Knochen umschließt, Küsse heftest und indem du mit einer Handbewegung befiehlst, daß jedermann in der Runde, sogar – schändlicherweise! – den ranghöchsten Monarchen, die Buchstaben und Abbildungen einer goldgeschmückten Handschrift oder ein Stück von einem alten Schuh und einer klaffenden Hirnschale oder ein über und über mit schwarzem Blut besudeltes Leinentüchlein gleichfalls zum Kusse gereicht werden. Indem du bald sitzt, bald stehst, dir bald an die teilnahmslose Brust schlägst, schließlich die Handflächen kreuzweise aneinanderlegst und in Richtung auf die Zuhörer unartikuliertes Gemurmel ausstößt, nachdem du die Luft ins Leere hinein mit drei Kreuzen bemalt hast. Ich sage: man darf kein Possenspiel treiben, sondern muß mit lebendiger Stimme lehren. Solche Pantomimen wollten seinerzeit weder der Lehrer selbst noch die Scharen der Apostel. Sie haben den Dienern das Wort und die Lehre und die Erforschung der Schrift anempfohlen und ihnen schließlich ans Herz gelegt, alles aufzubauen und in der großen Mehrzahl Propheten zu sein und dafür zu sorgen, daß Gottes Wort überall in reicher Fülle fließt, so daß jeder leicht in der Lage ist, seines Nächsten Lehrer zu sein. Nachdem aber schrecklicher Ehrgeiz,

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<145> Invidia et vehemens cepit[34], magna et sitis auri
Heroasque opibus studuerunt vincere summos
Elatisque animis fastuque et divite luxu
Et mundi vanum pluris fecere favorem
Quàm Christum, quàm et Apostolicae mandata cohortis
Quàmque ministerii commissi coelica iura,
Omnia pessum abiere sacra extinctusque docendi
Fervor. Praecipui rebus studuere prophanis
Agricolae, pinguis capti nidore culinae,
Ducentes pulchrum, circum praetoria regum
Versari assiduè, in templis sed turpe videri
Sordidaque abiecti tractare negotia Christi.
Interea indoctos, elingues et mage stivae
Quàm doctrinae aptos, ignaros denique Christi
Pro se substituere gregi. Tum ludicra plenis
Edita sarracis, partim planè ethnica, partim
Corruptis ex Iudaicis deprompta lacunis,
Ut iam non doctor doceat, sed ludio ludat
Et tanquam mutus tradat mysteria gestu.
Te doceat prima integros Ecclesia ritus.
Nec te consensus moveat per saecula magnus,
Quin fontes ipsos adeas, populique procures
Utile, noticiae coniunctum quod sit IESU.
Utile erit populo, nota si voce loquaris
Omnia nec Cereris veluti mysteria celes
Quaedam, ita et abiicias Christo assertore redemptos
Tanquam indignos qui norint velutique prophanos.
Quo quid (iuste Deus!) sceleratius improbiusque?
Servus herum spernat? populum dominumque minister?
Tecum una psalmos cantet laudetque Tonantem.

heftige Mißgunst und große Gier nach Gold von hochangesehenen Pflanzern Besitz ergriffen haben, nachdem diese sich bemühten, die größten Persönlichkeiten hinsichtlich Reichtum, erhabener Denkungsart, Hoffart und üppigem Luxus zu übertreffen, und die eitle Gunst der Welt ihnen mehr wert war als Christus, [mehr wert] auch als die Gebote der Apostelgemeinde, als die himmlische Satzung des ihnen aufgetragenen Dienstes, sind alle geistlichen Dinge zugrunde gegangen, ist der glühende Eifer zum Lehramt erloschen. Betört vom Duft einer üppigen Küche haben sich hervorragende Landbauer auf weltliche Dinge geworfen: sie erachteten es als etwas Vortreffliches, ständig Königspaläste zu umkreisen, hingegen als etwas Scheußliches, sich in der Kirche sehen zu lassen und die armseligen Geschäfte des verachteten Christus zu besorgen. Unterdessen setzten sie der Gemeinde an ihrer Stelle wissenschaftlich ungeschulte, in der Rede unbeholfene, eher für den Pflugsterz als für das Lehramt taugliche und vollends Christi unkundige Leute vor. Da wurde aus vollgefüllten Lastwagen Tändelkram hervorgeholt, der teils schlechterdings heidnisch, teils dem verkommenen jüdischen Sumpf entlehnt war, so daß heute kein Lehrer lehrt, sondern ein Mime mimt und die Mysterien – so als sei er stumm – auf gestische Weise vorträgt. Darin, was unverdorbene Riten sind, lasse dich von der Urkirche belehren! Und auch die große Übereinstimmung in den Auffassungen, die über Jahrhunderte hinweg bestanden hat, hindere dich nicht daran, die Quellen selbst aufzusuchen und für den mit der Kenntnis Jesu für das Volk verbundenen Nutzen Sorge zu tragen. Es wird für das Volk von Nutzen sein, wenn du alles in einer ihm bekannten Sprache vorträgst und nicht gewisse Dinge wie die Mysterien der Ceres im verborgenen hältst und dergestalt diejenigen, die der Retter Christus erlöst hat, verwirfst als gleichsam des Wissens Unwürdige und Gottlose. Was, o gerechter Gott, ist verbrecherischer und ruchloser als dies? Soll der Knecht den Herrn verachten? Der Diener sein Volk und seinen Herrn? Mit dir zusammen singe es Psalmen und lobe es den Donnerer.

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<146> Et quaecunque ex te patulas accepit in aures,
Ruminet et modulis verbisque suavibus aptet
Concordique Deo voce atque animo occinat hymnos
In coetu atque domi, medios interque labores.
Nec tu commodius verbum Christumque salutis
Severis autorem cordique insculpseris imo.
     Sint certi festique dies horaeque statutae,
Plebs quibus auditum divini oracula[35] verbi
Conveniat refricetque fidem firmetque subinde
Et Christi recolat mortem, peccata fatendo.
Illius erectis animis et corpus edendo
Symbolico pane et vino, renovetque sub ipso
Turbata interea fraternae foedera pacis,
Concordique Deum pro cunctis mente precetur,
Porrectaque stipem dextra depromat egenis.
Haec exercitia et pia sunt, et iussa secundum,
Christigenumque gregis redolent vestigia primi,
Ad quae constitui certas horasque diesque
Flagitat ipsa fides rerumque venustior ordo.
Non ita constituas tamen, ut sit omittere culpa,
Urgentes aliud si res suadentque voluntque.
Divinum si quos spiramen rexerit, ipsi
Discernent humana inter divinaque spontè
Et cupidè pia te statuentem et recta sequentur.
Ast illusores nemo correxerit unquam,
Concava coniicias licet in mortaria vinctos
Pistilloque gravi tundas, est doctus ut olim
Tusus Anaxarchus per Nicocreonta tyrannum.
Non igitur tibi sint illorum murmura curae
Nec ronchi nec facta adeò. Pius unus adhaerens

Und was immer es von dir offenen Ohres aufgenommen hat, das bewege es in seinem Herzen und forme es zu süßen Weisen und Worten, und einstimmig und einmütig lasse es in der Gemeinde und zu Hause und mitten in der Arbeit Gott Lobgesänge erschallen. Du könntest das Wort und Christus, den Stifter des Heils, nicht auf trefflichere Weise einsäen und tief ins Herz einprägen.
     Es soll bestimmte Feiertage und festgesetzte Stunden geben, zu denen sich das Volk zur Anhörung der Verkündigungen des göttlichen Wortes versammelt, seinen Glauben auffrischt und immer wieder bekräftigt und unter Bekenntnis seiner Sünden erneut des Todes Christi gedenkt. Und nachdem es seinen Geist aufgerichtet hat durch den Verzehr seines in Brot und Wein symbolisierten Leibes, möge es unter dessen Einwirkung die mittlerweile zerstobenen Bündnisse brüderlichen Friedens erneuern, einmütig für alle Menschen zu Gott beten und den Armen mit ausgestreckter Hand ein Almosen reichen. Diese Übungen sind fromm und den Geboten entsprechend und duften nach den Spuren der frühesten Christengemeinde; der Glaube selbst und eine gefälligere Ordnung der Dinge erfordern es, daß man für sie bestimmte Stunden und Tage festsetzt. Lege sie aber nicht in der Weise fest, daß es eine Sünde wäre, sie zu übergehen, wenn dringende Geschäfte anderes nahelegen und erheischen. Menschen, die geleitet werden vom Heiligen Geist, werden selbst, von sich aus, Menschliches von Göttlichem unterscheiden und sich dir begierig anschließen, wenn du fromme und schickliche Regeln aufstellst. Spötter aber wird kein Mensch jemals bessern, mag man sie auch gefesselt in die runde Höhlung eines Mörsers werfen und mit einem schweren Stößel so zerstampfen, wie seinerzeit der gelehrte Anaxarchus durch den Tyrannen Nikokreon zerstampft wurde. Kümmere dich also nicht gar so sehr um deren Gemurmel, Genäsel und Tun. Ein einziger Frommer, der fest zu dir hält,

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<147> Pluris apud te sit quàm millia multa malorum.
Tu Christo sanctisque probes tua munera; porrò
Displicuisse malis, ea demum maxima laus est.
Omnes hortator sanè, ut stata tempora servent,
Ad verbumque Dei veniant et sacra frequentes
Nec temerè abiiciant ipsorum ad commoda ritus
Dispositos, ne sustineat quis ruptor haberi
Ordinis et pacis scabiemque suam affricet exlex
Omnibus et praeter causam offensacula ponat.
Vim tamen haud ulli facito, nam cogere pravum est.
In bene dispositis rectà tu pergito tantum.
     Lampadas accendi clara sub luce diei,
Vana superstitio rutilique iniuria Phoebi est.
Nam cur significent? tanti quae commoda sumptus?
Praemia pro nugis quis pollicitus Deus unquam?
Quid nos Mosaici sequimur vestigia cultus?
Quidve placent Vestae nobis gentilis honores?
Utere candelis, decorent funalia templum,
Phoebus ad Antipodas pronis dum fertur habenis
Crassasque inducit nostris regionibus umbras.
Utere, si noctu populi conventus habendus,
Quod tamen intentis fugiendum censeo nervis.
Nam quis somniferae nescit ludibria noctis?
Sat spacii, nostro dum sol versatur in orbe,
Ut coetum cogas, doceas et sacra ministres.
Ne te nequicquam noctu populumque fatiges.
     Si qua lues aderat rapiens pecudesque hominesque,
Si quid prodigii pavidam concusserat urbem
Consiliisque ducum strati si fortiter hostes,
Ethnica barbaries ad pulvinaria divûm

