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Bei Gehaltsverhandlungen punkten

In Zeiten der Wirtschaftskrise ist für viele Berufseinsteiger die Jobsuche mit zusätzlichen Fragezeichen verbunden. Eine besonders heikle Frage bei klammen Kassen: Was kann ich an Einstiegsgehalt verlangen?
Manche Bewerbungsratgeber empfehlen, sich bei Gehaltsgesprächen zurückzunehmen und das Angebot des Verhandlungspartners abzuwarten. Dass Zurückhaltung nicht immer die gewinnbringendste Strategie ist, berichten jedoch die Forscher Adam Galinsky, Gilian Ku und Thomas Mussweiler. Aus Forschungsarbeiten zu Verhandlungsstrategien ziehen sie das Fazit, dass in Verhandlungen der Endpreis tendenziell dann höher liegt, wenn der Verkäufer den ersten Angebotsvorschlag unterbreitet.
Eine Erklärung für die Macht des ersten Angebots sind nach Galinsky, Ku und Mussweiler so genannte Ankereffekte. Darunter versteht man die systematische Verzerrung numerischer Urteile hin zu einem zuvor genannten Zahlenwert, dem so genannten Anker. Wird in Verhandlungen ein geringes Anfangsangebot unterbreitet, so dient dieses erste Angebot als Anker für alle weiteren Vorschläge. Geht eine Person dagegen mit einem hohen Erstangebot in die Verhandlung, so orientieren sich Verhandlungspartner an dem hohen Startwert.
Diese Mechanismen könnten auch bei Gehaltsgesprächen von Bedeutung sein. Anstelle eines Verkaufspreises steht in diesem Fall am Ende ein Gehalt, das der „Verkäufer“, also der Bewerber, für den Einsatz seiner Talente und Fertigkeiten erhält. Auch wenn die meisten Forschungsbefunde nicht mit Gehaltsverhandlungen gesammelt wurden, erscheint gerade hier eine konkrete Wirkung von Ankereffekten plausibel. Startet man in die Verhandlung mit einem recht hohen Gehaltsvorschlag, so richtet sich die Aufmerksamkeit des Verhandlungspartners eher auf unsere Stärken. Unser Gegenüber wird also nach Gründen suchen, warum wir ein tendenziell höheres Gehalt wert sein könnten. Liegt dann schon einmal der Fokus auf unseren positiven Seiten, so stehen die Chancen gut, auch mit einem hohen Gehalt aus den Verhandlungen zu gehen. Liegt das erste Angebot allerdings recht niedrig, so suchen Verhandlungspartner nach dem gleichen Prinzip tendenziell eher nach Schwächen. Damit wird wahrscheinlich auch das finale Angebot geringer ausfallen.
Aus diesen Befunden kann man den Schluss ziehen, dass man bei Gehaltsverhandlungen am besten selbst einen Vorschlag unterbreitet (anstatt auf das Angebot der anderen Seite zu warten) und lieber ein wenig mehr als etwas zu wenig verlangt. Eines machen die Autoren allerdings auch deutlich: Wer mit deutlich überzogenen Preis- bzw. Gehaltsvorstellungen in eine Verhandlung geht, wird nicht von Ankereffekten profitieren können. Wahrscheinlich ist dann eher der Abbruch der Verhandlung, da unangemessen hohe Vorschläge den Gesprächspartner abschrecken.
Galinsky, A. D., Ku, G., & Mussweiler, T. (2009). To Start Low or To Start High? Current Directions inPsychological Science, 18(6), 357–361.
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