„Die Unterstützung durch das Akademische Auslands­amt war großartig!“

Rafik, 26, kommt aus Damaskus, der Hauptstadt Syriens. Vor einem Jahr hat er seinen Master in Wirtschafts­informatik an der Universität Mannheim begonnen. In seiner myUniMA story spricht Rafik über die schwierige Entscheidung, Syrien zu verlassen, seinen Weg von der Bewerbung bis zum Studien­beginn in Deutschland und über sein Studentenleben in Mannheim.

Warum hast du dich dafür entschieden, deinen Master hier in Deutschland zu machen?

Ich habe drei Jahre Betriebs­wirtschafts­lehre in Damaskus studiert. Nachdem ich dann eine zweijährige Spezialisierung in „Management Information Systems“ gemacht hatte, war mir klar, dass ich mich in meinem Master weiter im Bereich Wirtschafts­informatik spezialisieren möchte. Dabei wusste ich ziemlich schnell, dass ich an die Universität Mannheim möchte. Ich habe mich nur an zwei Universitäten beworben: der Universität Lund in Schweden und der Universität Mannheim. Beide haben einen sehr guten Ruf im Fach­bereich Wirtschafts­informatik. Ein weiteres Plus für Mannheim war, dass drei Kommiliton*innen, die mit mir in Damaskus ihren Abschluss gemacht haben, auch hier studieren. Sie haben mir die Universität empfohlen und mit der Bewerbung geholfen. Mannheim hat uns jetzt wieder alle zusammengebracht.

Gab es Herausforderungen auf dem Weg von deiner Bewerbung bis hin zu deiner Ankunft in Mannheim?

Es gab einige Herausforderungen, insbesondere bei der Beantragung eines Visums und der Eröffnung eines Bankkontos in Deutschland. Aber das Akademische Auslands­amt der Universität Mannheim hat mich bei jedem Schritt unterstützt – vom Letter of Acceptance bis hin zum Bankkonto. Die Hilfe, die ich bekam, war großartig. Diese Meinung wird auch von so gut wie jedem internationalen Studierenden geteilt. Die Mitarbeitenden haben wirklich alles getan, um mich optimal zu unterstützen.

Wolltest du schon immer einen Master im Ausland machen?

Nein, um ehrlich zu sein, war ich eigentlich fest entschlossen, in Syrien zu bleiben. In meinem Freundeskreis war ich einer der letzten, der gegangen ist. Ich wollte nicht weg, weil ich mich vor Ort engagieren wollte. Außerdem ist es nicht einfach, das gewohnte Umfeld zu verlassen, auch wenn es dort Probleme gibt. Man muss sein Netzwerk, seine Kultur und Sprache zurücklassen. Letztendlich habe ich dann aber realisiert, dass auch wenn ich etwas bewirken kann, es nicht genug ist im Vergleich zu den großen Problemen. Daher habe ich mich dafür entschieden, meine Zeit in einen Master zu investieren, der am Ende für mich persönlich und auch für die Gemeinschaft nützlich sein kann.

Entspricht dein Master­studium deinen Erwartungen?

Mir gefällt das Programm sehr gut und es entspricht größtenteils meinen Erwartungen. Was mir besonders gefällt, ist, dass es versucht, die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu überbrücken. Es gibt ein breites Angebot von praktischen Projekten in den meisten Kursen sowie das so genannte „Team Projekt“, bei dem mehrere Studierende gemeinsam ein bestimmtes Produkt entwickeln oder eine spezifische Aufgabe für ein Unternehmen lösen.

Und wie gefällt dir das Studentenleben in Mannheim?

Das ist wirklich besonders. Es ist das erste Mal, dass ich mich in einem so multikulturellen Umfeld befinde. In meinem Master­programm arbeite ich oft an Projekten mit Studierenden aus vier oder fünf verschiedenen Ländern zusammen. Mir gefällt diese Diversität – zu sehen, wie Leute mit allen möglichen kulturellen Hintergründen und Denkweisen zusammen an einem Projekt und einem Ziel arbeiten. Alltägliche Unterhaltungen bei einer Tasse Kaffee können so schnell interessant werden. Außerdem denke ich, dass Mannheim wirklich für Studierende gemacht ist. Als Student ist es einfach, hier Leute kennen zu lernen und es gibt immer etwas zu tun. Ein tolles Angebot sind beispielsweise die Studierenden­initiativen der Uni. Eine dieser Initiativen, „Nice to meet you Mannheim“, war mein Einstieg in das soziale Leben in Mannheim. Ein Freund aus Syrien hat mich der Gruppe vorgestellt und ich habe dort tolle Leute kennen gelernt.

Wie fühlst du dich, wenn du an die Situation zu Hause in Syrien denkst?

Es ist wirklich schwer zu beschreiben. Die Frage weckt gemischte Gefühle. Das Problem ist, dass die Dinge dort schrittweise passieren. Schritt für Schritt realisieren die Menschen, dass sie in einem Krieg leben. Weil sich die Situation nur langsam ändert, führt das dazu, dass man sich dem auch schrittweise anpasst. Das ist aber auch notwendig, weil man sonst emotional kaum damit umgehen könnte. Von Zeit zu Zeit hört man von einem Freund oder jemandem, den man kannte, dass er gestorben ist und das bringt all die Emotionen zurück, die man versucht zu verdrängen. Das Schwierigste an der Situation ist das Gefühl der Hilflosigkeit. Natürlich kann man versuchen, etwas zu tun, aber letztendlich spürt man, dass nichts einen großen Unterschied machen wird. Man kann entweder weiter hinschauen oder man wendet sich von den Problemen ab. Das Alltagsleben muss irgendwie weitergehen, auch wenn es manchmal kein Wasser oder keine Elektrizität gibt, aber man für eine Prüfung am nächsten Tag lernen muss. Die Leute versuchen immer noch, das Beste aus der Situation zu machen und Normalität zu leben. Sie möchten immer noch abends ausgehen, auch wenn die Bar oder der Club in einem gefährlicheren Teil der Stadt liegt. Am Ende bleibt einem nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass es besser wird. Was ich für mich aus der Situation mitnehme ist, dass man nichts im Leben als selbstverständlich ansehen sollte.

Kannst du dir für die Zukunft vorstellen, in Deutschland zu leben und zu arbeiten?

Neben dem Studium arbeite ich bei SAP. Ich finde, das ist ein tolles Unternehmen, das seinen Beschäftigten viel Flexibilität bietet. Da es ein großes multinationales Unternehmen ist, kann man dort die volle Bandbreite an Unternehmens­erfahrung sammeln. Mein Plan für die Zukunft ist aber, nach Damaskus zurückzugehen. Ich hoffe, dass das möglich ist. Momentan ist unklar, wie das Land sich wirtschaft­lich entwickeln wird. Ich denke, die Sicherheitssituation wird besser werden, da der Krieg auf lange Sicht niemandem nützt. Die Frage ist aber, ob die wirtschaft­lichen Konsequenzen des Krieges für das Land verkraftbar sind.

Text: Lena Trumpfheller / März 2018