Außen­seiter in Designerklamotten

- Anne Landhäußer –

Bei Schulkindern fördert das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, eine materielle Einstellung.

Gruppen­druck beginnt nicht erst dann, wenn auf dem Schulhof die ersten heimlichen Zigaretten gepafft werden und einzelne Schüler jeden Montag akribisch auflisten, wie viele Alkopops sie sich wochenends erfolgreich einverleiben konnten. Schon manche Grundschüler achten haargenau darauf, welche Kleidung ihre Mitschüler tragen und welche Spielsachen bei ihnen unter dem Weihnachtsbaum liegen.

Angesichts der Tatsache, dass heute schon viele Achtjährige auf ein modebewusstes Äußeres achten und bei der Wahl von Kleidung, Spielzeug und Kommunikations­mitteln auf Markenprodukte Wert legen, scheinen die Kinder von heute materialistischer denn je zu sein. Dass das Umfeld, die Freunde, der Gruppen­druck dabei eine Rolle spielen, erscheint plausibel, doch bislang liegen nur wenige Forschungs­befunde zum Zusammenhang zwischen Materialismus bei Kindern und Gruppen­prozessen vor.

Mit Hilfe von Studien an mehreren Hundert amerikanischen Grundschülern im Alter zwischen sieben und elf Jahren brachten die Psychologen Robin Banerjee und Helga Dittmar nun ein wenig Licht ins Dunkel. Die Forscher ließen die Schüler jeweils die drei Kinder in der Klasse benennen, mit denen sie am liebsten spielten und diejenigen, mit denen sie das am wenigsten gerne taten. So ließ sich feststellen, welche Kinder beliebt waren und welche eher zu den Außen­seitern gehörten. Mit Hilfe eines Fragebogens fanden die Forscher dann heraus, dass die Außen­seiter sich in ihrer Klasse einem viel größeren Gruppen­druck ausgesetzt sahen als die beliebten Kinder. Dieser empfundene Gruppen­druck wiederum begünstigte eine materialistische Einstellung.

Allerdings ließ sich auch ein direkter Zusammenhang zwischen erlebter Zurückweisung und Materialismus feststellen, was darauf schließen lässt, dass nicht nur der empfundene Gruppen­druck, sondern auch andere Faktoren von Bedeutung sind. Die Daten lassen aber auch einen umgekehrten Schluss zu: Möglicherweise werden gerade die Kinder, die besonders viel wert auf Markenprodukte legen, in der Klasse eher ausgeschlossen. Sicher belegt ist: Sozialer Ausschluss und Materialismus gehen häufig Hand in Hand – und der erlebte Gruppen­druck spielt dabei eine wichtige Rolle.

Bei diesen Ergebnissen wundert es nicht, dass viele Studien an Kindern und Jugendlichen einen Zusammenhang zwischen Materialismus und Angst, Unglücklichkeit sowie niedrigem Selbstwertgefühl belegen. Außerdem scheinen materialistisch eingestellte Schüler schlechtere Noten zu schreiben als solche, denen die richtige Marke am Leib nicht allzu wichtig ist. All das könnte auch damit zusammenhängen, dass es gerade die weniger beliebten Kinder sind, die versuchen, mit Marken ihr Image aufzubessern und bei all dem erlebten Druck gelegentlich scheitern müssen. Das schlägt sich nicht nur in den Noten nieder, sondern auch im Selbstwertgefühl. Und das lässt sich mit guten Freunden besser aufpolieren als mit der Spielekonsole.

Banerjee & Dittmar (2008). Individual Differences in Children's Materialism: The Role of Peer Relations. Personality and Social Psychology Bulletin, 34 (1), 17–31.

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