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Oswald Riedel: Wahrheit als Quantität, im Beispiel der Chemie

Kurzfassung

Wahrheit als Quantität zu spezifizieren wird verlangt von der quantitativen chemischen Analyse. Diese, eher kommerziell betrieben, soll philosophisch ergiebig sein ?

Sie ist es, wird sie doch von der Wahrheitsfrage beherrscht, mehr als manche philosophische Hervorbringung, indem der Analytiker Bürge der Wahrheit seiner Zahlen für Mengen, Konzentrationen, Atomgewichte ... zu sein hat.

Doch wo der messende Analytiker Wahrheit wollte, muß er sich mit Wahrscheinlichkeit bescheiden. Seine Zahlen fallen an mit Streuungen , wobei der Zufallsgenerator sich nicht offenbart, außer in der radiometrischen Analyse. Diese Lücke in der Semantik überspielte Gauß pragmatisch; Hilbert: "Mogeln".

Raffe ich mich dazu auf, erkennen zu wollen, dann folge ich, auch unabsichtlich schon, der kantischen Trias: Noumenon — Ding an sich — Transzendentales Objekt. Noumenon meint ein Bündel von Vor-Urteilen, worunter etwa "Es gibt Atomgewichte". Ding an sich heißt ein Bündel von Phainomena; keinesfalls zu verstehen als alt-ontologisches Ding — wie fälschlich seit Jacobi bis heute — sondern als den Phainomena "hinzuerfunden", wie Nietzsche treffend sagt. Das Transzendentale Objekt erbringt den Begriff, in ihm enthalten den Befund der Analyse.

Wahr ist die Antwort, sobald die drei gegeneinander beruhigt sind, in jener adaequatio rei et intellectus, welche jetzt keine hohle Vokabel bleibt, sondern zwar mit der "Amplitude" vibriert, doch solide auf der Trias gründet. Ewiglich verbürgt ist die Ruhe nicht; durch Neuheiten wie Analysenwaage,... Massenspektrograph..., werden Phainomena problematisiert und damit die ganze Trias.

Eine Ruhe in der Trias teilt sich dem Analytiker als Mensch mit, vor allem, wenn seine Zahlen mit denen anderer Laboratorien innerhalb übereinstimmen. Die durch die Zahl präzisierte adaequatio wird ihm nicht streitig gemacht durch die vertrauten, wiewohl mangelhaften Wahrheitskriterien der Kohärenz und des Konsens, wohl aber durch die "semantische" Wahrheitstheorie von Tarski. Laut Tarski und Nachfolgern soll Wahrheit nämlich nicht mehr sein als ein Scheinproblem. Das wird nicht nur, nach Strawson, widerlegt, sondern kritische Semantik verweist überdies das Prädikat "wahr" an den Menschen, an die in seinem Geiste vorhandene Trias.


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