sei dir mehr wert als viele tausend Bösewichter. Gewinne du mit deiner Amtstätigkeit den Beifall Christi und der Heiligen; bei den Bösen Mißfallen erregt zu haben, bedeutet gerade höchstes Lob. Fordere immerhin alle auf, die festgesetzten Zeiten einzuhalten, zahlreich zum Wort Gottes und zum Gottesdienst zu erscheinen und die zu ihrem eigenen Besten eingerichteten Riten nicht leichtfertig fahrenzulassen, damit niemand den Ruf auf sich lädt, ein Verletzer von Ordnung und Frieden zu sein, und als ein Gesetzloser alle mit seiner Krätze ansteckt und grundlos Anstöße schafft. Tue aber ja niemandem Gewalt an, denn Zwang ist etwas Verkehrtes. Fahre nur geradlinig fort in deinen wohlgeordneten Geschäften!
     Am hellichten Tage Lampen anzuzünden, ist ein eitler Aberglaube, eine Kränkung des goldenen Phoebus. Wieso sollten sie denn etwas zu bedeuten haben? Was ist der Nutzen so großen Aufwands? Wem hat Gott jemals Lohn für Nichtigkeiten versprochen? Warum folgen wir den Spuren des mosaischen Gesetzes? Oder warum gefällt es uns, der heidnischen Vesta zu huldigen? Benutze Kerzenlicht, laß die Kirche von Fackeln erstrahlen, solange Phoebus mit geneigten Zügeln zu den Antipoden fährt und unsere Landstriche in dichtes Dunkel hüllt. Benutze Kerzenlicht, wenn sich die Gemeinde bei Nacht versammeln soll – wogegen man sich aber meines Erachtens mit aller Kraft sträuben muß. Wer kennte denn wohl nicht das Blendwerk der schläfrig machenden Nacht? Du hast genug Zeit, die Gemeinde zu versammeln, zu lehren und Gottesdienst zu halten, wenn die Sonne über unser Himmelsrund fährt. Strapaziere nicht dich und die Gemeinde nutzlos bei Nacht!
     Wenn etwa eine Seuche ausgebrochen war, die Mensch und Vieh dahinraffte, wenn irgendein Wunderzeichen eine Stadt in Furcht und Schrecken versetzt hatte, wenn durch Maßnahmen der Fürsten die Feinde mit Macht zu Boden geschlagen worden waren, dann zollte heidnisches Barbarentum bei allen Polsterlagern der Götter

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<148> Omnia solvebat grates ibatque precatum
Suppliciis, nunc ad castae delubra Dianae,
Nunc Veneris, nunc Mercurii Phoebique Iovisque,
Nunc Martis, Iani, Cereris, Iunonis Opisque.
Haec imitere cave! Concedito gentibus istas
Delicias fatuumque precandi linquito morem
Insano capiti, cuius fiducia nusquam
Certa est et stabilis, partes sed vergit in omnes.
Est nobis unus Deus et servator, IESUS,
Qui coelum terramque implet, prasens et ubique est,
Nullis arctaturque locis, terrena nec unquam
Templa colit, quasi in his numen praesentius edat
Ille suum aut certè multum istud praeferat illi.
Audit ubique suos clamantes pectore toto
Nilque spei auxiliique in se vel facta locantes.
Et licet unius sit grata precatio multumque
Efficiat, mage grata tamen violentaque fertur,
Unanimi à coetu pronas quae verberat aures.
Ergo quibus cum, non ubi, quaere, aut quando preceris.
Nec populum per agros duc longaque compita circum
Nec per coenosas facias reptare plataeas,
Surdorum ad delubra deûm simulacraque muta.
Cantibus et precibus non huc spaciator et illuc
Larvali pompa quadam fictoque triumpho.
De fano nec eas in fanum, ut numen adores,
Aede quasi haud flecti possit vel nolit in una.
Quid credas speresque, quibus fiducia rebus
Intima nitatur, luculenter quique docebunt
Assumpti ritus, levis et ceremonia cultus.
Summopere ergo cave, doctrinae ne qua professae

Dank und begab sich zu demütigen Gebeten zum Tempel bald der keuschen Diana, bald der Venus, bald Merkurs, Apollos und Jupiters, bald des Mars, des Janus, der Ceres, der Juno und der Ops. Hüte dich, dies nachzuahmen! Stelle diese Spielereien den Heiden anheim und überlasse ihre alberne Weise des Betens einem aberwitzigen Hirn, das über keinen in sich gefestigten und gesicherten Glauben verfügt, sondern sich nach allen Richtungen neigt. Wir haben [nur] einen einzigen Gott und Erhalter: Jesus, der Himmel und Erde erfüllt und überall gegenwärtig ist, der durch keinen Ort begrenzt wird und niemals [irgendwelche] irdischen Kirchen in der Weise hochschätzt, daß er gewissermaßen in diesen seine göttliche Macht wirksamer spielen läßt oder doch wenigstens diese eine Kirche gegenüber jener stark bevorzugt. Er hört die Seinen überall, wenn sie aus ganzem Herzen zu ihm rufen und keinerlei Hoffnung auf Hilfe in sich selbst oder ihre Werke setzen. Wenn ihm auch das Gebet eines einzelnen willkommen ist und viel bewirkt, so erfährt doch das Gebet, das von einer einträchtigen Gemeinde her an sein geneigtes Ohr dringt, eine noch gnädigere und zupackendere Aufnahme. Frage also nicht danach, mit welchen Menschen, an welchem Ort und wann du betest. Führe auch das Volk nicht durch die Felder und über lange Wege in der Umgebung und laß es auch nicht durch die kotigen Gassen zu Tempeln tauber Götter und stummen Götzenbildern schleichen. Schreite nicht hier und dort unter Gesang und Gebet in einem geradezu gespensterhaften Umzug und gleisnerischen Triumph einher. Ziehe nicht von einer Kirche in die andere, um zu Gott zu beten – so als könne oder wolle er in nur einem einzigen Gotteshaus nicht gnädig gestimmt werden. Was du glauben und hoffen und worauf du in deinem tiefsten Innern vertrauen kannst, das wird recht gut zu erkennen sein an allen Riten, die du dir angeeignet hast, und an einer geringfügigen Zeremonie in deinem Gottesdienst. Nimm dich also höchlich in acht, daß du ja nicht etwas einführst, was der Lehre, die du bekennst,

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<149> Adversa instituas aut respondentia pravè.
Dedecet hoc plus te, quod ritus antè prophanos
Sustuleris teque impietatis dixeris hostem.
Simplicibus paucisque esto contentus et obsta,
Ne quos mordaces mittant in pectora scrupos
Inque superstitionem abeant. Huc omnia sensim
Abripit incautum vulgus panemque salubrem
In tristes vertit Satana suadente cicutas.
Praecepto Domini serpentem fecerat olim
In signum Moses venturi nobile Christi,
Tolleret ut meriti praesentia vulnera lethi.
Quid dicam? Populi tandem impietate scelesti
Coepit adorari thurisque recepit honorem.
Quid referam idolum Michae et Gedeonis inaures?
Ipsi peccarint faciendo talia quamvis
Aedibus in propriis, non tradiderintque popello,
Arripuit tamen exemplum, peccavit et ipse.
Quo magis observa, mediis ne scandala rebus
Ponas, quin media ipsa etiam discerne peritè.
Non media esse queunt, quae sunt annexa prophanis
Et quae nefarius iam pridem polluit usus,
Non nullamque mali speciem retinere videntur.
Nomine quo veteres quosdam defendere ritus
Nec simulacra queas nec caetera ludicra multa.
Sat sumus admoniti, quàm cautè nunc sit agendum,
Quando in deterius vertantur et optima fermè,
Mordicus et teneant etiam deterrima plebes
Gustatamque semel collaudent usque salivam.
Ergo tibi iniiciat quaevis ceremonia curam,
Nec vicinorum capiant tua pectora ritus,

entgegengesetzt ist oder übel mit ihr harmoniert. Dies wird dir um so schlechter zu Gesicht stehen, als du vorher ruchlose Riten beseitigt und dich als einen Feind der Gottlosigkeit bezeichnet hast. Begnüge dich mit schlichten und wenigen Dingen und verhindere es, daß sie die Herzen mit irgendwelchen nagenden Zweifeln heimsuchen und in Aberglauben ausarten. Die unbesonnene Menge treibt allmählich alles auf diesen Punkt und verwandelt das heilbringende Brot unter dem Einfluß Satans in grausigen Schierling. Auf Geheiß des Herrn verfertigte Moses dereinst eine Schlange – als edles Sinnbild Christi, der einst kommen würde, um die schnell wirkenden Geschosse des verdienten Todes zu vernichten. Was soll ich sagen? Am Ende begann das Volk, sie in ruchlosem Frevel anzubeten und ihr mit Weihrauch zu huldigen. Wozu soll ich das Götzenbild Michas und die Ohrringe Gideons erwähnen? Obwohl sie mit der Anfertigung von derlei für sich selbst, im eigenen Hause, sündigten und es nicht ins Volk trugen, nahm dieses sich doch ein Vorbild daran und sündigte seinerseits. Um so mehr sei auf der Hut, daß du nicht mit harmlosen Dingen Anstöße schaffst, ja stelle eben gerade mit kundigem Blick fest, was harmlos ist. Dinge, die mit Gottlosem verknüpft sind, die ein ruchloser Brauch längst schon besudelt hat und die offenbar noch einen beträchtlichen Anstrich von Üblem aufweisen, können nicht harmlos sein. Unter diesem Vorwand kannst du weder gewisse alte Riten noch Götzenbilder noch die vielen sonstigen Possen rechtfertigen. Wir sind genugsam darauf hingewiesen worden, mit welcher Vorsicht heute zu Werke gegangen werden muß, da in der Regel auch das Beste sich ins Schlechtere verkehrt und das Volk sogar an dem Schlechtesten verbissen festhält und den einmal gekosteten Schleim fortgesetzt belobigt. Also bereite dir jede Zeremonie Kopfzerbrechen! Laß dein Herz nicht so von den Riten der Nachbarn einnehmen,

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<150> Ut tibi constituas illos omnino tenendos,
Quamvis vicini poscant dicantque cerebri
Te solum indomiti morosique atque protervi,
Quidam pro nugis ut digladiantur acerbè.
Accipe, quae populoque locoque tuo apta videbis.
Non eadem vicis populosisque urbibus unquam
Conveniunt. Hîc quod prodest, multum officit illic.
Quod decet hunc coetum, contrà mox dedecet illum.
Ut non foecundas profert Germania ficus
Nec mites oleas nec saccara et aurea mala,
Omnia, quae propriis veniunt cultissima terris,
Utque eadem nec ubique agros vitesque colendi
Est ratio nec idem diversis utile terris,
Omnia pro victu quamvis curentur ubique:
Non ita conveniet compar ceremonia cunctis
Personas propter varias moresque locosque,
Aeternae una licet ratio sit posta salutis,
Omnibus una fides, unum baptisma, synaxis
Corporis una sacri, maneat substantia rerum.
Accidit at quicquid, primum non discrepet illi,
Dein mutare licet, sicut conducere plebi
Doctrinaeque vides. Nec opus, suffragia magnae
Ut maneas synodi. Quid enim? Quum credita verbi
Cura tibi Christum censito nosse fidemque,
Num viles tibi sit nugas mutare negatum?
Nec temerè, verùm causa mutare salutis,
Quo melius Christum, divinaque caetera purè
Promoveas? Fuerit magna haec iniuria certè,
Ast hac iam servi tamen afficiuntur IESU.
Qua de re nunc tam funesta tragoedia fervet?

