NEST-BW Projektlinien
Entwicklung eines Orientierungsleitsystems
In einem Kooperationsprojekt bestehend aus NEST-BW, heiTEST, dem Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz der Universität Mannheim und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg wird an der Entwicklung eines übergeordneten Orientierungsleitsystems (OLE) zur Studienorientierung gearbeitet. Das OLE soll es Studieninteressierten erleichtern, ihre Studienentscheidung mit Hilfe bestehender Verfahren passgenau zu optimieren und die Studienorientierungsangebote des Landes und der Hochschulen stärker verzahnen.
Dabei steht die Adaptivität des OLE im Vordergrund, das Unterstützung anhand der individuellen Bedarfe der Orientierungssuchenden bietet. Die Plattform soll unterschiedliche Phasen der Entscheidungsfindung abdecken und dabei die Nonlinearität eines solchen Orientierungsprozesses widerspiegeln: Neben Fragen des richtigen Bildungsweges, Studienfachs und -ortes werden die Studieninteressierten auch durch die Einbettung von persönlichen und hochschuleigenen Beratungsangeboten durch den Entscheidungsprozess begleitet. Ebenso zentral wie die Entwicklung und Verzahnung solcher Tests ist die Integration umfassender Informations-, Beratungs-, Unterstützungs- und Erfahrungsangebote. Auch sollen Emotionen von Unsicherheit im Studien- und Berufsorientierungsprozess adressiert werden, die Nutzer*innen ermutigende Selbstreflexionsverfahren vorfinden und über Anlaufstellen zu praktischer Unterstützung informiert werden. Durch die KI-gestützte Entwicklung des OLE soll dieses zu einem zukunftsträchtigen Orientierungsangebot werden, das fundierte Studienentscheidungen ermöglicht.
Ermutigende Selbstreflexionsverfahren
Mit ermutigenden Selbstreflexionsverfahren sollen Studieninteressierte darin bestärkt werden, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und sich ein Studium ihren Fähigkeiten entsprechend zuzutrauen. Denn für eine gelingende Studienorientierung ist es wichtig, dass Studieninteressierte zu einer realistischen Einschätzung ihrer Fähigkeiten und Interessen gelangen. Wenn Studieninteressierte zwar Interesse an einem Fach besitzen, sich dieses jedoch trotz vorhandener Fähigkeiten nicht zutrauen, bleiben so ihr persönliches Potenzial als auch gesellschaftliche Ressourcen ungenutzt. Langfristig werden dadurch Bildungsdisparitäten sowie der Fachkräftemangel verstärkt. Beispielsweise entscheiden sich insbesondere Frauen bei gleicher Eignung häufiger gegen ein MINT-Studium (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) oder brechen dieses mit höherer Wahrscheinlichkeit ab als ihre Kommilitonen.
Eine niedrigschwellige und zugängliche Möglichkeit, diese Probleme zu adressieren, können kurze Interventionen sein, welche die Fehlüberzeugungen über Fähigkeiten reflektiveren, persönliche Ressourcen (z. B. den bewussten Umgang mit negativen Emotionen) aktivieren und positive Impulse setzen. Die ermutigende Komponente soll dabei als Element in bestehende Orientierungs- und Unterstützungsangebote ergänzt werden . So möchten wir Studierenden und Studieninteressierten durch die Interventionen bestärken und zur Reflexion anregen, sowie den Prozess wissenschaftlich begleiten. So können neue Erkenntnisse über die Wirksamkeit auf Studienzufriedenheit und -erfolg gewonnen werden und eine adaptive Einbindung in den Studienorientierungsprozess gefördert werden.
Qualitätsleitfaden für Orientierungsverfahren
Studieninteressierten in Baden-Württemberg steht eine breite und umfassende Landschaft an Orientierungs- und Selbstreflexionsverfahren zur Verfügung. Außerdem werden stetig neue Verfahren entwickelt und bestehende Verfahren verbessert. Vor diesem Hintergrund hat die NEST-BW Koordinationsstelle einen Leitfaden mit Qualitätskriterien entwickelt. Dieser zielt bei der Entwicklung neuer Verfahren darauf ab, deren Wirkungsgrad zu optimieren und liefert verlässliche Bewertungskriterien bei der Evaluation der Güte bestehender Verfahren. Inwiefern bereits existierende Verfahren die Qualitätskriterien erfüllen, soll langfristig durch die Vergabe von Gütesiegeln transparent gemacht werden, um so Hochschulen für die Sicherstellung von Best Practices auszuzeichnen. Im Fokus stehen dabei stets die Nutzer*innen. Denn für eine fundierte Studienorientierung ist bedeutsam, dass Studieninteressierte schnell und intuitiv qualitativ hochwertige Angebote finden können.
