Die Folgen der Versuchung

- Leander Steinkopf –

Frauen werten den eigenen Partner auf, wenn sie von einer attraktiven Alternative umworben werden – Männer tun das Gegenteil.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen ohne Ihren geliebten Partner im Wartezimmer für eine sozialpsychologische Studie und Ihnen gegenüber nimmt auf einmal ein umwerfend schönes Exemplar des anderen Geschlechts Platz, das auch noch Blickkontakt zu ihnen herstellt, lächelt, Sie anspricht und einen Annäherungs­versuch startet wie er im Buche steht. Irgendwann platzt dann der Versuchsleiter in das Wartezimmer, um Sie zur Studie aufzurufen. Sie füllen jede Menge Papiere mit Fragen zu ihrer aktuellen Beziehung aus und im Anschluss eröffnet Ihnen der Versuchsleiter behutsam, dass die umwerfend schöne Person aus dem Wartezimmer in Wirklichkeit im Auftrag der Forschung handelte, dass diese Person sich nach allen wissenschaft­lich anerkannten Regeln des Flirts an Sie heran machte ohne auch nur das geringste Interesse an Ihnen zu haben. Das mag Ihnen unangenehm sein, aber für die Forschung ist es wichtig, denn so konnte untersucht werden, was Menschen über ihren Lebens­partner denken, wenn sich ihnen eine attraktive Alternative bietet.

Der Psychologe John Lydon und seine Kollegen fanden so heraus, dass die Bereitschaft der Männer, ihrer Freundin zu verzeihen, wenn diese sie zum Beispiel zwanzig Minuten in der Kälte warten lässt oder peinliche Dinge über sie erzählt, davon beeinflusst wurde, ob sie im Wartezimmer angegraben wurden oder nicht. Männer, denen eine verführerische Wartezimmerbegegnung widerfuhr, zeigten weniger Bereitschaft, ihrer Freundin zu verzeihen, als Männer, die von der Komplizin der Forscher nicht in einen Flirt verwickelt wurden. Im Gegensatz dazu zeigten Frauen, die im Wartezimmer einem vermeintlichen Verehrer begegneten, größere Nachsicht ihrem Partner gegenüber, als Frauen die das Wartezimmer mit einem Mann teilten, der kein Interesse an Ihnen zeigte.

Die Forscher interpretieren diese Ergebnisse als unterschiedliche Reaktionen von Männern und Frauen auf eine Bedrohung ihrer Beziehung. Frauen hätten ein stärkeres Bedürfnis, Langzeitbeziehungen aufrecht zu erhalten, weil es in der evolutionären Vergangenheit für sie von Vorteil gewesen sei, Partner zu behalten, die sie langfristig materiell und emotional unterstützten. Außerdem definieren sich Frauen nach Ansicht der Psychologen stärker über ihre Beziehungen als Männer, weshalb eine Bedrohung der Beziehung für Frauen eher eine Bedrohung des Selbst darstelle, als dies bei Männern der Fall sei. Daraus ergebe sich, dass Frauen sich nach der Regel richten: „Wenn etwas meine Beziehung bedroht, dann beschütze ich meine Beziehung!“ Laut Meinung der Autoren verfügen Männer nicht über eine solche Verhaltensregel.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Männern lässt sich diese beziehungs­fördernde Verhaltensregel antrainieren, sodass sie wie die Frauen ihre Beziehung beschützen, wenn sich ihnen eine attraktive Alternative bietet. Eine zweite Er­kenntnis: Das wunderschöne Gegenüber, das so verführerisch herüberschaut, könnte auch im Auftrag der Wissenschaft lächeln.

Lydon, J.E., Menzies-Toman, D., Burton, K., & Bell, C. (2008). If-Then Contingencies and the Differential Effects of the Availability of an Attractive Alternative on Relations­hip Maintenance for Men and Women. Journal of Personality and Social Psychology, 95, 50–65.

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