Catullus, Tibullus, Propertius.


Venedig: Aldus Manutius, Januar 1502. 150 Bl., 15 x 9 cm



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Die frühen Buchdrucker ließen sich gern in großen Handelsstädten nieder. Dort war das Kapital vorhanden, das sie für das Verlegen von Büchern benötigten, und von dort aus konnten sie ihre Produkte am besten vertreiben. Der erfolgreiche humanistische Lehrer Aldo Manuzio (geboren um 1450 bei Rom) fand in Venedig, der Herrin der Adria und dem Ausgangspunkt des transalpinen Handels, noch weitere günstige Voraussetzungen für sein großes Vorhaben, die griechischen und römischen Autoren der Antike in korrekten Ausgaben zu verbreiten: Hier befand sich durch die Stiftung des Kardinals Bessarion die größte Sammlung griechischer Handschriften, die es im Westen gab, und hier lebten zahlreiche griechische Gelehrte, die den Drucker als Herausgeber und Korrektoren unterstützen konnten.

Als Aldus sich um 1489 nach Venedig wandte, da hatte der Buchdruck manche der hohen Erwartungen, die sein erstes Erscheinen erweckt hatte, längst enttäuscht. Die gedruckten Texte waren nicht korrekter als die Handschriften, und die hastig arbeitenden, oft nur halb gebildeten Drucker verbreiteten alte und neue Fehler in größerem Maßstab als je zuvor. Der Absatz der auf den Markt strömenden Drucke kam schon 1472/73 ins Stocken, da das interessierte und zahlungskräftige Publikum klein und die Anzahl der benötigten Werke begrenzt blieben. Die Freiheit des neuen Buchgewerbes von zünftischer Beschränkung brachte als Kehrseiten scharfe Konkurrenz, unlautere Praktiken, Streit und Unsicherheit mit sich. Darunter litt auch die handwerkliche und ästhetische Qualität der Drucke, für die Gutenberg selbst einen so hohen Maßstab gesetzt hatte.

In dieser Lage war das Engagement eines idealistischen Gelehrten wie Aldus Manutius im Buchdruck ebenso notwendig wie mutig. Zur Finanzierung seines langfristigen und aufwendigen Vorhabens verband er sich mit dem geschäftstüchtigen, in Venedig bereits zu Wohlstand gelangten Drucker Andrea Torresani und mit Pierfrancesco Barbarigo, dessen Vater Doge gewesen war. Etwa fünf Jahre verwandte Aldus darauf, Mittel und Mitarbeiter für sein Unternehmen zu gewinnen und alle Vorbereitungen für den Druck zu treffen. Der Stempelschneider Francesco Griffo schuf für ihn griechische Typen, die dem Geschmack der gelehrten Leser und den technischen Erfordernissen entsprachen. Indem sie die verschlungenen Linien der Handschrift zeitgenössischer griechischer Gelehrter nachahmten, erschwerten sie allerdings den Setzern die Arbeit und den Ungeübten das Lesen. Die lateinische Typographie bereicherte Griffo durch eine Kursive, die sich ebenfalls an der Handschrift humanistischer Gelehrter orientierte, dabei jedoch klar und lesbar war.

Von 1495 an erschienen bei Aldus in schneller Folge lateinische und vor allem griechische Texte, darunter eine Gesamtausgabe des Aristoteles, die Graf Alberto Pio von Carpi, ein ehemaliger Schüler Manuzios, finanziell förderte. Doch der Markt für griechische Klassikerausgaben erwies sich als wenig aufnahmefähig, und Aldus begann im Jahre 1501, die vielgelesenen römischen Klassiker in ungewöhnlich hohen Auflagen von ca. 3.000 Stück herauszubringen. Dabei beschränkte er sich auf den Text der Werke selbst, dem er lediglich einen Empfehlungsbrief und manchmal einige textkritische Anmerkungen hinzufügte. Er trieb seine gelehrten Mitarbeiter dazu an, die vielfach verderbten Texte der Handschriften und frühen Drucke sorgfältig zu korrigieren, und leistete selbst beratend und korrigierend einen Teil der editorischen Arbeit. Die beliebtesten Autoren brachte er in dem kleinen Oktavformat heraus, das zuvor nur für Erbauungsliteratur üblich gewesen war; so konnten die Texte überallhin mitgenommen, bei Gelegenheit hervorgeholt und leicht in einer Hand gehalten werden. Mit Griffos Kursive, die das hervorstechendste Merkmal der lateinischen und italienischen Aldinen wurde, traf der Drucker den Geschmack der wohlhabenden, ästhetisch sensiblen Bildungselite, die er vor allem im Blick hatte.

