Boissard, Jean-Jacques; Bry, Theodor de:
Bibliotheca chalcographica, hoc est Virtute et eruditione clarorum Virorum Imagines.
Heidelberg: Clemens Ammon, 1669. Partes 1-5: 1669.- Pars 6: Frankfurt a.M.: Johann Ammon, o.J.- Pars 7: Frankfurt a.M.: Clemens Ammon, 1669.- Pars 8: Frankfurt a.M.: Johann Ammon, 1652.- Pars 9: Heidelberg: Johann Ammon, 1664. 4°



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Diese Sammlung von 438 Gelehrtenbildnissen repräsentiert eine Gattung, die das Selbstverständnis von Humanisten und Reformatoren in charakteristischer Weise ausdrückt. Eine ihrer Wurzeln ist das spätmittelalterliche Stifterbildnis, das dem liturgischen Gedächtnis diente, und das damit verwandte Grabdenkmal. Der deutsche "Erzhumanist" Konrad Celtis (1459-1508) hat zuerst (mit Hilfe des Künstlers Hans Burgkmair, 1473-1531) im Medium des Holzschnitts ein ortsunabhängiges, vervielfältigtes Gedächtnisbild geschaffen, das nach seinem Tod in seinem großen Freundeskreis verbreitet wurde. Anders als viele Stifterbildnisse, in denen zur Bestimmung der Identität der dargestellten Person der hinzugesetzte Name genügte, ohne daß physiognomische Ähnlichkeit gefordert war, hält das Burgkmairsche Bildnis von Celtis dessen individuelle Gesichtszüge fest. Zugleich weisen die hinzugefügten Worte darauf hin, daß Geist und Charakter des Dargestellten in seinen unvergänglichen Werken besser zu erkennen seien als an seinem vergänglichen Äußeren.

Für das starke Interesse der zeitgenössischen Öffentlichkeit an den Lebensbeschreibungen und lebensähnlichen Bildnissen von Humanisten und Reformatoren sind mehrere Gründe anzuführen. Die Gelehrten traten immer mehr aus dem Verband der Korporationen (der geistlichen Orden und der Universitäten) heraus und gewannen individuelles Profil. Sie verkehrten durch handgeschriebene und gedruckte Briefe und häufige persönliche Zusammenkünfte miteinander und kultivierten Freundschaften, die durch den Austausch von Bildnissen und anderen Erinnerungszeichen bestätigt wurden. Sie waren schließlich als im Druck verbreitete Autoren sowie als Berater von Fürsten und Städten in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten Gegenstand eines verbreiteten Interesses, das durch die Techniken des Buchdrucks, des Holzschnitts und des Kupferstichs leicht befriedigt werden konnte.

Die hier reproduzierte umfangreiche Sammlung von Gelehrtenbildnissen der Frühen Neuzeit verdankt ihre Entstehung den Interessen und Talenten eines typischen Humanisten. Jean-Jacques Boissard (1528-1602) aus Besançon begleitete schon früh seinen Onkel, den Humanisten Hugues Babet (Hugo Babelus, 1474-1556), der als Privatlehrer junger Adliger viele Universitäten Europas besuchte. Boissard hielt sich dann zu mehrjährigen Studien in Italien auf, wurde Hauslehrer und Hofmeister junger Adliger und konnte mit diesen seine akademische Wanderschaft fortsetzen. So lernte er viele Gelehrte persönlich kennen, schloß Freundschaften, sammelte Bildnisse und biographische Nachrichten und porträtierte als gewandter Zeichner viele Gelehrte auch eigenhändig. Mit dem Kupferstecher und Verleger Theodor de Bry (1528-1598), der als Kalvinist seine Heimatstadt Antwerpen verlassen und sich in Frankfurt a.M. niedergelassen hatte, gab er 1597-1598 unter dem Titel Icones virorum illustrium doctrina et eruditione praestantium ad vivum effictae cum eorum vitis 100 Gelehrtenviten mit Kupferstichporträts heraus. Die Söhne Johann Theodor de Bry (1561-1623) und Johann Israel de Bry (vor 1570-1611) setzten zusammen mit dem Frankfurter Literaten Johann Adam Lonicer das Werk fort (Teil 3 und 4: 1598/99). Bis 1664 wuchs die Porträtgalerie in Buchform auf 9 Teile mit insgesamt 438 Bildnissen an. 1669 folgte eine Gesamtausgabe, in die Restauflagen des 8. und 9. Teils (von 1652 und 1664) eingefügt wurden. Die Lebensbeschreibungen der früheren Teile wurden hier nicht mehr reproduziert. Als Kupferstecher und teils auch Verleger folgten den Brüdern de Bry Sebastian Furck (um 1600-1655; Mitarbeit am 6. Teil, 1628), Klemens Ammon (Schwiegersohn von Joh. Th. de Bry; Teil 7 und 8, 1650-1652) und Mathias van Somer aus Holland (Teil 9, 1664).

