Die Kirchenmaus erkennt man am Lachen!

- Rainer Greifeneder –

Nonverbale Zeichen von Distanz und Engagement erlauben Rückschlüsse auf den sozio­ökonomischen Status einer Person.

Die Deutschen sind mit ihren privaten Daten freigiebig. Auf der Jagd nach Punkten offenbaren Abertausende der Payback-Zentrale gerne ihr Konsum­verhalten. Und nur wenige wundern sich, wenn google-mail die passende Werbung zum Inhalt der eigenen E-mails präsentiert. Auf der anderen Seite ist man in Deutschland auch höchst verschwiegen: Die Höhe unseres Einkommens geben wir zum Beispiel nur selten öffentlich preis. Das heißt, zumindest nicht absichtlich – denn eine Studie der Forscher Michael Kraus und Dacher Keltner zeigt, dass man aus dem nonverbalen Verhalten einer Person eine ganze Menge darüber lesen kann, ob es sich um eine arme Kirchen- oder eine reiche Stadtmaus handelt.

Die Forscher gehen davon aus, dass man den sozio­ökonomischen Status einer Person anhand ihres Verhaltens ungefähr einschätzen kann. Frühere Forschungs­ergebnisse veranlassen sie zur Annahme, dass sich Menschen mit hohem sozialen Status in Gesprächen distanzierter verhalten, Menschen mit niedrigem sozialen Status jedoch engagierter. Eine distanzierte Gesprächshaltung zeigt sich zum Beispiel darin, dass man während des Gesprächs Zeichnungen anfertigt oder mit einem Kuli spielt. Eine engagierte Gesprächshaltung hingegen ist beispielsweise durch Blickkontakt, Nicken oder Lachen gekennzeichnet.

Zur Prüfung ihrer These setzten die Forscher über hundert sich fremde Studierende immer zu zweit gegenüber an einen Tisch. Die Studierenden führten dann fünf Minuten Smalltalk, um sich gegenseitig kennen zu lernen. Zwei Kameras im Raum waren so positioniert, dass sie jeweils das Gesicht eines der Probanden filmen konnten. Nach Abschluss des Gesprächs beantworteten die Probanden einige Fragen zu ihrer Person, dar­unter auch zu ihrem sozio­ökonomischen Status und dem Einkommen ihrer Eltern.

Die Videos der Probanden wurden anschließend von externen Gutachtern auf Zeichen von distanzierter oder engagierter Gesprächshaltung hin untersucht. Dabei zeigte sich, dass ein höherer sozio­ökonomischer Status mit mehr Zeichen einer distanzierten Gesprächshaltung, ein niedrigerer sozio­ökonomischer Status jedoch mit mehr Zeichen einer engagierten Gesprächshaltung einherging.

Nun baten die Forscher eine zweite Gruppe von Studierenden, sich die Videosequenzen anzusehen und den sozio­ökonomischen Status der jeweiligen Person im Video zu schätzen. Erstaunlicherweise sagten diese Schätzungen den tatsächlichen sozio­ökonomischen Status sowie das Familieneinkommen der gefilmten Person sehr gut vorher. Die Analyse der Daten ergab darüber hinaus, dass die Studierenden auf der Basis der nonverbalen Signale von Distanz und Engagement urteilten. Offensichtlich gibt unser nonverbales Verhalten also eine ganze Menge über unsere sozialen Verhältnisse preis, und zwar ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Neben den nonverbalen Verhaltensweisen könnten noch weitere Hinweise in das Urteil der Probanden eingegangen sein. So ist es möglich, dass sich die gefilmten Personen in Abhängigkeit ihres sozio­ökonomischen Status im Kleidungs­stil oder der Kleidungs­qualität unterschieden und die Schätzer diese Informationen berücksichtigen. Doch dies wäre zusätzlich und schmälert daher nicht den Befund, dass unser Verhalten augenscheinlich Bände über uns spricht.

Kraus, M. W., & Keltner, D. (2009). Signs of socioeconomic status: A thin-slicing approach. Psychological Science, 20(1), 99–106.

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