daß du beschließt, sie zur Gänze zu übernehmen, mögen die Nachbarn dies auch verlangen und behaupten, du seist nur ungefügen, eigensinnigen und heftigen Geistes – so wie manche Leute, die um Lappalien harte Kämpfe ausfechten. Übernimm das, was du als deiner Gemeinde und deiner Gegend angemessen erkennen wirst. Für Dörfer und volkreiche Städte ist niemals das Gleiche gut geeignet. Was hier nützt, ist dort sehr hinderlich. Was sich für diese Gemeinde geziemt, gereicht jener hingegen alsbald zur Schande. So wie Deutschland keine ergiebigen Feigenbäume, keine milden Oliven, keinen Zuckersaft und keine goldenen Äpfel hervorbringt – was alles in seinen Heimatregionen aufs prächtigste wächst – und wie nicht überall Äcker und Weinstöcke nach der gleichen Methode kultiviert werden und für verschiedene Böden nicht alles gleich zuträglich ist, obwohl ihre Bestellung überall der Ernährung dient, ebenso wird sich – wegen des Unterschieds der Charaktere, Sitten und Gegenden – die gleiche Zeremonie nicht für alle eignen, obwohl nur eine einzige Methode, das ewige Heil zu erlangen, festgesetzt wurde, obwohl allen der Glaube, die Taufe und das heilige Abendmahl gemeinsam sind und das Wesentliche unberührt bleibt. Doch was immer zu ihm hinzutritt, stehe mit ihm erstens nicht im Widerspruch; zweitens darf es so geändert werden, wie es nach deinem Erkenntnisstand dem Volk und der Lehre frommt. Es ist auch nicht nötig, das Urteil einer großen Synode abzuwarten. Wie denn? Dir wurde doch – als jemandem, von dem man meint, er kenne Christus und den Glauben – die Fürsorge für das Wort anvertraut: und da sollte es dir verwehrt sein, simple Bagatellen abzuändern? Verwehrt, sie nicht grundlos, sondern um des Heils willen abzuändern, um so der Ausbreitung Christi und aller übrigen göttlichen Belange auf schlechthin wirksamere Weise dienlich zu sein? Das möchte gewiß eine große Kränkung sein. Eine solche tut man aber jetzt den Knechten Jesu an! Worum geht es denn bei dem heute mit Hitze betriebenen unheilvollen Trauerspiel?

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<151> Num veterum fidei velluntur symbola patrum?
Diagorae nunquid, num Epicuri dogmata surgunt?
Num pater aut gnatus iusto spoliantur honore?
Albo divinae triadis num spiritus almus
Eiicitur gnatique simul non esse docetur?
Num personarum distinctio iusta negatur?
Num pravi mores contra divina seruntur
Dogmata? num fertur defunctos surgere nullos?
Tale nihil crudos hac tempestate tumultus
Excitat, haec propter Colchos ista haud petit Argo,
Nec cupit ista manus Troianum excindere regnum!
Est aliud vellus, formosior altera longè
Tyndaris, obryzi nempe auri multa talenta,
Quae peperere hominum nugae commentaque prava,
Impietas, cultus, ritus stultique cuculli.
Iam quando radios divinae lucis et ipsum
Aspectum veri nequeunt perferre potentis,
Ringuntur delecti Heroes pelliculamque
Tam magni precii totis acquirere nervis,
Quin retinere student Helenamque ita linquere pulchram
Censent esse nefas et damnum ventribus ingens.
Depugnant igitur flammis constanter et ense.
Quis non miretur? quis non intelligat altum
Consilium Satanae regnique inamabilis artes?
Commentis hominum et turpi praecordia quaestu
Occupat et fieri salvos ni posse retentis
Denegat, ut vires nobis atque ocia restent
Nulla, caput quo ipsum et summam spectemus Iesum,
Quo fors praeterito novit fore caetera nauci.
Non bene multa simul curantur. Ponimus et si

Werden etwa die Glaubensbekenntnisse der alten Väter ausgerottet? Es treten doch wohl nicht etwa die Lehren eines Diagoras oder Epikur auf den Plan? Werden etwa der Vater oder der Sohn der ihnen gebührenden Ehre beraubt? Wird vielleicht der segenspendende Heilige Geist von der Liste der göttlichen Dreifaltigkeit gestrichen und wird zugleich gelehrt, daß der Sohn keinen Anteil an ihm habe? Wird etwa die zutreffende Unterscheidung zwischen ihren Wesenheiten geleugnet? Werden etwa gegen die göttlichen Lehren schlimme Sitten gesät? Wird etwa verkündet, es gebe keine Auferstehung der Toten? Nichts dergleichen ist es, was in diesem Zeitalter rohen Kriegslärm erregt, nicht um dessentwillen fährt diese Argo nach Kolchis, brennt diese bewaffnete Macht darauf, das trojanische Reich zu zerstören! Es geht um ein anderes Vlies, eine Tyndaride, die weitaus schöner ist als die erste: um viele Talente geläuterten Goldes nämlich, die erworben wurden mit menschlichen Flausen, schlimmen Erdichtungen, Gottlosigkeit, Kulten, Riten und albernen Kutten. Da ferner die auserlesenen Helden die Strahlen des göttlichen Lichts und den Anblick der machtvollen Wahrheit selbst nicht zu ertragen vermögen, fletschen sie die Zähne und bemühen sich mit aller Kraft, ein Fellchen von so hohem Wert zu gewinnen, ja sogar für sich zu behalten, und sind der Auffassung, daß es ein Frevel und ein ungeheurer Verlust für ihre Bäuche wäre, eine so schöne Helena fahrenzulassen. Also kämpfen sie beharrlich auf Leben und Tod mit Feuer und Schwert. Wer verwunderte sich darob nicht? Wer erkennte darin nicht eine verborgene Absicht Satans und Anschläge seines widerwärtigen Regiments? Er hält die Herzen der Menschen besetzt mit Lügen und schnödem Profit und behauptet, daß sie das Heil nur erlangen könnten, wenn sie an diesen festhielten, so daß uns Kraft und Muße fehlen, um unseren Blick auf die Hauptsache selbst und das Wesentliche, Jesus nämlich, zu richten. Wie er weiß, ist alles übrige keinen Pfifferling wert, wenn man diesen etwa übergeht. Man kann sich nicht gut um vielerlei gleichzeitig kümmern. Und wenn wir

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<152> In vestes, aras, cantus, vexilla crucesque
Inque alias nugas pietatem spemque salutis,
Ut magno nunc fit strepitu manibusque cruentis,
Ut scelus immensum ducatur tollere quicquam
Aut fidei causa mutare hominumque locorumque,
An dubitas pessum divina ire atque relinqui?
Iudaeos quod apud Pharisaeis contigit olim?
Quae tu cunque tenes statuisque aut denique mutas,
Ad Christum solidamque fidem tua dirige vela.
Tende huc remigio, si fortè negabitur aura.
Nec te Sirenes aliò nec plurima ponti
Monstra trahant nec flans adversum turbidus Auster.
Ò quantos olim feret haec industria fructus!
Gaudebis quantum et populus tibi creditus olim,
Quum iam contigerint optatum carbasa portum!
Non consumpta procis armenta gregesque dolebis
Nec prorsum ignotus venies, nec prima subulcus
Tecta dabit, nec erit catulorum turba molesta,
Nec tibi post praesens restabunt altera tandem
Bella domi, sed te vultu super omnia laeto
Excipiet pater, et venienti occurret IESUS
Teque satis notum cupidis gestabit in ulnis
Inque sinu molli placidaque quiete fovebit,
Applaudet laetum coelorum exercitus omnis,
Clarior et Phoebo supera fulgebis in aula
Et lauta Christi semper dignabere mensa.
Ergo age, vivendi Lachesis dum stamina torquet,
Non vanis mundo tricis apinisque pudendis,
Sed Christo da operam ut placeas, illius honorem
Sana promoveas doctrina iugiter, illi

auf Gewändern, Altären, Gesängen, Fahnen und Kreuzen und anderem Schnickschnack unsere Frömmigkeit und Heilserwartung aufbauen, wie es heute unter großem Getöse und mit blutigen Händen geschieht, so daß es als ein ungeheures Verbrechen gilt, etwas davon abzuschaffen oder um des Glaubens, der Menschen und der Gegend willen zu verändern – kannst du da noch zweifeln, daß die göttlichen Dinge zugrundegehen und im Stich gelassen werden, wie es einst den Pharisäern bei den Juden zugestoßen ist? Was immer du beibehältst, festsetzt oder schließlich abänderst: richte deine Segel nach Christus und dem unverfälschten Glauben aus! Wenn etwa der Wind sich verweigert, so suche mit dem Ruderwerk dorthinzukommen. Weder die Sirenen noch die sehr zahlreichen Meeresungeheuer noch ein stürmischer Süd, der dir entgegenbläst, mögen dich auf einen anderen Kurs lenken. O, wie große Früchte wird dieses energische Handeln einst zeitigen! Wie sehr wirst du frohlocken – und zugleich das dir einst anvertraute Volk –, sobald die Segel endlich den ersehnten Hafen erreicht haben werden! Es wird dir nicht leid tun um die Herden von Großvieh und Kleinvieh, die die Freier verzehrt haben; du wirst auch nicht als völlig Unbekannter kommen und zuerst von einem Schweinehirten beherbergt werden; es wird keine lästige Meute junger Hunde geben, und schließlich werden dir nach den gegenwärtigen Kämpfen zu Hause keine neuen bevorstehen. Vielmehr wird dich der Vater mit unendlich heiterem Antlitz empfangen, und Jesus wird dir, wenn du kommst, entgegeneilen, dich als einen guten Bekannten in herzlicher Umarmung mit sich führen und dich an seinem sanften Busen und in friedvoller Stille erquicken. Alle himmlischen Heerscharen werden fröhlich Beifall klatschen, und heller als die Sonne wirst du im Himmelspalast erstrahlen und für alle Zeit der stattlichen Tafel Christi für würdig befunden werden. Auf also! Solange Lachesis dir den Lebensfaden spinnt, bemühe dich, daß du nicht der Welt – mit eitlen Flausen und schändlichen Possen –, sondern Christus wohlgefällst und mit der unverdorbenen Lehre immerfort seinen Ruhm beförderst, ihm