Beratungsmaterialien für Studienberater*innen & Unterrichtsmaterialien für Lehrer*innen
Um Schüler*innen während ihres Orientierungsprozesses optimal zu begleiten, ist es wichtig, ihre individuellen Unterstützungsbedarfe gezielt zu adressieren. Die NEST-BW-Koordinationsstelle unterstützt Studienberater*innen und Lehrkräfte dabei, indem sie ihnen Beratungs- und Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellt. Diese sollen als Ressourcen dienen und die Unterrichtsvorbereitung sowie die Vorbereitung von Beratungsgesprächen erleichtern. Außerdem ermöglichen sie den Einsatz webbasierter Selbstreflexionsverfahren in der Schule oder Workshops zur Studienorientierung.
Die Selbstreflexionsverfahren können von den Schüler*innen auch vor, während oder zwischen Beratungsgesprächen bearbeitet werden. Ebenso kann das Feedback aus den Verfahren zum Besprechungsgegenstand in der Beratung werden und eine persönliche Nachbereitung und Einordnung erfolgen. Die Materialien umfassen verschiedene Fragebögen zur Reflexion und Arbeitsblätter für Schüler*innen, wie etwa zu den Unterschieden zwischen Hochschulformen sowie Hinweise zum geeigneten Einsatz von Onlineverfahren für Lehrkräfte.
Adaptive Kompetenzdiagnostik
Eine Herausforderung für Studienorientierungssysteme stellt die Rückmeldung der Studienfachpassung dar, die sich neben Interessensmustern auch an Kompetenzen orientiert. Insbesondere die Testung fachspezifischer Kompetenzen und nicht einer allgemeinen fachübergreifenden Studierfähigkeit stellt dabei noch eine Lücke in den derzeitig verfügbaren Testverfahren dar und eine Vorhersage anhand von Schulnoten ist nicht ausreichend aussagekräftig. Deswegen arbeitet NEST-BW in einem Kooperationsprojekt der Koordinationsstelle mit JProf. Dr. Marc-Philipp Janson (PH Karlsruhe) an der Entwicklung eines adaptiven Testsystems zur Kompetenzdiagnostik. Dieses soll anhand webbasierter Verfahren ein individuelles, fachspezifisches Kompetenzprofil und die Passung zu verschiedenen Studienprogrammen rückmelden. Im ersten Schritt wird die Machbarkeit getestet, indem die eindeutige Abgrenzung von angrenzenden Fächern insbesondere im MINT-Bereich untersucht wird. Anschließend folgt die empirische Überprüfung der Vorhersagekraft der entwickelten Itembatterien.
Vernetzung und Transfer
Wir möchten bereits vorhandenes Wissen nutzen, miteinander verbinden und daraus neue Expertise entwickeln. Dabei spielt der Austausch von Erfahrungen und projektübergreifenden Fragestellungen eine zentrale Rolle, um die Entwicklung von möglichst passenden und umfassenden Studienorientierungsangeboten zu fördern. Dazu setzen wir Akteur*innen aus den Bereichen Hochschule, Schule und darüber hinaus miteinander in Kontakt und bieten eine Plattform, um in den gemeinsamen Austausch zu treten. Über unsere verschiedenen Kanäle, darunter unserem Newsletter, können Veranstaltungen, Angebote und Neuigkeiten geteilt werden. Das Herzstück stellt die jährliche Netzwerktagung dar, auf der der persönliche Austausch, Einblicke in aktuelle Entwicklungen in der Studienorientierungslandschaft und das Zusammenbringen von Ideen im Vordergrund steht.
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Assoziierte Forschungsprojekte
Entwicklung eines adaptiven KI-gestützten Verfahrens zur Messung von Studieninteressen (KISTe-BW)
Im Forschungsprojekt „KISTe-BW“, das in Zusammenarbeit mit der NEST-BW-Koordinationsstelle und dem Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz der Universität Mannheim durchgeführt wird, werden neue KI-gestützte Verfahren zur Interessensdiagnostik entwickelt und getestet. Dabei werden adaptive Prüfstrategien und -modelle entwickelt, die es ermöglichen sollen, die Passung der eigenen Interessen zu den Inhalten zahlreicher Studiengänge präzise und effizient zu bestimmen. Zu diesem Zweck werden innovative Machine-Learning-Algorithmen genutzt und in Chatbots auf Basis von Large Language Models integriert werden. Aus bildungswissenschaftlicher Sicht untersucht das Projekt insbesondere, wie Nutzerinnen und Nutzer mit solchen Systemen interagieren und wie sich dabei Verzerrungen in den Empfehlungen reduzieren lassen. Ein zentraler Fokus liegt auf der wissenschaftlichen Überprüfung der Akzeptanz und Wirksamkeit des neuen Verfahrens, um Studienabbrüche zu senken und die Studienwahl langfristig besser zu unterstützen. Das Forschungsprojekt wird durch das MWK Baden-Württemberg gefördert und läuft bis Ende 2027.
