Freihandels­abkommen und ihre Beurteilung

Studie der Universität Konstanz und der Universität Mannheim über die Meinungs­bildung zu Freihandels­abkommen

Gemeinsame Pressemitteilung mit der Universität Konstanz vom 5. April 2018
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Freihandels­abkommen werden in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert. Die Hintergründe, warum Menschen für oder gegen Freihandel eintreten, untersuchten nun  Politik­wissenschaft­ler der Universität Konstanz und der Universität Mannheim in einer aktuellen Studie. Am Beispiel von TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) befragten sie rund 8.000 Personen zu ihrer Haltung gegenüber Freihandel im Allgemeinen und TTIP im Speziellen. Ihr Fazit: Für die Meinungs­bildung zu spezifischen Freihandels­abkommen sind ökonomische Erwägungen nicht unbedingt entscheidend. So spielten im Fall von TTIP beispielsweise allgemeine Haltungen gegenüber den USA sowie zum Verbraucherschutz eine deutlich wichtigere Rolle. Die Studie mit dem Titel „Context-driven attitude formation” wurde im Wissenschafts­journal „Review of International Political Economy” publiziert.

„Klassische Erklärungs­ansätze setzen die Einstellungen zu Freihandel hauptsächlich mit ökonomischem Selbstinteresse und allgemeinen Wertvorstellungen zu offenen Gesellschaften und Globalisierung in Verbindung – selbst wenn diese Aspekte in der politischen Auseinandersetzung um spezifische Abkommen nur eine untergeordnete Rolle spielen“, erklärt Prof. Dr. Andreas Jungherr, Juniorprofessor für Social Science Data Collection and Analysis an der Universität Konstanz. Diese Erklärungs­ansätze, so Jungherr, reduzieren spezifische Abkommen zu stark auf den Handels­aspekt. „Dies birgt die Gefahr, die tatsächlichen Gründe für die Unterstützung oder Ablehnung spezifischer Abkommen zu verkennen“, warnt Jungherr: „Unsere Studie zeigt: Um die öffentliche Meinung zu spezifischen Freihandels­abkommen zu erklären, müssen wir stärker darauf achten, welche Aspekte im konkreten Fall tatsächlich öffentlich diskutiert wurden. Die öffentliche Debatte über TTIP drehte sich in Deutschland nicht hauptsächlich um ökonomische Fragen, sondern um Verbraucherschutz, um die Transparenz politischer Prozesse und um die transatlantischen Beziehungen. Genau diese Aspekte waren auch für die Deutschen bei der Bewertung von TTIP entscheidend“, so Jungherr.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut infratest dimap durchgeführt und nutzte das Payback Online Panel als Basis der Umfrage. Der Fragebogen beinhaltete Fragen zu Freihandel im Allgemeinen, zur Bewertung von TTIP, zu Haltungen zu offenen Gesellschaften, nationaler Identität sowie zu weiteren politischen Aspekten. Auf diese Weise konnten die Politik­wissenschaft­ler unter anderem aufzeigen, dass die Einstellungen zu TTIP nur bedingt mit wirtschaft­lichen Überlegungen und stärker mit nicht-ökonomischen Erwägungen zusammenhingen, wie etwa Haltungen gegenüber dem potenziellen Vertrags­partner, der Transparenz politischer Prozesse und dem Verbraucherschutz.

Originalpublikation:

Andreas Jungherr, Matthias Mader, Harald Schoen & Alexander Wuttke (2018) Context-driven attitude formation: the difference between supporting free trade in the abstract and supporting specific trade agreements, Review of International Political Economy, 25:2, 215–242

DOI: 10.1080/09692290.2018.1431956

Link: www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09692290.2018.1431956

 

Faktenübersicht:

  • Aktuelle Studie der Universität Konstanz und der Universität Mannheim zu den Hintergründen der Meinungs­bildung zu Freihandels­abkommen.
  • Veröffentlicht in „Review of International Political Economy“: Andreas Jungherr, Matthias Mader, Harald Schoen & Alexander Wuttke (2018) Context-driven attitude formation: the difference between supporting free trade in the abstract and supporting specific trade agreements, Review of International Political Economy, 25:2, 215–242.
  • Befragung von rund 8.000 Personen über das Payback Online Panel. Durchführendes Umfrageinstitut: infratest dimap.
  • Gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Arbeitgeber­verband Gesamtmetall.
  • Politik­wissenschaft­ler aus Konstanz und Mannheim zeigen in der Studie auf, dass wirtschaft­liche Erwägungen in der Meinungs­bildung zu spezifischen Freihandels­abkommen nicht unbedingt entscheidend sind. Ausschlaggebend sind vielmehr Einstellungen gegenüber Aspekten, die im jeweiligen Fall öffentlich diskutiert wurden.
  • Die Einstellungen der Deutschen zu TTIP hingen besonders eng mit Haltungen gegenüber dem potenziellen Vertrags­partner, der Transparenz politischer Prozesse und dem Verbraucherschutz zusammen.

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