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<153> Adducas populum constanti limite veri,
Signorumque usu sanctorum et ritibus aptis
Ad verae studium pietatis et optima factu.
     Debeat esse foris quae disciplina popelli,
Dicere nunc restat. Verùm hoc iam diximus antè
Paucis. Tum mores facilè contraria tradunt,
De quibus admonui, posita et bis brassica mors est.
Tu vigila pro te, pro verbo, pro grege semper,
Ne quid turbarum moveat regnator Averni,
Qui stat in insidiis et corde requirit anhelo,
Quem voret et structum bene quà subvertere possit.
Quid prodest, sumptu magno duroque labore
Vinea si sit culta tibi, vindemia dives
Sperari unde queat, si non circundare cures
Maceriam saxo aut spinosa moenia sepe,
Ne fors praedatrix absumat belua fructus,
Conculcet vites intercipiatque laborem?
Si non aedifices turrim tugurive latebras,
Arceat unde vigil volucres furesque rapaces,
Nulli custodes quibus aut munimina possunt
Esse satis, quin cuncta ungui praedentur adunco?
Ne Satanam speres segni torpere veterno!
Nullae adeò volucres, nulli (gens pessima) fures
Tam miserè cupiunt alienos carpere fructus,
Quàm vitae Satanas autorem extinguere Christum
Omnesque agricolûm sudores reddere cassos.
Quare non solum nobis sunt recta serenda,
Verùm etiam retinenda manu tutandaque doctè.
Porrò in tutando mores servabis eosdem,
Quos in plantando vel vepribus extirpandis

das Volk zuführst auf dem unveränderlichen Weg der Wahrheit, durch den Gebrauch der Sakramente und durch Riten, die dem Streben nach wahrer Frömmigkeit und bestem Handeln dienlich sind.
     Es bleibt uns nun noch, zu sagen, wie draußen die Zucht des Volkes sein muß. Doch dies haben wir oben schon mit wenigen Worten gesagt. Ferner kann man sittliches Verhalten leicht aus seinem Gegenteil lernen. Hierauf habe ich schon mahnend hingewiesen – und zweimal aufgetischter Kohl ist tödlich! Sei du für dich, für das Wort und die Gemeinde ständig auf der Wacht, damit der Herrscher der Hölle, der auf der Lauer liegt und mit lechzendem Herzen sucht, wen er verschlingen und wo er Wohlerbautes umstürzen kann, keinerlei Aufruhr anstiftet. Was nützt es dir, einen mit großem Aufwand und harter Arbeit kultivierten Weinberg zu besitzen, von dem eine reiche Lese erhofft werden kann, wenn du nicht dafür sorgst, daß er mit einer Mauer aus Stein oder einer Dornenhecke eingefriedet wird, damit nicht etwa ein auf Beute ausgehendes Tier die Trauben abfrißt, die Weinstöcke niedertritt und die Arbeit zunichte macht? Wenn du keinen Anstand oder keinen Verschlag zum Verstecken errichtest, von wo aus ein Wächter die Vögel, jene raublüsternen Diebe, abwehrt, für die es gar nicht genug Wächter und Schutzvorrichtungen geben kann, um sie daran zu hindern, alles mit einwärts gekrümmter Kralle zu plündern? Hoffe nicht darauf, daß Satan in trägem Phlegma erstarrt ist! Keine Vögel und keine Diebe (diese übelste Sippschaft!) sind so leidenschaftlich darauf versessen, fremde Früchte abzupflücken, wie Satan darauf brennt, Christus, den Schöpfer des Lebens, auszutilgen und allen Schweiß der Landbauer zunichte zu machen. Deshalb dürfen wir das Gute nicht nur einsäen, sondern müssen es auch in geschickter Abwehr bewahren und sichern. Bei der Sicherung wirst du dich nun aber genauso verhalten, wie sich unseren Darlegungen zufolge treffliche Pflanzer beim Anbau oder beim Ausreuten von Dorngestrüpp

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<154> Diximus eximiis servandos esse colonis.
Ne te praecipitet furor aut ferventior ira
Neu cuiusquam odium nec amor nec propria causa,
Impetus ut ferat extra oleas revomendaque dicas.
Nil fit ab iratis bene et ambitione gravatis;
Debita transiliunt fermè perversaque patrant.
Quid faciant sacris? Conspurcant omnia coeno
Et Christi causam non Christi more tuentur,
Quod nostra nimium iam tempestate receptum est.
Ira sed quid opus? quid vipereoque veneno?
Quid maledictorum multas effundere cuppas?
Non ita defendi Rex mansuetissimus ambit.
Produc scripturas, argumentis age firmis.
Pareat et verbis vultuque modestia Christo
Digna. Simul precibus summum implorato Tonantem
Pastoremque ipsum, cuius tu servus, IESUM,
Unicum ut ipse gregem synceraque pabula servet.
Adversum ora lupi si nil profeceris istis,
Rem totam committe Deo. Laudabile nunquam
In servo fuerit, si rem plus egerit ullam
Aut aliter, dominus quàm iussit. Nunc rabiosi
Perfuriunt quidam, ceu doctrinamque fidemque
Et sacra signa animasque hominum terramque polumque
Ipsis mancupio dederit moderator Olympi.
Quantumcunque queas, horum vestigia vita
Adque Dei praescripta tuos dispone labores.
     Hoc quoque es, ô noster, tandem post multa monendus,
Ut, licet Agricolae perfungi munere possis
Viva voce, ut prima Dei mandata requirunt,
Si tamen est doctrina et coelo intelligis alto

zu verhalten haben. Laß dich nicht durch Wut oder allzu hitzigen Zorn oder aus Haß oder Liebe zu irgend jemandem oder aus einem persönlichen Interesse dazu hinreißen, daß Ungestüm dich aus der Bahn wirft und du etwas sagst, was man wieder ausspeien muß. Von Zornigen und von Menschen, die Ehrgeiz treibt, kommt nichts Gutes; in der Regel schießen sie über das hinaus, wozu sie verpflichtet sind, und richten Schlimmes an. Was bewirken sie in den geistlichen Dingen? Sie besudeln alles mit Unflat und verteidigen Christi Sache nicht auf Christi Art – was in unserem Zeitalter allzu sehr in Schwang gekommen ist. Doch wozu bedarf es des Zorns? Wozu schlangenmäßigen Giftes? Wozu muß man viele Kübel mit Schmähungen ausgießen? Der mildeste aller Könige wünscht nicht, daß man ihn auf diese Art verteidigt. Führe die Schrift ins Feld, betreibe deine Sache mit unerschütterlichen Beweisgründen! Deine Worte und deine Miene mögen eine Christi würdige Besonnenheit offenbaren. Flehe im Gebet zu dem höchsten Donnerer und gleichzeitig zu dem Hirten selbst, dessen Knecht du bist, Jesus nämlich, daß er selbst die einzigartige Herde und ihre unverdorbenen Futterkräuter erhalten möge. Wenn du hiermit gegen den Rachen des Wolfs nichts ausrichten kannst, gib deine Sache völlig in Gottes Hand. Man wird es nie an einem Knecht loben können, wenn er bei irgendeinem Auftrag mehr tut oder anders vorgeht, als der Herr ihn geheißen hat. Heutzutage wüten manche Leute fort und fort mit solchem Ingrimm, als habe der Lenker des Himmels Lehre und Glauben, die Sakramente, die Seelen der Menschen und Erde und Himmel ihnen selbst, als ihr persönliches Eigentum, überlassen. Meide die Fußtapfen dieser Leute, soviel du nur vermagst, und orientiere deine Arbeiten an den Geboten Gottes.
     Nächst dem vielen anderen müssen wir dich, o unser [Pflanzer], endlich auch zu folgendem ermahnen: gewiß kannst du dein Amt als Landbauer, wie es die Gebote Gottes in erster Linie erheischen, mittels deiner leibhaftigen Stimme ausüben; wenn du jedoch über Gelehrsamkeit verfügst und feststellst, daß dir vom hohen Himmel

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<155> Tradita dona tibi, calamo ut servire diserto
Permultis liceat, nec iis tantummodo notis,
Verùm etiam ignotis alioque sedentibus orbe,
Et prodesse haud solum isto viventibus aevo,
Sed seris etiam fortasse nepotibus, id quod
Ruris procurant etiam plerunque coloni,
Ne qua diffugias piger et prodesse moreris.
Te Domino totum lingua manibusque sacrasti.
Peccas, si totum te non impendis eidem,
Si non posteritas fuerit tibi candida curae.
Hîc ne perpendas, frustratum aliquando laborem,
Protinus et charae ventura pericula famae,
Quae maiora solent conscriptis surgere libris.
Namque tui ponendus amor rerumque tuarum
Adque Deum ingenii referenda industria tantum.
Nec viva semper succedunt voce labores,
Proxima et invidiae Christi confessio sana est,
Sivè ministerio linguae vocisque sonantis,
Seu docto fiat calamo scriptisque libellis,
Quod te principiò non ignorare necesse est.
Num veri pudeat te et Servatoris IESU?
Num tu formides surgentia mille pericla?
Non gregis hoc sancti, nedum pastoris, ovile
Cuius commissum curae verbumque fidesque.
Num metus Antoni, literis idcirco fatentis
Non mandare sua, ut, si quando posceret usus,
Dicta negare prius diversaque dicere posset,
Te cruciet, statuas ut libros edere nullos?
Impia cum falsis nullosque ferentia fructus
Nec dicenda unquam tibi nec scribenda putamus.

die Gabe verliehen worden ist, sehr vielen Menschen – nicht nur denen, die du kennst, sondern auch denen, die dir unbekannt sind und in einem anderen Land wohnen – mit gewandter Feder zu dienen und hiermit durchaus nicht nur den Zeitgenossen, sondern vielleicht auch den späten Enkeln nützlich zu sein (worauf die Pflanzer auch meist bedacht sind), dann entziehe dich dem nicht etwa träge und säume nicht, dich nützlich zu machen. Du hast dich dem Herrn ganz geweiht – mit deiner Zunge und deinen Händen. Du begehst eine Sünde, wenn du dich nicht ganz für ihn verausgabst, wenn dir die Integrität der Nachwelt nicht am Herzen liegt. Denke hierbei nicht soviel darüber nach, daß deine Arbeit eines Tages vielleicht umsonst sein könnte und deinem teuren Ruf alsbald Gefahren drohen – die Gefahren, die sich aus dem Bücherschreiben ergeben, sind gewöhnlich nicht gering. Du hast nämlich Eigenliebe und Ichbezogenheit abzulegen und die Emsigkeit deines Geistes nur Gott zu widmen. Auch die Anstrengungen, die man mündlich unternimmt, sind nicht immer von Erfolg gekrönt, und das lautere Bekenntnis zu Christus begegnet sehr leicht der Mißgunst, ob es nun abgelegt wird mit Hilfe der Zunge und der tönenden Stimme oder vermittels einer geschulten Feder und der Abfassung von Büchern. Hierüber mußt du dir von Anfang an im klaren sein. Schämst du dich etwa der Wahrheit und des Retters Jesus? Graust es dich etwa vor der Heraufkunft von tausenderlei Gefahren? Dies steht schon einer frommen Herde nicht an, geschweige denn dem Hirten, dessen Fürsorge der Schafstall, das Wort und der Glaube anvertraut worden sind. Quält dich bei deinem Entschluß, keine Bücher zu veröffentlichen, etwa die Furcht des Antonius, der gestand, daß er seine Angelegenheiten deshalb keinem Brief anvertraue, damit er notfalls in der Lage sei, früher getane Aussagen abzustreiten und das Gegenteil zu behaupten? Unserer Meinung nach darfst du Gottloses, Falsches und keinerlei Nutzen Spendendes jemals weder sagen noch schreiben!

