Das Streben nach Macht

- Esther Glück –

Nachgrübeln über das Warum anstatt das Wie erhöht das Streben nach Macht und den Glauben an die eigene Kontroll­fähigkeit.

Macht! Wer verbiegt sich nicht alles den Hals nach ihr! PolitikerInnen, ManagerInnen, Ehemänner und – frauen. Mächtige bestimmen über Machtlose. Wer mächtig ist, weiß das, und wer machtlos ist, der weiß das erst recht. Aber woher kommt dieses Wissen um die eigene Machtposition und die eigenen Möglichkeiten? Ist es wirklich nur eine objektive Wahrnehmung der tatsächlichen Gegebenheiten?

Diese Frage stellten sich auch Pamela Smith, Daniël Wigboldus und Ap Dijksterhuis. Die drei ForscherInnen untersuchten, ob abstraktes Denken mit dem Gefühl, Macht zu haben, zusammenhängt. Denn Abstraktions­vermögen erlaubt es dem Menschen zum Beispiel einen Stuhl nicht nur als Stuhl wahrzunehmen, sondern ihn auch für andere Zwecke zu entfremden; also beispielsweise den Schreibtischstuhl kurzerhand auch mal zum Glühbirnen auswechseln umzufunktionieren. Durch diese Generalisierungen ist es also möglich, flexibler und freier zu handeln. Daher vermittelt abstraktes Denken das Gefühl, die Umwelt unter Kontrolle zu haben, welches wiederum das Streben nach Machtpositionen positiv beeinflussen kann.

Während einer Untersuchung brachten die ForscherInnen einen Teil ihrer ProbandInnen dazu, abstrakt zu denken, indem sie sie fragten, warum sie bestimmte Dinge tun – z.B. warum die Probanden versuchen, gesund zu bleiben.

Die anderen ProbandInnen, die nicht abstrahieren sollten, wurden hingegen gefragt, wie sie bestimmte Dinge tun  – also z.B. wie sie versuchen, gesund zu bleiben.  Während die einen also dazu angeregt wurden, über den Sinn und Zweck ihres Handelns nachzudenken – und dadurch abstrakt zu denken – sollten die anderen konkret über Details ihres Handeln nachgrübeln.

Nach dem Interview sollten die ProbandInnen Szenarien aus unterschiedlichen Geschäftsbranchen  und Beschreibungen  verschiedener Rollen innerhalb des Geschäftsbetriebs lesen. Sie sollten daraufhin angeben, wie sehr sie die entsprechenden Rollen bevorzugen würden. Dabei wählten „abstrakte DenkerInnen“ häufiger Rollen, die mit Macht ausgestattet waren, als „konkrete DenkerInnen“, die eher die Rollen bevorzugten, die weniger Machtausübung gewährten. Außerdem konnten die Wissenschaft­lerInnen in einem weiteren Experiment feststellen, dass Personen, die abstrakt denken, ein überhöhtes Kontrollbewusstsein haben,  sich daher also mächtiger wahrnehmen als sie tatsächlich sind. Dieses übersteigerte Gefühl der Kontrolle hatte laut AutorInnen vermutlich dazu geführt, dass die Versuchspersonen nach Machtpositionen strebten.

Die ForscherInnen schließen daraus, dass es einen psychologischen Grund gibt, warum Hierarchien so stabil sind, denn die meisten sozial Mächtigen werden sich häufiger mit abstrakteren Dingen beschäftigen als Menschen, die über wenig Macht verfügen. Das abstrakte Denken wiederum beeinflusst das Gefühl der Kontroll­fähigkeit und das Streben nach Macht, was die Hierarchie verfestigt. Wer also wirklich mal an seinem Selbstwertgefühl arbeiten will, sollte sich in Zukunft an Gedankenexperimenten versuchen.

Smith, Wigboldus & Dijksterhuis (2008). Abstract thinking increases one’s sense of power. Journal of Experimental Social Psychology, 44, 378–385.

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