Bio kaufen, aber danach asozial handeln?

- Anne Landhäußer –

Kanadische Studierende verhielten sich nach einer Kaufentscheidung für Bioprodukte asozialer als solche, die konventionelle Produkte ausgewählt hatten.

„Bio boomt!“ – so wird allerorten behauptet. Angesichts der Tatsache, dass Bio-Produkte nur magere 3,2 Prozent des gesamten Lebens­mittelumsatzes in Deutschland ausmachen, ist Bio allerdings noch lange nicht der Standard. Fakt ist aber, dass immer mehr Menschen zumindest ab und an Produkte mit dem grünen Siegel in ihren Einkaufskorb legen. Weil Bio wegen strenger Richtlinien bezüglich Tierhaltung und Chemikalieneinsatz sowohl den Produzenten als auch Tieren, Pflanzen und Böden zugutekommt, sind grüne Produkte gut fürs Gewissen. Dass dieser moralische Pluspunkt allerdings auch unerwartete negative Aus­wirkungen haben kann, darauf wiesen nun die kanadischen ForscherInnen Nina Mazar und Chen-Bo Zhong hin.

Das Forscherteam schickte kanadische Studierende in einem virtuellen Super­markt auf Tour. Das Sortiment des Super­markts bestand entweder hauptsächlich aus ökologischen oder aber konventionellen Produkten. Die Hälfte der Teilnehmenden sollte die Produkte nur bewerten, die andere Hälfte musste angeben, welche Produkte sie gerne kaufen würde. Anschließend sollten die ProbandInnen 6 Dollar zwischen sich und einem bislang leer ausgegangenen unbekannten Mitspieler aufteilen. Die Bio-„Bewerter“ waren dabei großzügiger als diejenigen, die konventionelle Produkte bewertet hatten. Die Bio-„Einkäufer“ hingegen waren weniger großzügig als diejenigen, die konventionell eingekauft hatte. Während also die reine Beschäftigung mit grünen Produkten (ohne Kauf) unseren Sinn für moralisches Handeln stärkt, scheint der Kauf dieser Produkte moralisches Handeln eher zu mindern. Frei nach dem Motto: Für heute habe ich schon genug Gutes getan!

Noch drastischer zeigt dies eine zweite Studie, in der sich die ProbandInnen selbst für ihre Teilnahme bezahlen durften. Dabei neigten die Bio-„Einkäufer“ deutlich stärker dazu, zu viel Geld aus der Kasse zu nehmen, als diejenigen, die konventionell eingekauft hatten.

Erklären lassen sich diese Ergebnisse vor dem Hintergrund, dass unser Bedürfnis, nach ethischen Prinzipien zu handeln, häufig mit anderen Interessen konfligiert: Auto ist bequemer (aber weniger umwelt­freundlich) als Fahrrad und Alnatura teurer (dafür ökologisch besser) als Lidl. Die Idee der ForscherInnen ist nun, dass ethisches Handeln im einen Bereich (Kauf von Bio-Produkten) unser Gewissen zeitweise zufrieden stellt, so dass wir an anderer Stelle ungezügelt andere Interessen (bequem, billig, mehr) verfolgen.

Die Studien lassen den Schluss zu, dass „Bio kaufen“ nicht-ethisches Verhalten in anderen Bereichen kompensieren kann. Dennoch sollte man die Ergebnisse der Studien nicht überbewerten: Die kanadischen Studierenden wurden quasi zum Bio-Kauf gezwungen, unabhängig davon, ob sie einen ökologischen Lebens­stil pflegten oder nicht. Für Menschen, die bewusst ökologisch einkaufen, ist die Situation wahrscheinlich anders, weil Bio-Shopping dann das Normale und keine besonders gute Tat ist. Häufig achten die regulären Bio-Einkäufer zudem darauf, auch in anderen Lebens­bereichen verantwortlich zu agieren. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass alle Bio-Einkäufer für den Rest des Tages asozial werden. Kein Grund also, sich vor dem Bio-Boom zu fürchten.

Mazar, N. & Zhong, C. (2010). Do green products make us better people? Psychological Science, 21(4), 494–498.

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