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<156> Ergo prius longo discendum examine verum,
Pulpita quàm scandis sacra componisque libellos.
Si tamen (est agnatus uti mortalibus error)
Exciderit falsi quiddam multumque nocivi,
Curis in melius tractabis deinde secundis.
Nec res dedecori est. Quis enim perfectus ad unguem,
Qui non sit lapsus lingua calamoque manuque?
Num tu fortassis, ne re labaris in ulla
Teque probes hominum communi surgere massa,
Prorsus ages nihil aut dices aut denique scribes?
Hoc verò fatuum est et solis convenit umbris.
Si Christum calles nec deest facundia docto,
Invidus aut tener es, crasso vel ventre pigellus
(Quales heu multi versantur ovilia circum),
Si non impertis, pacto quocunque licebit.
Summus amor veri nec non constantia longè
Maxima cùm verbis, tum scriptis omnibus insit,
Et nullam speres consurgere posse negandi
Causam, vel terras licet obruat arduus aether
Et maria in coelum terraeque ferantur ad astra.
Nec te scribentum detrudat copia retro,
Diffidas ut te inter eos emergere posse.
Nec rationem ineas: „Oh iam scribentium abundè est!
Me quid opus calamum terere et disperdere chartas?“
Hae sunt blandiciae segnis crassique cerebri.
Quò res cunque cadat, nihil intermitte laborum!
Omnibus est labor, haud eventus cura futuri
Tradita. Non inter viventes vivere multos
Nec coenare piget magna coenante caterva.
Multorum hortari, non absterrere labores

Also mußt du dich in weitläufiger Nachforschung der Wahrheit versichern, bevor du die geistliche Kanzel besteigst und Bücher verfaßt. Sollte dir dennoch – da Irren dem Menschen angeboren ist – etwas Falsches und sehr Schädliches entschlüpft sein, so wirst du es in einem nachfolgenden zweiten Anlauf besser abhandeln. Das ist keine Schande! Wer ist denn von makelloser Vollkommenheit? Wer hat sich mit Zunge, Feder und Hand noch nicht vertan? Wirst du vielleicht überhaupt nichts tun, reden, letztlich auch schreiben, um nirgendwo zu straucheln und um nachzuweisen, daß du dich über die gewöhnliche Masse der Menschen erhebst? Dies aber ist eine Albernheit und schickt sich nur für Verstorbene. Wenn du dich in Christus auskennst und es deiner Gelehrsamkeit nicht an Redegewandtheit gebricht, so bist du mißgünstig oder verweichlicht oder träge infolge Dickbäuchigkeit (von solchen gibt es, ach, viele in Umkreis der Schafställe!), wenn du nicht alle die Leistungen erbringst, die dir verstattet sein werden. Allen deinen Worten, ganz besonders aber allen deinen Schriften wohne höchste Wahrheitsliebe und die größtmögliche Beständigkeit inne; und hoffe nicht darauf, daß sich ein Grund für dich ergeben wird, dich zu verweigern, mag auch das hochaufragende Himmelszelt die Erde unter sich begraben und mögen auch die Meere zum Himmel und das Erdreich zu den Sternen auffahren. Laß dich auch von der Menge der Schriftsteller nicht abschrecken, so daß du nicht recht daran glaubst, du könntest dich unter ihnen bemerkbar machen. Denke auch nicht so: „O, es gibt schon viel zu viele Schriftsteller! Wozu ist es nötig, daß ich die Feder abnutze und Papier verderbe?“ Hiermit schmeichelt man nur einem trägen und plumpen Verstand! Wie immer die Sache abläuft: laß nicht nach in irgendeiner deiner Bemühungen! Allen ist aufgegeben, zu arbeiten, doch nicht, für den künftigen Erfolg zu sorgen. Es verdrießt uns auch nicht, unter den vielen Lebenden zu leben und zu speisen, während gleichzeitig eine große Schar speist. Die Arbeiten der Vielen müssen uns ein Ansporn, nicht eine Abschreckung sein,

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<157> Debent, ut libeat torporem expellere tardum,
Pondera ne soli videamur inertia terrae
Et somno pasti frustra consumere fruges.
Nec te rugosae moveant per compita sannae
Et nasutorum praesertim dicta sophorum,
Scribere qui pugnant soli atque esse omnia semper
Et iuvenum ingeniis obstant, liventis adacti
Invidiae stimulis. Plausum retinere theatri
Nempe volunt nullasque ulli concedere partes.
„Ecce novus“, dicent, „nobis ex aethere scriptor,
Aut certè, vero propius quod, prodit ab Horco.
Nunc ingens fuerit discendi copia mundo,
Nunc veteres abeant libri cedantque novellis.
Ergo tibi iam non sapiebant dona Lyaei,
Nec poteras hillis ultra nec vivere lardo,
In mediosque dies altum producere somnum,
Ni tua proferres nobis quoque somnia tandem?
Et mundo cuperes summo innotescere risu?
Quid legerent duri nisi te scribente cacantes?“
Talia mordentes Sardois ora movebunt
Risibus et tua proscindent etiam optima scripta.
Livida te quorum retrahat sententia nunquam,
Quin doctè atque piè scribas, pro viribus et rem
Christi promoveas aque illo praemia speres.
Quaeritur incassum nomen laudesque vietae,
Laudis amor quamvis titillet et optima corda
Et pulchrum ducant digito monstrarier, „Hîc est“,
Et studiosorum passim celebrarier ore.
Si vis laudari multis captasque favorem,
Argumentum aliud studiumque require prophanum.

damit wir schwerfällige Schlaffheit gern vertreiben, damit nicht wir allein als müßige Last der Erde und Kostgänger erscheinen, die nutzlos die Feldfrüchte nur verzehren, um sich des Schlafes zu erfreuen. Laß dich nicht beeindrucken vom Naserümpfen an den Wegkreuzungen und insbesondere von den Aussprüchen der spöttischen Weisen, die darum kämpfen, daß sie allein Schriftsteller und immer das Ein und Alles sind und sich, angestachelt von blassem Neid, den Talenten der jungen Generation in den Weg stellen. Sie wollen nämlich den Beifall des Publikums für sich behalten und niemandem ein Stück davon abgeben. „Seht nur!“ werden sie sagen. „Da läßt uns doch der Himmel oder wenigstens, was der Wahrheit näher kommt, der Orkus einen neuen Schriftsteller hervorsprießen! Jetzt wird die Welt eine gewaltige Menge lernen müssen! Fort nun mit den alten Büchern, Platz gemacht für die neuen! Haben dir also die Gaben des Bacchus nicht mehr geschmeckt? Hättest du auch nicht länger von Knackwürsten und Pökelfleisch leben und deinen tiefen Schlummer bis in den hellichten Tag hinein fortsetzen können, wenn du nicht schließlich auch uns deine Träume mitgeteilt hättest und darauf versessen gewesen wärst, in der Welt durch gewaltiges Gelächter Aufsehen zu erregen? Was hätten die Hartleibigen lesen sollen, die nur dank deiner Schriftstellerei Stuhlgang haben?“ Mit solchen Sticheleien werden sie sardonisches Gelächter erregen und auch deine besten Schriften verreißen. Laß dich durch ihr neiderfülltes Urteil niemals davon abhalten, gescheite und fromme Schriften zu verfassen und die Sache Christi nach Kräften voranzubringen und auf Lohn aus seiner Hand zu hoffen. Eitel ist der Wunsch nach einem großen Namen und welkem Ruhm, obgleich Ruhmsucht auch die besten Geister kitzelt und sie es herrlich finden, wenn man mit dem Finger auf sie weist – „Da ist er!“ – und sie aus dem Mund ihrer Anhänger überall gepriesen werden. Wenn du von vielen gelobt werden willst und nach Beifall haschst, dann suche dir einen anderen Gegenstand – eine weltliche Wissenschaft.

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<158> Non est multorum pietas Christusque fidesque,
Et mundi fermè gnatis coelestia sordent.
Tu Christum specta. Quo si terrena relicto
Quaesieris, merces est responsura labori
Nulla satis. Laudante uno te mille reprendent,
Mentemque affliget sperata pecunia frustra,
Et favor humanus longùm te fallet hiantem.
Virtutem colere et generi prodesse paterno
Sedulò debemus, tum laus nomenque sequetur
Concedente Deo sponte atque benignius, ac si
Obnixè irato venati essemus eodem.
Quod si pro meritis praesenti forsitan aevo
Nominis et laudis tenues averterit auras
Atque ignominiam potius risumque fugamque
Et rerum dederit vitaeque pericula centum,
Angere nil debet. Certissimus ipse solutor
Non te fraudabit, verùm est potiora daturus,
Quum Satanam expulerit mundo cortemque malignam.
Haud tamen huc damni studium (confide) redibit,
Ut prorsus nemo probet agnoscatque Deoque
Pro nostra grates aliquas persolvat opella.
Dum Christi nomen nostro durabit in orbe,
Semper erunt duo vel, si res malè cesserit, unus,
Qui fidos Christi famulos veneretur ametque
Vel scriptis tantum notos operaque remota.
Ille Deo grates aget, ille precabitur aevi
Felicem cursum et vitam post fata perennem.
Quanti illud pendis? Paulum contemnat Apella,
Nec Turcae norint, nec Riphaei incola campi
Tantilli faciat, nec nuper America nobis

Frömmigkeit, Christus und Glaube sind nichts für die Vielen, und den Kindern der Welt sind die himmlischen Dinge in der Regel etwas Verächtliches. Schau du auf Christus! Wenn du, ihn hintansetzend, nach irdischen Gütern verlangst, wird kein Lohn der aufgewendeten Mühe hinlänglich gemäß sein. Während ein einziger dich lobt, werden tausend dich tadeln; vergebliche Hoffnung auf Geld wird dein Gemüt in Betrübnis stürzen, und dein Lechzen nach Menschengunst wird dich lange Zeit in die Irre führen. Wir müssen fleißig die Tugend verehren und dem Geschlecht unseres Vaterlandes nützlich sein, dann werden sich Lob und Ruhm dank Gottes Gnade von selbst und in reichlicherem Maße einstellen, als wenn wir ihnen hartnäckig nachgejagt wären, nachdem wir Gott erzürnt hatten. Sollte er etwa das schwache Windessäuseln von Ruhm und Lob für Verdienste im gegenwärtigen Leben fernhalten und eher Schimpf, Gelächter, Flucht und hundert Gefahren für Gut und Leben bereiten, so darf nichts das Herz beklommen machen. Er, der selbst der zuverlässigste Zahler ist, wird dich nicht betrügen, sondern dich mit noch vorzüglicheren Dingen beschenken, wenn er Satan und sein bösartiges Gefolge aus der Welt vertrieben haben wird. Doch – verlaß dich drauf! – der Trieb zum Schadenbringenden wird nicht so weitreichend sein, daß überhaupt niemand uns Beifall zollt, uns anerkennt und Gott in irgendeiner Form für unsere Arbeit dankt. Solange Christi Name auf unserer Erde Bestand haben wird, werden immer zwei oder, wenn die Sache schlecht steht, wenigstens einer da sein, der die getreulichen Diener Christi verehrt und liebt, sogar wenn er sie nur von ihren Schriften her kennt und ihre Arbeit nur aus der Ferne verfolgt. Dieser wird Gott Dank sagen, dieser wird darum beten, daß dein Leben in glücklichen Bahnen verläuft und dir nach dem Tode das ewige Leben zuteil wird. Wie hoch bewertest du jene Sache? Sollen doch der Jude Paulus verachten, die Türken ihn nicht kennen, der Einwohner des riphaeischen Gefildes sich gar wenig aus ihm machen und das uns kürzlich bekannt gewordene Amerika