Die Auswahl der dargestellten Personen spiegelt in der Gewichtung der Konfessionen zwar die reformierte Richtung der Urheber, ist jedoch nicht engherzig auf Konfessionsgenossen beschränkt. Die zur Verfügung stehenden Vorlagen sind wohl maßgeblich dafür, daß auch einige Gelehrte des 13. bis 15. Jahrhunderts unter die weit überwiegende Zahl von Zeitgenossen des 16. und 17. Jahrhunderts eingestreut sind. Einige Päpste sind als gelehrte Schriftsteller berücksichtigt, ebenso Fürsten wie z.B. Moritz der Gelehrte, Landgraf von Hessen-Kassel (1572-1632), dessen Privatlehrer Boissard gewesen ist.

Die Lebensähnlichkeit der Porträts wird durch die Titelformulierung ad vivum effictae betont. Sie ist jedenfalls bei Personen des 16. und 17. Jahrhunderts wahrscheinlich, wenn auch der Vorgang der Transposition - von der Zeichnung oder dem Ölgemälde in den Kupferstich, der oftmals noch seitenverkehrt nachgeschnitten wurde - manche Änderung im Detail und im Gesamteindruck mit sich bringen konnte.

Die künstlerische Qualität der Bildnisse ist recht unterschiedlich. In den früheren Teile wird dank der Zeichnungen Boissards und anderer guter Vorlagen sowie durch die Kunstfertigkeit der Kupferstecher de Bry im allgemeinen ein hohes Niveau erreicht. Diese Porträts reflektieren die Blüte der Bildniskunst im 16. und frühen 17. Jahrhundert. Auch der dekorative Rahmen ist hier oft reich ausgeführt. In den späteren Teilen begegnen zahlreiche Bildnisse geringerer Qualität. Hierfür dürften auch die Nöte des Dreißigjährigen Kriegs verantwortlich sein.

Die in der Bibliotheca Chalcographica vorliegende Reihenfolge der Porträts ist im Ganzen unsystematisch. Hier und da ist eine Gruppenbildung erkennbar. Wir geben zuerst ein vollständiges Inhaltsverzeichnis und im Anschluß daran ein alphabetisches Register der Porträtierten. Von beiden Listen aus kann bei jedem Eintrag die zugehörige Bilddatei durch Anklicken aufgerufen werden. Namensformen und Berufs- sowie Standesangaben u. dgl. sind aus verschiedenen Quellen entnommen und nicht konsequent vereinheitlicht worden.

Porträts in alphabetischer Folge:

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INHALTSVERZEICHNIS:

Titel des Gesamtwerks
Index der Teile 1-5:

Porträts der Teile 1-5:

Titel von Teil 6
Index von Teil 6 (mit Distichen):

Porträts von Teil 6:

Titel von Teil 7
(Index von Teil 7 fehlt)

Porträts von Teil 7:

Titel von Teil 8
Index von Teil 8 (mit Distichen):

Porträts von Teil 8:


Titel von Teil 9
Index von Teil 9 (mit Distichen):

Porträts von Teil 9:

Handgeschriebener Index:


Porträts in alphabetischer Folge:


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Heinz Kredel, E-mail: kredel@rz.uni-mannheim.de

Wolfgang Schibel, E-mail: Schibel@bib.uni-mannheim.de

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Mannheim, 3. Juli 1997