MATEO - Mannheimer Texte Online
DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN GRIECHENLAND UND DER DDR UND DAS VERHÄLTNIS DER SED ZUR KKE
von Andreas Stergiou
MATEO Monographien Band 22
Mannheim 2001
ISBN: 3-932178-28-9
Abstract
Die vorliegende Arbeit schließt eine Forschungslücke. Zum ersten Mal wurde der Versuch unternommen, die Beziehungen zwischen drei Ländern (DDR, Zypern und Griechenland) und fünf Parteien (SED, PASOK, KKE, AKEL und EDA) auf Grund von unbekannten Archivalien, Aussagen von Zeitzeugen und interdisziplinärer Sekundärliteratur wissenschaftlich aufzuarbeiten. Gleichzeitig untersuchte der Verfasser die Auswirkungen dieser Beziehungen in den Jahren von 1948 bis 1989 auf den Verlauf der politischen und historischen Entwicklungen in diesen Ländern unter besonderer Berücksichtigung des internationalen politischen Umfelds. Es haben sich folgende Entwicklungsphasen herauskristallisiert:
- Die erste Entwicklungskurve bezieht sich auf die Zeit des griechischen Bürgerkrieges 1948-1949. In seiner heißesten Phase, 1948, beschloss das Zentralkomitee der SED, ein Hilfskomitee für das „Demokratische Griechenland“ bzw. für die griechischen Kommunisten zu gründen. Es sollte Geld- und Sachspenden sowie humanitäre Hilfe für die Partisanenarmee im griechischen Bürgerkrieg aufbringen. Bis 1949 gelang es der SED, den griechischen Genossen eine ansehnliche materielle Hilfe zu Verfügung zu stellen. Von größerer Bedeutung jedoch war, dass die Sowjetische Besatzungszone und die spätere DDR ca.1300 Kindern aufnahmen, die die griechischen Kommunisten im Rahmen der Operation „Paidomazoma“ aus den umkämpften Gebieten herausbrachten und in den Ostblock schickten. Aus den Kindern wurden mit Hilfe der SED qualifizierte Arbeiter, Wissenschaftler und nicht selten auch Parteifunktionäre. Aber trotz großer Bemühungen konnten weder die SED noch die KP Griechenlands (KKE) „Sozialistische internationalistische Musterbürger“, Kämpfer für die Sache des Weltkommunismus schaffen. Einige von ihnen verließen schon als Kinder die DDR, andere zogen nach ihrem Bildungsabschluss die verlockenderen Berufsangebote Westdeutschlands vor und siedelten nach Westberlin über. Es gehört zu den HAuptresultaten dieser Arbeit aufzuzeigen, dass diese jungen Politemigranten ihre besondere griechische nationale Identität nie verloren haben.
- Die Aufnahme und Erziehung der Kinder in den Fünfziger Jahren bildet ein anderes Kapitel dieser Geschichte. Somit setzte eine „brüderliche“ Kooperation zwischen der SED und der KKE, die sich in den folgenden Jahrzehnten wandeln sollte. Im Bemühen der DDR, in den 50er und 60er Jahren aus ihrer Isolation herauszugelangen und diplomatische Beziehungen mit westlichen Ländern aufzunehmen, wurden die KKE und ihre nahestehenden Organisationen (Kulturvereine, Gewerkschaften, die EDA-Partei) zum Promotor ihres Ansehens in Griechenland. Mit diesem Versuch war ihr sogenannter „antiimperialistischer Feldzug“ gegen den anderen Vertreter der deutschen Nation im gesamten hellenischen Raum eng verbunden. Um die politische und ökonomische Dominanz der BRD zu unterminieren, musste Ostberlin unter der permanenten Aufsicht des „großen sozialistischen Bruders“, der UdSSR, alle Register ziehen. So profilierte sich die DDR als „Staat des Friedens“, indem sie geschickt, ohne sich selbst ins Spiel zu bringen, die mangelhafte Aufarbeitung der Kriegsfolgen zwischen Athen und Bonn, die ihre vorzügliche ökonomische und politische Kooperation um keinen Preis gefährden wollten, ausnutzte. Gleichzeitig spielte sie zu diesem Zweck die permanenten Zwistigkeiten Griechenlands mit seinen NATO-Partnern hoch. Mit ihrer großzügigen Handelspolitik und den unzähligen Stipendien, die sie den Mitgliedern der linken Parteien zur Verfügung stellte, machte sich die DDR unter den ärmeren Schichten und den Bauern einen Namen.