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<159> Cognita suspiciat: nos verò novimus atque
Suspicimus, nostri sicut Christi organum electum,
Ex scriptis cuius pietatis semina verae
Hactenus haurimus Dominoque Deo illius ergô
Laudum thura damus magnasque in secula grates
Solvimus. Ergo licet spretor te spernat IESU
Quisque, quid id refert? Cunctis illius amicis
Charus eris tamen et coelesti notus in aula.
Hoc tibi pluris erit, quàm si te Gargara laudent
Tota, malignorum Satanaeque exercitus ingens.
     Ast hîc fortassis iam tandem interstrepis: „Heu tu,
Multa quidem curanda adfers magnosque labores,
Nec levibus vitae iunctos rerumque periclis
Praecipis, interea verò fit mentio victus
Nulla nec unde habeat nudum velamina corpus.
Anne ministrandum censes gratisque docendum?
Ad Paulique vocas omnis exempla colonos?"
Non voco, nec vocat ipse huc nec praeiudicat ulli.
Ille graves facti causas illius habebat.
Quae tibi si acciderint, tùm recte imitabere factum.
Interea illi ipsi Christi servantis amici,
In verbo quibus et doctrina ritè ministras,
Praebebunt alimenta tibi vestesque decentes,
Atque id iure quidem. Nullum sub sole laborem
Imposuit miseris mortalibus omnipotens Rex,
Cui non solum homines, sed cuncta animalia curae,
Qui non mercedem ferret vestemque cibumque.
Non terram gratis durus proscindit arator,
Mercedem sperat pendentis vinitor uvae[36],
Non traicit gratis Mirtoum navita pontum.

ihn nicht verehren! Wir jedoch kennen und verehren ihn als das auserwählte Werkzeug unseres Christus; aus seinen Schriften schöpfen wir bis heute die Samen wahrer Frömmigkeit, und um seinetwillen bringen wir Gott dem Herrn den Weihrauch von Lobpreisungen dar und zollen wir ihm in Ewigkeit großen Dank. Also mag ruhig jeder Verächter Jesu dich verachten! Was tut’s? Allen seinen Freunden wirst du trotzdem lieb und wert sein, und im Himmelspalast wird man dich kennen. Dies wird für dich von größerem Wert sein, als wenn ganz Gargara und die ungeheure Heerschar der Bösen und Satans dich rühmten.
     An dieser Stelle aber wirst du mir vielleicht nun endlich dazwischenschreien: „He du! Du zählst zwar viele Mühen auf und schreibst große Arbeiten vor, die auch mit nicht geringen Gefahren für Leben und Besitz verbunden sind. Dabei erwähnst du aber in keiner Weise, wie man sich nähren soll und wo der nackte Leib Bekleidung herbekommt. Meinst du vielleicht, man müsse unentgeltlich dienen und lehren? Forderst du etwa alle Pflanzer auf, sich Paulus zum Vorbild zu nehmen?“ Ich fordere dich nicht dazu auf, noch tut er selbst es, und er greift auch niemandem vor. Er hatte gewichtige Gründe für jene Verfahrensweise. Sollten sie auch einmal bei dir vorliegen, dann wirst du gut daran tun, sein Verfahren nachzuahmen. Inzwischen werden dir jene Freunde des Retters Christus selbst, denen du im Wort und in der Lehre gehörig zu Diensten bist, Nahrung und schickliche Kleidung gewähren, und zwar von Rechts wegen. Der allmächtige König, dessen Fürsorge nicht allein den Menschen, sondern jedwedem Lebewesen gilt, hat den armen Sterblichen unter der Sonne keine Arbeit auferlegt, die nicht ihren Lohn – Kleidung und Speise – davontrüge. Der ausdauernde Pflüger bricht nicht umsonst die Erde auf; der Winzer erhofft sich Einkünfte aus der hangenden Traube; der Schiffer überquert nicht umsonst das Myrtoische Meer.

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<160> Cinnama pro mercede refert mercator ab Indis,
Mercedem sequitur dura in certamina miles
Et castris habitat vaditque armatus in hostem.
Ex propriis vivit cerdo sudoribus omnis
Sustentatque suos lautè stertitque supinus,
Scilicet haud sudat gratis donatque labores.
Nec mites pascuntur oves simaeque capellae
Nec bubus nec equis nec porcis pabula quisquam
Ponit nec foedis exportat stercora caulis,
Si non invitet precium victusque diurnus.
Sordidula haud gratis sola deverruntur et aedes,
Et canit ascaules laetis mercede choraeis.
Quid memoro humanum genus? Ipsa carentia mente
Non nobis servire queunt animalia gratis.
Pro victu lentus clitellas gestat asellus
Aut molit occlusis oculis molitumque reportat.
Ad nostras frustra nullus canis excubat aedes,
Captae particulam praedae acer vertagus ambit.
In dominaeque sinu dormit luditque catella,
Ut consors fiat mensae et lautissima carpat.
Fert equitem dorso aut stridentia plaustra caballus
Per montes vallesque trahit, per duraque saxa,
Stramine quo noctu cubet et vescatur avena.
Muribus insidias per summa silentia feles
Non gratis faciunt, mensam victumque sequuntur.
Quis tam insanus erit, tam planè ingratus et excors,
Qui ferat aut poscat gratis divina doceri?
Qui non suppeditet victum vestesque ministro?
Idque manu rectè larga multumque lubenti?
An non supremo demissus ab aethere doctor

Der Kaufmann bringt von den Indern Zimt zu seinem Profit nach Hause; um seiner Löhnung willen sucht der Soldat harte Kriegshändel auf, wohnt er im Lager und schreitet er bewaffnet gegen den Feind. Jeder einfache Handwerksmann lebt von seinem eigenen Schweiß; davon leistet er seiner Familie anständigen Unterhalt, und davon schnarcht er, wenn er auf dem Rücken liegt; keineswegs nämlich schwitzt er umsonst und verschenkt seine Arbeit. Die sanftmütigen Schafe und plattnasigen Ziegen werden nicht geweidet, niemand setzt den Rindern, Pferden und Schweinen Futter vor und mistet die garstigen Gehege aus, wenn nicht Lohn und tägliche Mahlzeit dazu einen Anreiz geben. Die schmutzigen Böden und das Haus werden nicht umsonst gekehrt, und nur gegen Entlohnung spielt der Sackpfeifer zum fröhlichen Reigentanz auf. Wozu erwähne ich das Menschengeschlecht? Sogar die des Verstandes entbehrenden Tiere können uns nicht umsonst dienen! Um seines Futters willen trägt der störrische Esel den Packsattel oder mahlt er mit geschlossenen Augen und schleppt er das Gemahlene wieder zurück. Umsonst hält kein Hund bei unserem Haus Wache; der scharfe Windhund möchte ein Stückchen von der gefangenen Beute bekommen. Das Hündchen schläft und spielt auf dem Schoß der Hausherrin, um Tischgenosse zu sein und köstliche Leckerbissen zu erschnappen. Das Roß trägt den Reiter auf dem Rücken oder zieht knarrende Lastwagen über Berg und Tal und durch schroffe Felsen, um dafür nachts auf einem Strohlager zu schlafen und mit Hafer gefüttert zu werden. Die Katzen stellen den Mäusen zur Zeit der tiefsten Stille nicht umsonst nach, sondern sind auf Nahrung und Unterhalt aus. Wer wird so verrückt, so schlechthin undankbar und unverständig sein, daß er in göttlichen Dingen kostenlose Belehrung annimmt oder verlangt? Der den Diener nicht mit Speise und Kleidung versorgt – und dies füglich mit freigebiger und sehr williger Hand? Oder hat nicht der vom höchsten Himmel gesandte Lehrer

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<161> Subsidia accepit vitae missisque piorum
Est usus nummis pro se iunctaque caterva,
Quorum condus erat furax et promus Iudas?
Lazarus excepit crebro charaeque sorores,
Excepitque Levi gratè nanusque Zachaeus,
Excepere alii quidam tectisque ciboque.
Debita solverunt illi atque recepit IESUS.
Quem non tam sancti moveant exempla magistri?
Quis non sectetur populi vestigia sani?
Quin et discipulis doctum mysteria regni
Missis curam omnem praecepit omittere victus
Adque ministerium peras non ferre tumentes
Nec binas tunicas, nudi et nec tegmina calcis.
Nec sumptu proprio durum exantlare laborem,
Omnia sed manibus digni sperare popelli,
Calceolos, tunicas, condigna viatica, victum.
Adiecitque, illis meritò praeberier, ut qui
Non sibi, sed facerent aliis opus atque caducis
Pro rebus sererent ipsi coelestia dona.
Talia discipuli promptè sunt iussa secuti,
Defuit atque nihil rerum huc illucque profectis.
Haec eadem Paulus misit mandata Corinthum.
Et quod se iactat gratis docuisse Corinthi,
Non servavit ubique. Alios spoliasse fatetur
Christigenûm coetus, gratis serviret ut illis.
Munera suscepit multisque ad danda frequenter
Est exhortatus, nec magnum censuit esse,
Si meteret sanus populi carnalia doctor,
Spiritualia qui sereret Christumque doceret.
Ille etiam Galatas monuit de rebus eisdem,

Hilfen für seinen Lebensunterhalt entgegengenommen und die ihm von Frommen geschickten Münzen für sich und seine Jüngerschar verwendet, deren Kassenführer der diebische Judas war? Lazarus und seine lieben Schwestern bewirteten ihn häufig, gern bewirteten ihn Levi und der Zwerg Zachaeus, und noch manche andere nahmen ihn bei sich auf mit Kost und Herberge. Jene leisteten, was sie schuldig waren, und Jesus nahm es an. Wen bewegte nicht das Beispiel eines so heiligen Lehrers? Wer folgte nicht eifrig den Fußtapfen eines unverdorbenen Volkes? Ja er hat auch den Jüngern, die er aussandte, die Geheimnisse seines Reiches zu lehren, vorgeschrieben, sich aller Sorge um ihren Lebensunterhalt zu entschlagen und bei ihrem Dienst keine schwellenden Ranzen, keine zwei Hemden und auch keine Umhüllung der nackten Ferse bei sich zu tragen; er schrieb ihnen auch vor, die schwierige Arbeit nicht auf eigene Kosten auf sich zu nehmen, sondern alles, was ihnen gebühre, aus den Händen der Bevölkerung zu erhoffen: Schuhe, Hemden, Reisegeld in durchaus angemessener Höhe und Speise. Und er fügte hinzu, daß ihnen nach Pflicht und Schuldigkeit gegeben werde, da sie die Arbeit nicht für sich machten, sondern für andere, und für vergängliche Dinge ihrerseits himmlische Gaben aussäten. Solche Gebote haben die Jünger willig befolgt, und es fehlte ihnen an nichts, als sie kreuz und quer herumreisten. Genau die gleichen Anweisungen sandte Paulus nach Korinth. Und wenn er sich rühmt, er habe zu Korinth umsonst gelehrt, so war dies nicht überall seine Gepflogenheit. Er gesteht, er habe andere Christengemeinden beraubt, um jenen umsonst dienen zu können. Er hat Geschenke angenommen, wortreich zu häufigem Geben ermuntert und gemeint, es sei keine große Sache, wenn ein lauterer Lehrer, der Geistliches säe und Christus lehre, das Fleischliche des Volkes ernte. Er hat auch die Galater in der gleichen Angelegenheit dazu ermahnt,

