Der „Hot-Hand“ Trugschluss

- Benjamin Scheibehenne –

Menschen neigen dazu, Muster und Reihenfolgen in zufälligen Ereignissen zu sehen.

In vielen Sportarten glauben Fans, dass Spieler/innen manchmal besonders starke Phasen haben, im englischen auch „Hot Hand“ genannt. Mit „Hot Hand“ ist beispielsweise im Basketball die Annahme gemeint, dass ein Spieler oder eine Spielerin im Verlauf des Spiels gerade „einen Lauf“ hat und besonders häufig in den Korb trifft. Eine ähnliche Annahme findet man auch unter manchen Finanz­anlegern/innen, die darauf setzen, dass sich positive wie negative Trends in der Zukunft fortsetzen („momentum-trading“). Zahlreiche empirische Studien haben jedoch gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer oder einen Kursanstieg nicht von dem unmittelbar vorhergehenden Ereignis abhängt. So ist zum Beispiel im Basketball die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Korbwurf von Aspekten wie der Stärke des Gegners oder der Tagesform eines Spielers abhängig, nicht jedoch davon, ob der vorausgegangene Versuch ein Treffer war oder nicht. Gleichermaßen lässt sich die Kurs­entwicklung an der Börse nicht durch die Entwicklung der Kurse am vorherigen Tag vorhersagen. Der irrtümliche Glaube daran, dass eine solche Abhängigkeit besteht, wird in der Forschung als „Hot-Hand“ Trugschluss bezeichnet. Doch wie weit ist dieser Trugschluss verbreitet und wie stark halten Personen an diesem Glauben fest?

In einer aktuellen Studie finden die Wissenschaft­ler Benjamin Scheibehenne, Andreas Wilke und Peter Todd, dass es sich bei dem Hot-Hand Trugschluss um ein überraschend robustes Phänomen handelt, das auch noch nach intensivem Training und Feedback auftritt. In Ihrem Experiment sollten die Teilnehmenden wiederholt vorhersagen, welches von zwei Symbolen ein Glücksspielautomat als nächstes anzeigt. Für jede richtige Vorhersage wurden die Teilnehmenden belohnt. Um den Hot-Hand Trugschluss zu untersuchen, konnten die Teilnehmenden zwischen zwei Automaten wählen. Bei Automat Z war die Abfolge der beiden Symbole rein zufällig; so, als würde man wiederholt eine Münze werfen. Bei Automat W hingegen wechselten die Symbole überzufällig oft; aus dem Auftreten eines Symbols war dadurch eine Vorhersage für das nächste Symbol möglich. Als Beispiel kann man sich einen Geysir vorstellen: Wenn der Geysir gerade ausgebrochen ist, ist die Chance kleiner, dass er danach sofort wieder ausbricht. Wenn ein Geysir aber für einige Zeit nicht ausgebrochen ist, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruches. Beim Geysir kann damit aus dem Auftreten eines Ereignisses (z.B. Ausbruch) eine Vorhersage über das nächste Ereignis (das Gegenteil, z.B. Nicht-Ausbruch) abgeleitet werden. Erkennt man diese Art von Regelmäßigkeit bei Automat W, dann steigen die Chancen auf eine richtige Vorhersage (anders als beim Basketball oder bei Automat Z). Diejenigen Teilnehmenden, welche die Regelmäßigkeit bei Automat W erkannten, konnten daher mehr Geld verdienen als Teilnehmenden, die dem Hot-Hand Trugschluss unterlagen und meinten, in der zufälligen Abfolge von Automat Z ein Muster zu erkennen. Die Wissenschaft­ler fanden, dass trotz des finanz­iellen Anreizes und obwohl die Teilnehmenden über viele Runden lernen konnten, welche Wahl zu einem höheren Verdienst führt, die meisten Teilnehmenden lieber auf Automat Z setzten.

Die Studie von Scheibehenne und Kollegen zeigt, dass der Hot-Hand Trugschluss auch noch auftritt, wenn Personen einen realen Nachteil erleiden können. Diese Er­kenntnis ist für alle Bereiche relevant, in denen Personen wiederholt Vorhersagen treffen, wie zum Beispiel bei Geldanlagen auf dem Finanz­markt oder bei Sportwetten. Der Grund, wieso so viele Menschen an der Hot-Hand Vermutung festhalten, ist bisher nur ansatzweise erforscht. Eine Erklärung könnte sein, dass in vielen natürlichen Umwelten die Abfolge von Ereignissen nicht wirklich zufällig ist, sondern bestimmten Mustern folgt. Wenn man zum Beispiel im Wald Pilze sammeln geht und findet einen Steinpilz, dann ist die Chance groß, in der Nähe noch weitere Pflückerfolge zu erzielen. In einer solchen Situation wäre es also sinnvoll, an der Hot-Hand Vermutung festzuhalten und zu hoffen, dass auf einen Treffer bald der nächste folgt.

Scheibehenne, B., Wilke, A., & Todd, P. M. (2011). Expectations of clumpy resources influence predictions of sequential events. Evolution & Human Behavior, 32, 326–333.

Link:  http://www.scheibehenne.de/ScheibehenneWilkeTodd2011.pdf

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