Alkohol ist auch keine Lösung

- Alena Friedrich –

Jugendliche, die ihre negativen Gefühle differenzierter beschreiben können, trinken weniger Alkohol.

Hol mir ma‘ ne Flasche Bier, Flasche Bier, Flasche Bier. Hol mir ma‘ ne Flasche Bier, Flasche Bier, sonst streik ich hier.

In Deutschland wird gut und gerne getrunken und dies auch schon in sehr jungen Jahren. Laut statistischem Bundes­amt wurden 2008 insgesamt 25.700 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 10 und 20 Jahren aufgrund akuten Alkoholmissbrauchs stationär im Krankenhaus behandelt. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist dies ein Zuwachs von 170%.  

Es gibt viele Gründe Alkohol zu trinken. Neben dem guten Geschmack oder Gruppen­zwang sind häufige Nennungen auch „um abzuschalten“, „um den Stress in der Schule und der Arbeit zu vergessen“, „um Kummer zu ertränken“ oder „um Ängste abzubauen“. Mit negativen Emotionen umgehen zu müssen motiviert also viele, zur Flasche zu greifen. Doch trifft dies wirklich auf die Mehrheit der Jugendlichen zu? Führt das bloße Vorhandensein von negativen Emotionen zu vermehrtem Alkoholkonsum oder lohnt es sich genauer zu betrachten, wie Jugendliche ihre Emotionen wahrnehmen und verbalisieren?

In einer Studie untersuchte ein Forschungs­team um Todd B. Kashdan den Zusammenhang zwischen dem Erleben von negativen Emotionen und Alkoholkonsum und stellte die Hypothese auf, dass es auf die sensible und genaue Wahrnehmung und Verbalisierung dieser Emotionen ankommt. Jugendliche bekamen einen programmierten Taschencomputer, in dem sie über drei Wochen hinweg mehrmals die Intensität von negativen Emotionen (traurig, ängstlich, ärgerlich, abgelenkt,…) vor dem Trinken und die konsumierte Alkoholmenge angeben sollten. Die Forscher wollten dabei wissen, wie feinfühlig die Jugendlichen waren und wie differenziert sie daher ihre Emotionen angeben konnten.

Das Ergebnis: Durchschnittlich wurden pro „Trinkgelegenheit“ 4,5 Getränke konsumiert. Waren Jugendliche vor dem Trinken vorwiegend gut gelaunt, spielte es bezüglich der Alkoholmenge keine Rolle, ob sie differenziert über ihre Emotionen berichten konnten. Waren sie hingegen schlecht gelaunt, machte die Fähigkeit zur genauen Gefühlsbeschreibung einen großen Unterschied. Jugendliche, die sehr differenzierte, genaue Angaben über ihre Emotionen machen konnten und sich nicht auf allgemeine Beschreibungen wie „gut“ oder „schlecht“ beschränkten, tranken bei negativen Emotionen sogar weniger Alkohol als bei positiver Stimmung. Es scheint also, als ob „unsensiblere“ Jugendliche Alkohol eher als einen Weg sehen um mit Problemen umzugehen. Kann ein Jugendlicher jedoch genauer beschreiben wie er sich fühlt, kann er eher identifizieren woher das Gefühl kommt und was man dagegen tun könnte. Alkohol als Lösung erscheint dadurch weniger attraktiv. Offen bleibt die Frage, ob dieser Effekt möglicherweise auf den Bildungs­stand der Jugendlichen zurückzuführen ist. Ausschließen konnte das Forschungs­team zumindest, dass das Ergebnis nur mit dem Geschlecht, dem Alter oder Alkohol­problemen in der Familie zusammen hängt. Auf der Basis der jetzigen Studie kann man schlussfolgern, dass es sinnvoll wäre, Jugendlichen zu einer genaueren Wahrnehmung und Verbalisierung ihrer (negativen) Emotionen zu verhelfen und ihnen einen angemessenen Umgang mit negativen Emotionen zu vermitteln: Also Drama Baby, Drama!

Kashdan, T.B., Ferssizidis, P, Collins, R.L., & Muraven, M (in press). Emotion Differentiation as resilience against excessive alcohol use: an ecological momentary assessment in underage social drinkers. Psychological Science.

Statistisches Bundes­amt, Zugriff 24.08.2010; www.destatis.de

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