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<162> Omnis ut auditor verbi communicet omni
In re cum doctore suo. Hoc mandasse Tonantem,
Qui non laturus sit, si quis parcus avarè,
Debita nec reddens doctori, irriserit ipsum.
Hinc satis ergo tenes, victum te quaerere posse
Ex Evangelio, populumque, ut praestet opimè,
Humano simul et divino iure teneri.
Nec possis sanè libris incumbere sanctis
Atque ministerio scriptis et voce praeesse,
Si tractanda tibi pariter sint sarcula palmis,
Arida si domitis tellus vertenda iuvencis,
Si tibi ad incudem standum, in numerumque levatis
Ferrum fundendum manibus texendave tela
Attrito radio depressae in fornice cellae,
Si tegumenta pedum corio formanda subacto
Aut prono vultu laenae tunicaeve suendae,
Si currus fabricandi aut bigae aut dolia Bacchi
Assiduove aliud manuum sudore parandum.
Divini quondam prolatum est ore Platonis,
Non bene diversos unum exercere labores.
Alterum enim tollit, remoratur et impedit alter.
Verbi totum hominem, nec pigrum, cura requirit
Nec perfert aliquam mentis deflectere partem.
Qui Christi fuerint igitur regnantis amici,
Obtrudent ultrò largè, quae postulat usus.
Tu tamen haud gazas tibi, sed mediocria quaeres,
Nec quae defodias, verùm quîs teque tuosque
Sustentes pulso luxu extra limen inerti.
Ast, ô stelligeri summe induperator Olympi,
Quàm tibi perraros profert hoc tempus amicos!

daß jeder Hörer des Wortes alles mit seinem Lehrer teilen solle. Dies habe der Donnerer geboten, der nicht dulden werde, wenn jemand ihn selbst verspotte, indem er auf habsüchtige Art spare und seinem Lehrer nicht das gebe, was er ihm schuldig sei. Hieraus ersiehst du also zur Genüge, daß du nach dem Evangelium deinen Lebensunterhalt verlangen kannst und zugleich nach menschlichem und göttlichem Recht für das Volk eine Verbindlichkeit besteht, reichlich Abgaben zu entrichten. Du kannst dich wahrhaftig nicht der Heiligen Schrift widmen und in Wort und Schrift deinen Dienst versehen, wenn du zugleich mit deinen Händen die Hacke führen mußt, wenn du mit gezähmten Jungbullen das ausgedörrte Erdreich wenden mußt, wenn du am Amboß stehen und mit erhobenen Händen das Eisen fachgerecht schlagen oder im Gewölbe einer niedrigen Kammer mit einem abgenutzten Weberschiffchen Stoffe weben mußt, wenn du Leder gerben und daraus Schuhe machen oder gesenkten Antlitzes Mäntel oder Hemden nähen mußt, wenn du Wagen oder Karren zu bauen oder Weinfässer zu verfertigen oder unablässig mit deiner Hände Arbeit für etwas anderes zu sorgen hast. Der göttliche Plato hat einst verkündet, daß es nicht gut sei, wenn ein einzelner verschiedene Arbeiten verrichte. Die eine nimmt er nämlich auf sich, und dabei hält die andere ihn auf und behindert ihn. Die Sorge für das Wort erfordert den ganzen Menschen, und zwar keinen faulen, und sie verträgt es auch nicht, daß man irgendeinen Teil seiner Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenkt. Die Freunde der Herrschaft Christi werden dir also von sich aus reichlich aufdrängen, was die Notwendigkeit erheischt. Du wirst aber nicht nach Schätzen, sondern nach bescheidenen Dingen verlangen, und dies auch nicht, um sie zu vergraben, sondern um dich und deine Familie davon zu unterhalten, nachdem du unnützen Aufwand von deiner Schwelle vertrieben hast. Indes, o du höchster Beherrscher des gestirnten Himmels, wie wenige Menschen, die dir freund sind, bringt dieses Zeitalter hervor!

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<163> Quàm veteratoris passim decreta draconis
Summo sectantur studio populusque patresque!
Impia si quando sunt et perversa docenda,
Si vano cultu facienda iunuria Christo,
Si qua superstitio surgit, si bella gerenda,
Si totum Satanae firmandum denique regnum,
Certatim ambabus confert sua sexus uterque,
Et promptè census non rarò effunditur omnis
Suppetias, queriturque tamen se nemo gravari.
Usque adeò impietas cunctis arridet ubique
Et friget verum, numerusque putatur IESUS,
Larga suis quamquam promisit praemia danti.
Non accuso rudes istis tantummodo Turcas
Nec genus ignavum tenebrisque notabile verpos
Nec gentes alias, quas circuit Amphitrite,
Christi ignorantes nomen divinaque iura:
De Christi dico nomen iactantibus et ius.
Aspice, quot totum monachorum opulenta per orbem
Coeca superstitio cultusque creaverit antra
Impius, ut pugnet meriti fiducia vani
Adversus Christum fiatque iniuria vero.
Templa vides ipsum fermè tangentia coelum,
Sumptibus immensis et marmore structa polito,
Phidiacis extrà atque intus radiantia signis.
Auro vestitus paries pulchrisque tapetis,
Praecipueque adyta et penetralia clausa renident.
Angulus omnis habet simulacra nitentia et aras,
Aras divitibus tabulis statuisque superbas.
Pendent sericeae vestes ostrumque coruscum,
Ditia circumstant auri donaria crassi.

Mit wie überaus eifrigem Bemühen befolgen überall das Volk und die Väter die Verfügungen des durchtriebenen Drachen! Wenn es einmal darum geht, gottlose und verkehrte Dinge zu lehren und Christus mit einem eitlen Kult eine Kränkung zu bereiten, wenn etwa ein Aberglaube aufsprießt, wenn Kriege zu führen sind, wenn es vollends darauf ankommt, das ganze Reich Satans zu festigen, dann geben Männlein und Weiblein um die Wette mit beiden Händen ihren Besitz her, und nicht selten wird bereitwillig das ganze Vermögen zwecks Hilfeleistung verausgabt, und dennoch klagt niemand über eine Belastung. Dermaßen hat jedermann allerorten seine Freude an der Gottlosigkeit, die Wahrheit aber läßt alle kalt, und Jesus gilt als eine Null, obgleich er demjenigen, der die Seinen unterstützt, reichen Lohn versprochen hat. Ich klage nicht die in diesen Dingen lediglich ungeschulten Türken an, nicht den nichtsnutzigen und für seine Blindheit berüchtigten Stamm der Beschnittenen und andere vom Ozean umgürtete Völker, die Christi Namen und das göttliche Gesetz nicht kennen: Ich rede von denen, die Christi Namen und Gesetz ständig im Munde führen. Schau nur, wie viele reich ausgestattete Mönchshöhlen blinder Aberglaube und gottloser Kult über die ganze Erde hin hervorgebracht haben, so daß das sichere Vertrauen auf eitles Verdienst gegen Christus ankämpft und der Wahrheit Abbruch geschieht. Du siehst Kirchen, die beinahe den Himmel selbst berühren, erbaut mit unermeßlichem Aufwand und feinem Marmor, außen und innen erstrahlend von Bildwerken, die eines Phidias würdig wären. Die Wand ist mit Gold und schönen Teppichen geschmückt, und von ganz besonderem Glanz sind das Allerheiligste und das Tabernakel. In jeder Ecke gibt es blinkende Götzenbilder und Altäre, Altäre prangend von üppigen Gemälden und Standbildern. Da hängen seidene Gewänder und schimmernder Purpur, ringsumher stehen reiche Weihgeschenke von massivem Gold.

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<164> Porrò aurum tanti pars est vilissima cultus:
Inventu raris collucent omnia gemmis,
Quarum nec precium nec pondus dicere promptum.
Persarum reges olim Croesosque Midasque,
Tantis collatos opibus, damnabis egenos.
Nec facilè ornatum Cleopatra aut Lollia vincet.
Nec minus interea montes vallesque sacella
Privataeque domus monstrant campique patentes,
Non Christi sanè, sed divûm condita honori.
Unde putas precii venere haec omnia tanti?
Quaestum habet impietas omnis facilemque favorem,
Ut quae nativo nobis est cognita succo
Et sua multiplici velat mendacia peplo.
Est pietas odio contrà, ut peregrina nec ullis
Collita cerussis, simplex austeraque multum,
Nec quaestum redolet nec se splendore forensi
Venditat ignaris nec cuiquam imponere novit.
Quid crassos memorem ventres et vertice rasos?
Qui ludunt tantum plebem lassantque boatu
Nocte dieque tholum, pietas quîs maxima cantus,
Ridiculae et vestes fatuique insania gestus.
Quàm lautè vivunt? quàm dites quàmque beati?
Quàm manibus regum vulgique feruntur inertis?
Nemo obolum interea Christo verique patronis
Optat. Si quid habent proprii, discrimina mille,
Ne rapiatur, adit. Raptor palmare videtur
Factum designasse, ut si trucis ore leonis
Sive lupi è siccis rapuisset faucibus agnum.
Praetorem novi longum facieque leprosa,
Candida perpetuò cui sesquipedalis ad astra

Doch Gold ist nur der geringste Bestandteil so großen Prunks: Alles erstrahlt von seltenen Edelsteinen, deren Wert und Gewicht nicht leicht anzugeben ist. Die alten Perserkönige, Männer wie Croesus und Midas wirst du der Armut bezichtigen, wenn du sie an so großem Reichtum mißt. Weder eine Kleopatra noch eine Lollia werden diese Pracht so ohne weiteres übertreffen. Daneben weisen Berge und Täler, Privathäuser und das freie Land kleine Kapellen auf, die wahrhaftig nicht Christus, sondern Göttern zu Ehren errichtet wurden. Woher, meinst du, kommen alle diese Dinge von so großem Wert? Jede Gottlosigkeit findet ihren Gewinn und stößt auf willfährige Geneigtheit, da sie unserer natürlichen Wesensart vertraut ist und ihre Lügen unter einem faltenreichen Prachtgewand verhüllt. Die Frömmigkeit hingegen ist verhaßt, weil sie fremd ist, weil sie ohne jede Schminke von Bleiweiß, weil sie schlicht und sehr ernst ist, nicht nach Geld riecht, sich Unwissenden nicht durch äußeren Glanz anpreist und niemandem einen Bären aufzubinden versteht. Wozu sollte ich noch die mit den dicken Bäuchen und mit den geschorenen Schädeln erwähnen, die das Volk nur zum Narren halten und Tag und Nacht mit Gebrüll das Kuppeldach strapazieren, für die Gesänge, lächerliche Gewänder, die Tollheit einer albernen Gebärdensprache Inbegriff größter Frömmigkeit sind? Wozu sollte ich darauf eingehen, wie gut sie leben? Wie reich und begütert sie sind? Wie die Könige und das einfache Volk sie auf Händen tragen? Dabei wünscht niemand für Christus oder die Beschirmer der Wahrheit auch nur einen Obolus. Wenn sie etwas Eigentum besitzen, läuft es tausendfach Gefahr, geraubt zu werden. Der Räuber steht so da, als habe er eine preiswürdige Tat vollbracht: wie wenn er dem Maul des grimmigen Löwen oder dem hungrigen Schlund des Wolfes ein Lamm entrissen habe. Ich kenne einen hochgewachsenen Landeshauptmann mit aussätzigem Gesicht, dem – nach Art türkischer Machthaber – immerfort ein Helmbusch von anderthalb Fuß Länge zum Himmel emporstand.