Doch diese Taktik trug bis zum Anfang der siebziger Jahren weder in Griechenland noch auf dem neutralen Zypern, wo ihr Partner, die kommunistische Partei Zyperns AKEL, sogar die stärkste politische Macht war, wenig Früchte. Die Hallstein-Blockade blieb auch in diesen Staaten ungebrochen. Paradoxerweise sollte Ostberlin diplomatische Erfolge erst in der Zeit der Militärdiktatur in Griechenland (1967-1974) erzielen. Nach einem aufgewerteten Handelsabkommen kam es zum lange ersehnten Durchbruch. 1973 nahmen Griechenland und die DDR volle diplomatische Beziehungen auf. Somit folgte Athen dem Beispiel von Nikosia ein Jahr zuvor. Der Weg zur Herstellung normaler diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Staaten war jedoch kein reibungsloser Prozess: Die Spaltung der griechischen kommunistischen Bewegung im Jahre 1968, die die orthodoxen Kommunisten in Griechenland der Wut der Obristen und in Rumänien, im Sitz der Exilführung, den Nachstellungen der rumänischen „Reformisten“ aussetzte, brachte die SED auf den Plan. Die ostdeutsche Partei übernahm anstelle der Rumänen die offizielle Patenschaft der KKE. Angesichts dieser Situation hätte eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Athen und Ostberlin unvorstellbar sein müssen. Doch in diesem kritischen Moment ließ die DDR gleichzeitig ihre griechischen Genossen im Stich, folgte dem Diktat der Realität und orientierte ihre Politik an den damaligen politischen Gegebenheiten.
- Nach der Wiederlegalisierung der Parteien in Griechenland im jahre 1974 wirkte sich die notgedrungene Hinnahme dieser Haltung Ostberlins durch die orthodoxen Kommunisten sehr positiv auf ihre Stellung innerhalb der linken Anhängerschaft aus. Die dauerhafte Unterstützung durch die Bruderparteien (KPdSU, SED) versetzte sie in die Lage, ihren kommunistischen Alleinvertretungsanspruch in der griechischen politischen Landschaft durchzusetzen. Die KKE konnte sich dennoch nicht zur Hauptpartnerin der DDR in Griechenland entwickeln. Denn diese Rolle konnte die PASOK unter Andreas Papandreou usurpieren, da sie 1981 zur ersten sozialistischen Regierungspartei Griechenlands geworden war. In den Achtziger Jahren prädestinierten der Wandel der von andauernden Spannungen gekennzeichneten internationalen politischen Szene und der immer lauter werdende Antiamerikanismus der PASOK Papandreou zum Lieblingsgesprächpartner des Ostens.
- Die Annäherung Papandreous an die sozialistischen Staaten, die seine Weltfriedenspolitik begrüßten, kam damals den Plänen der DDR entgegen, durch multilaterale Beziehungen mit Ländern des Westens möglichst viel Spielraum in ihrer Außenpolitik zu bewahren. Ostberlin befürchtete nämlich nach dem Regierungswechsel im Kreml einen wachsenden Druck auf seine Außenpolitik, sich auf einen harten Kurs dem Westen gegenüber einzustellen. Die kokettierende Taktik des griechischen Premierministers, der mehrere Staatsbesuche der DDR abstattete, ließ Ostberlin glauben, seine Außenpolitik ruhe auf einer soliden Basis. Als sich aber die veraltete SED-Führung in den späten 80er gegen die Perestroika und Gorbatschow sträubte und dadurch rasch ihr Renommée im Westen verspielte, zerstörte sie sowohl die Beziehung zur PASOK wie zu den Kommunisten gerade in dem Moment, als sie an der Regierung beteiligt waren.
Nicht mehr liferbar [
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