Dick und doof?

- Anne Landhäußer –

Stark übergewichtige Menschen werden auf dem Arbeits­markt und im Alltag diskriminiert.

„Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin“, sang Marius Müller Westernhagen schon vor 30 Jahren. Dass es stark übergewichtige Menschen im Leben oft schwerer haben als „dünne Heringe“ – schon alleine aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen – ist keine Neuigkeit. Dass es aber gerade auch die Mitmenschen sind, die Dicksein zu einer „Quälerei“ machen, konnten Sozialpsychologen mittlerweile in mehreren Studien systematisch nachweisen.

Vor dem Hintergrund der Anfang dieses Jahres veröffentlichten nationalen Verzehrstudie der Bundes­forschungs­anstalt für Ernährung und Lebens­mittel sind Untersuchungen des englischen Psychologen Viren Swami und seiner Kollegen besonders interessant. Die Verzehrstudie förderte die Er­kenntnis zu Tage, dass in Deutschland zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen übergewichtig oder gar adipös – also fettsüchtig – sind. Die britischen Forscher wiederum zeigen: Dicken tut man in den meisten Fällen nicht gerne Gutes.

Die Psychologen ließen männliche Studenten einen Bewerbungs­prozess simulieren. Sie sollten sich vorstellen, in der Personalabteilung eines multinationalen Unternehmens tätig zu sein und unter 50 Bewerberinnen die passende heraussuchen zu müssen. Dabei hätten alle Bewerberinnen sowohl die gleichen Qualifikationen als auch die gleiche Arbeits­erfahrung. Den jungen Männern wurden 50 Bilder von Frauen gezeigt, bei denen sie jeweils angeben sollten, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie gerade dieser Person den Job geben würden. Da die Attraktivität den Entscheidungs­prozess nicht beeinflussen sollte, waren die Gesichter der Frauen unkenntlich gemacht worden. Anhand ihres Gewichts wurden die Bewerberinnen in fünf Kategorien eingeteilt: mager, untergewichtig, normalgewichtig, übergewichtig und adipös.

Es zeigte sich, dass die Probanden signifikant häufiger unter- und normalgewichtige Frauen einstellen wollten als solche anderer Gewichtsklassen. Besonders negativ reagierten sie gegenüber adipösen Bewerberinnen. Genau das gleiche Ergebnismuster förderte auch eine weitere Studie zutage, in der andere männliche Studenten sich vorstellen sollten, Zeuge eines schweren Verkehrs­unfalls zu sein. Auch hier sahen die Probanden 50 Bilder verschieden gewichtiger Frauen. Nur sollten sie diesmal angeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie diesen Frauen helfen würden im Falle, dass sie als einziger Zeuge einen Unfall beobachtet hätten. Auch hier fiel die Bereitschaft, adipösen Frauen zu helfen, wesentlich geringer aus als der Wille, unter- oder normalgewichtigen zu Hilfe zu eilen.

Wer mit Übergewicht zu kämpfen hat, sollte aufgrund der Ergebnisse von Swami und Kollegen allerdings trotzdem nicht in Panik ausbrechen, denn es gibt noch Hoffnung: Die Realität unterscheidet sich nämlich in einem Punkt ganz maßgeblich von Untersuchungen in einem psychologischen Experimentallabor: Normalerweise sind in einer sozialen Situation nicht nur optische Informationen gegeben, sondern wir erhaschen schon auf den ersten Blick viele weitere Details wie das Alter, den ethnischen Hintergrund, die Gestik. Wer in einem Bewerbungs­gespräch Intelligenz und Kompetenz beweist, dessen Gewicht spielt möglicherweise nur noch eine nachgeordnete oder gar keine Rolle mehr.

Eine neue Er­kenntnis förderten die Studien außerdem zu Tage: Nicht nur Übergewichtige wurden von den männlichen Studenten diskriminiert – auch magere Frauen hatten schlechte Karten. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass das von Medien und Werbung forcierte Ideal der unnatürlich dünnen Frau gar kein Erfolgsrezept ist: Die männlichen Probanden bevorzugten bei ihren Urteilen zwar normalgewichtige bis dünne Frauen – zu dünn sollten sie allerdings auch nicht sein.

Swami, V., Chan, F., Wong, V., Furnham, A., Tovée, M. J.(2008).Weight-Based Discrimination in Occupational Hiring and Helping Behavior. In: Journal of Applied Social Psychology, 38 (4), 968–981.

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