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<165> Crista exurgebat Turcarum more potentum.
Is gravia agricolae respondit damna querenti:
„Non vestrum est, Evangelii qui sancta docetis
Dogmata, de damnis ullas adferre querelas,
Cum tunicis sed vos et pallia linquere iussit
Ille, adeò est vobis qui semper in ore, magister.“
Quid speres aliud iuris tibi dicere Turcas?
Quid peius dixit Christi infensissimus hostis
Caesar, quem Arsacidae meritò occidere rebelles?
Consimiles alios praetores cernere possis.
Nam plaerique acidae mallent cava pocula vappae
Et sicci frustum panis soleasque duplatas
Quàm Christum Regem legatosque illius omnes.
Libertas siquidem faciundi, quae lubet, illis
Quaeritur in primis, spoliandi deinde potestas
Fana, per atque nefas corradendi undique nummos.
Qualia si concessa vident, non admodum iniquè
Admittunt Evangelium Christumque doceri.
Sin secus, est aloe Christus Christique minister.
Ringuntur, rapiunt, furiunt, obstacula ponunt
Aut certè sus deque ferunt censentque perinde,
Sive Mahometi resonet doctrina scelesti,
Seu sua publicitus doceant mendacia verpi,
Sive aliae gerrae sacra dominentur in aede.
Quum tepeant igitur praetores atque tribuni
In Christi domini merito iustoque favore,
Quid de plebe boni, victus quae commoda speres?
Frigus hyperboreo maius iam pectora cepit[37].
Repit humi plebes, quae et si est aptissima Christo,
Ductores tamen et proceres regesque tribunosque

Dieser gab einem Landbauer, der sich über schwere Einbußen beklagte, zur Antwort: „Euch, die ihr die heiligen Lehren des Evangeliums lehrt, steht es nicht zu, Klagen über irgendwelche Einbußen vorzubringen: vielmehr hat jener Lehrer, den ihr immerfort so sehr im Munde führt, euch geheißen, mit den Hemden auch die Mäntel fahrenzulassen.“ Warum befürchtest du, daß Türken für dich anders Recht sprechen würden? Was hat Christi erbittertster Feind, jener von den persischen Rebellen zu Recht getötete Kaiser, denn Schlimmeres gesagt? Du könntest andere Landeshauptmänner finden, die jenem aufs Haar gleichen. Den meisten nämlich sind bauchige Becher sauren Fusels, ein Stück trocken Brot und doppelte Schuhsohlen lieber als der König Christus und alle seine Apostel. Ihnen geht es ja in erster Linie um die Freiheit, zu tun, was ihnen beliebt, zweitens um die Macht, Kirchen zu berauben und auf frevelhafte Weise von überallher Geldstücke zusammenzuscharren. Wenn sie feststellen, daß ihnen dies zugestanden wird, sind sie gar nicht so unbillig und gestatten, daß man das Evangelium und Christus lehrt. Andernfalls aber sind Christus und Christi Diener Aloe. Sie fletschen die Zähne, rauben, stehlen, schikanieren oder legen wenigstens Nichtachtung an den Tag und achten es gleichviel, ob die Lehre des Frevlers Mohammed erschallt, ob die Beschnittenen öffentlich ihre Lügen lehren oder anderweitige Possen in der Kiche den Ton angeben. Da also Landeshauptmänner und Befehlshaber lau sind in dem Christus, dem Herrn, nach Recht und Billigkeit zustehenden Liebeserweis, was erwartest du da Gutes vom Volk, welche Vergünstigungen für deinen Lebensunterhalt? Ein mehr als hyperboreischer Frost hat heute die Herzen befallen. Das Volk kriecht am Boden, und wenn es auch für Christi Zwecke die beste Eignung aufweist, so pflegt es doch auf seine Anführer und Oberhäupter, Könige und Befehlshaber

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<166> Aspectare solet, quò vadant quidque sequantur,
Praecipuè eiusdem fidei si dogmata laudant.
Cedit eò, tristi quòd paupertate frequenter
Atteritur, vix praesidibusque exacta superbis
Exsudare potest luxumque explere voracem.
Haec perpendentes multi non nare supina
Nec sacris navant operam nec dura coloni
Munera suscipiunt. Lernaeque subinde renascens
Eligerent monstrum superare feramque Cleones
Tergeminumque canem traxisse Acherontis ab aula,
Quàm Christo Regi fidum praebere colonum.
Sanctarum ad legum studium et civilia iura,
Ad medicasque magis properant et Apollinis artes.
Nonnulli simulac linguam didicere Latinam
Atque aliquot septem triverunt artibus annos,
Caupones fiunt, studio fortasse paterno,
Aut mutant merces plebi aut mechanica tractant
Aut cubito emungunt muccosas denique nares.
Quid facerent? Fugiunt contemptum ingensque malignae
Paupertatis onus. Nolunt perferre popelli
Ingratos mores, quin et virosa docentum
Agmina, quae mordent, pellunt truduntque necantque,
Quisquis in ipsorum contatur cedere nugas
Et verum potius quàm frivola somnia quaerit.
Haec non incassum fugiunt incommoda multi.
Te verò nunquam moveant! Nihil auspice Christo
Laedere te poterit, nihil et tibi deesse docenti.
Praetores licet et populus rapiantque negentque
Omnia, non isthic dantur, quae flagitat usus,
At verò prolixè alibi (confide) dabuntur.

zu schauen und darauf zu achten, welchen Weg diese einschlagen und woran sie sich orientieren – besonders wenn sie die Lehrsätze derselben Glaubensrichtung rühmen. Es beschreitet denselben Weg, weil es häufig von jammervoller Armut heimgesucht wird und im Schweiße seines Angesichts kaum imstande ist, die Forderungen seiner übermütigen Herrscher zu erfüllen und ihrer gefräßigen Schwelgerei Genüge zu tun. Dies haben viele, die wachen Geistes sind, bei sich erwogen, und deshalb leisten sie den geistlichen Belangen keinen Beistand und nehmen auch nicht das entsagungsvolle Amt eines Pflanzers auf sich. Sie würden sich lieber dafür entscheiden, das sich immer wieder erneuernde lernäische Ungeheuer und den nemeischen Löwen zu besiegen und den dreiköpfigen Hund aus dem Hades heraufzuholen, als sich dem König Christus als getreuliche Pflanzer zu erzeigen. Lieber eilen sie zum Studium des kirchlichen und bürgerlichen Rechts, zur Medizin und zu den Künsten Apollos. Einige werden, sobald sie die lateinische Sprache gelernt und ein paar Jahre mit den Sieben Künsten zugebracht haben, Schankwirte, vielleicht dem Vater zuliebe, oder treiben für das Volk Tauschhandel oder betätigen sich als Handwerker – oder schneuzen sich am Ende ihre rotzigen Nasen am Ellenbogen. Was hätten sie tun sollen? Sie scheuen sich vor Mißachtung und der ungeheuren Last schlimmer Armut. Sie lehnen es ab, sich dem undankbaren Verhalten des gemeinen Volkes, ja auch den stinkenden Heerscharen von Lehrern auszusetzen, die jeden kränken, zurückdrängen, fortstoßen und töten, der zögert, sich ihren Flausen anzuschließen, und lieber nach der Wahrheit als nach nichtigen Träumen verlangt. Vor diesen Mißhelligkeiten ergreifen viele erfolgreich die Flucht. Dich aber mögen sie niemals beeindrucken! Unter Christi Schutz wird nichts dir etwas anhaben können, und bei deiner Lehre wird es dir an nichts fehlen können. Wenn auch an diesem Ort die Herren und das Volk alles fortschleppen und verweigern und man auch das dringend Notwendige nicht gewährt, so wird man doch anderswo – des sei gewiß! – Gaben in reichlichem Maße spenden.

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<167> Cum Christo, quicquid tulerit fortuna, ferendum est,
Quam pater omnipotens fidis moderatur habenis.
     Haec sacris super agricolis ac arte colendi
Casibus afflictus multis durisque canebam,
Carolus imperii rector quo tempore summus
Rebus ad arbitrium positis belloque peracto,
In quo captus erat Saxo et Mavortius Hessus,
Ad patriam victor rediit comptosque Brabantos
Atque inibi Hispanis venientem excepit ab oris
Gnatum, deliciasque suas pectusque, Philippum.
Tum mihi siderei Regis decreta docenti
Praebuit hospitium sat gratum Algovia tellus,
Quum rari inciperent dispergi vertice cani
Octoque egissem vegetus quinquennia vitae.


                            FINIS.

         Laus Deo et Domino IESU Christo.

                     ἄκουε τοῦ θεοῦ.

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Im Verein mit Christus muß man alles ertragen, was das Geschick einem bringt, das der allmächtige Vater mit zuverlässigen Zügeln lenkt.
     Vorliegendes habe ich, übel zugerichtet durch vielerlei hartes Mißgeschick, von den Landbauern und der Kunst des Feldbaus gesungen zu der Zeit, als Karl, der höchste Lenker des Reiches, nachdem er die Dinge nach seinem Willen geordnet und den Krieg beendet hatte, in dem der Sachse und der streitbare Hesse in Gefangenschaft geraten waren, als Sieger in seine Heimat und zu den schmucken Brabantern heimkehrte und dort seinen aus Spanien kommenden Sohn, seine Wonne und sein Herzblatt Philipp, empfing. Damals erwies mir, der ich die Gebote des Himmelskönigs lehrte, das Allgäu eine recht wohltuende Gastfreundschaft. Hier und da wuchs zu jener Zeit auf meinem Scheitel vereinzelt ein graues Haar, und rüstig hatte ich das vierzigste Lebensjahr vollendet.

                                                          ENDE.

                                Lob sei Gott und dem Herrn Jesus Christus.

                                                    Höre auf Gott!

                                                           1550.




[30] immortale (inmortale Errata)   [31] simpiciter   [32] quinetiam   [33] Quòd   [34] caepit   [35] orcula (oracula Errata)   [36] unae (uuae Errata)   [37] caepit

Letzte Änderung: 15.12.2009

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