Zwei Jahrzehnte lang, unterbrochen nur von Prozessen mit Konkurrenten und von den Kriegswirren, die Venedig zeitweise lähmten, ließ Aldus Gelehrte, Schriftkünstler, Setzer und Gehilfen fieberhaft für das Ziel arbeiten, durch korrekte Klassikertexte wissenschaftliche Aufklärung und sittliche Besserung zu verbreiten. Er selbst war ein Vorbild an entsagungsvoller Hingabe. Durch sein Wirken überwand er die Distanz, die zwischen der gelehrten Welt und dem Buchdruckergewerbe geherrscht hatte, und gab ein lange fortwirkendes Beispiel ihrer fruchtbaren Verbindung.

Seinen Erfolg konnte der Verleger allerdings nicht ungestört genießen. Die Privilegien der Republik Venedig schützten ihn nur auf venezianischem Territorium vor dem Raubdruck, der das erfolgreiche Modell kopierte. Manchmal kam es vor, daß unzufriedene Mitarbeiter des strengen und knauserigen Druckherrn - er mußte im Interesse der Kapitalseigner sparsam wirtschaften - mit druckfertigen Texten zur Konkurrenz überliefen, die sie reich belohnte. Die Nachdrucker scheuten sich nicht, selbst das Druckersignet des Aldus zu übernehmen. Es zeigt einen Delphin, der sich um einen Anker windet - Sinnbild der Devise des Druckers "festina lente", eile mit Weile. Erasmus von Rotterdam wohnte 1508 mehrere Monate bei Aldus, wo er Plautus, Terenz und Seneca edierte und, angetrieben von seinem Verleger, eine vermehrte Auflage seiner Essays über antike Sprichwörter, der "Adagia", vollendete. Hierin - in dem Kapitel "festina lente" - hat der berühmteste Schriftsteller der Zeit ihrem berühmtesten Verleger ein schönes Denkmal gesetzt.

Der Widmungsbrief der vorliegenden Ausgabe gibt einen guten Einblick in das Programm und die Vorgehensweise des Aldus. Er ist an den Patrizier Marin Sanudo gerichtet, der ein bedeutender Chronist des venezianischen Lebens und ein großer Büchersammler war. Dem hier von Aldus gerühmten Editor Gerolamo Avanzio sind einige allgemein akzeptierte Emendationen zu verdanken (z.B. Cat. 91,3 non nossem für das überlieferte cognossem). Allerdings verfügten die Humanisten der Renaissance noch nicht über die paläographischen Kenntnisse und methodischen Einsichten, die der Textkritik später ihre großen Fortschritte ermöglichen sollten.

Aldus Manutius aus Rom grüßt Marinus Sannutus, Patrizier zu Venedig, Leonardos Sohn.

Den Valerius Catullus aus Verona, dessen Druck ich in diesen Tagen besorgt habe, schicke ich Dir, hochgebildeter Marinus Sannutus, umso lieber zum Lesen, als Du in jener Stadt, die gelehrte Männer hervorbringt und Begabungen gedeihen läßt, in Verona, woher Catull stammt, Stadtkämmerer bist. Ich weiß ja, daß meine Gabe Dir sehr willkommen sein wird, einmal die Gabe an sich - denn was ist angenehmer als die Anmut Catulls? - und dann auch insofern, als Du, wann immer Du Dein Gemüt nach den Amtsgeschäften erquicken willst, den von mir besorgten kompakten Catull ganz bequem wirst in Händen halten, aufschlagen und lesen können. Dich wird auch freuen, daß er ganz anders aussehen wird als früher - wegen der vielen Verbesserungen und der Verse, die eingefügt oder an die ursprüngliche Stelle zurückversetzt worden sind. Bei dieser Arbeit bin ich von Hieronymus Avantius aus Verona, einem Manne, der hochgelehrt und äußerst begabt und auch Dir sehr ergeben ist, aufs beste unterstützt worden. Deshalb, glaube ich, wird Dir der Catullus noch mehr willkommen sein, weil Dein Veroneser Avantius - oder vielmehr der meine - ihn zu korrigieren und in seinem ursprünglichen Glanz wiederherzustellen, sich schon lange allein und in angestrengter Arbeit, dann aber auch zusammen mit mir während des Druckens, so wie auch ich, mit größter Sorgfalt bemüht hat. Die Stellen aber, die Du mit einem Stern gekennzeichnet finden wirst, haben wir am Ende des Textes in ihren verschiedenen Lesarten drucken lassen, damit jeder Interessierte nach seinem eigenen Urteil auswählen kann, was ihm das beste zu sein dünkt. Ebenso sind wir auch bei Tibull und Properz verfahren, die, wie wir hoffen, in diesem kleinen Format in einer Auflage von 3.000 Exemplaren und mehr, zusammen mit Catull, Dir und allen anderen bequem und beständig in die Hände kommen und wiederkommen werden. Lebe wohl.



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Mannheim, 31. Mai 1996