Die Spätfolgen des Terrors

- Birgit Gutzer –

Die Terroranschläge auf das World Trade Center führten regional zu einem stressbedingten Anstieg von Verkehrs­unfällen.

Die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 hatten weit reichende Konsequenzen: Die Zeitungen berichteten von Umwälzungen in der Weltpolitik, aber auch der Alltag der US-Bürger wandelte sich beträchtlich. Beispielsweise wurden in den drei Monaten nach den Anschlägen deutlich mehr Verkehrs­unfälle verzeichnet als in den Monaten zuvor. Wie ist dies zu erklären? Eine mögliche Erklärung lautet, dass die US-Amerikaner nach den Anschlägen vermehrt Auto fuhren und weniger als zuvor das Flugzeug nutzten, weil Flugzeuge plötzlich ein scheinbar unkontrollierbares und potentiell tödliches Katastrophenrisiko darstellten. Dieser Erklärung zufolge stieg die Anzahl der Unfälle aufgrund des vermehrten Verkehrs­aufkommens.

Eine andere Erklärung geht davon aus, dass die Terroranschläge regionale Aus­wirkungen auf die Fahrqualität beim Autofahren und damit auf die Unfallzahlen hatten. Zur Prüfung dieser Hypothese untersuchte das Forschungs­team um Jenny Su, ob die Anzahl der Verkehrs­unfälle nach dem 11. September 2001 vor allem in denjenigen Regionen zu verzeichnen war, die die größte Nähe zu den Anschlagsorten aufweisen. Außerdem prüfte das Forscherteam, ob die Fahrqualität in genau diesen Regionen vermindert war, was auf erhöhten Stress zurückführbar sein könnte. Dafür analysierte das Forscherteam US-amerikanische Flug-, Verkehrs- und Unfallstatistiken der drei Monate nach dem 11. September und verglich diese mit den Daten vorheriger Jahre.

Übereinstimmend mit der ersten Erklärung flogen die US-Amerikaner deutlich weniger als in denselben Monaten der zwei Jahre zuvor. Sie fuhren deswegen jedoch nicht mehr Auto als erwartet. Außerdem zeigte sich im Nordosten des Landes ein deutlicher Anstieg der Verkehrs­unfälle. Insbesondere im Staat New York wurde eine besonders hohe Anzahl von Verkehrs­unglücken verzeichnet. Nach dem 11. September 2001 stieg dort vor allem die Anzahl von Verkehrs­unfällen an, die auf Alkohol- oder Drogenkonsum zurückgeführt werden konnten. Übereinstimmend mit der zweiten Erklärung könnte dies dadurch zu erklären sein, dass nach traumatischen Erfahrungen vermehrt zu Alkohol und Drogen gegriffen wird – als Reaktion auf den erhöhten psychischen Stress.

Die Analysen stärken die Annahme, dass die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 zu einem erhöhten Stresslevel insbesondere der Bewohner führten, die nahe dem Unglücksort lebten. Dies minderte die Autofahrqualität so sehr, dass sich über­durchschnittlich viele Verkehrs­unfälle, auch mit tödlichen Folgen, ereigneten.

Mit Kenntnis dieser möglichen Ereigniskette können neue Maßnahmen eingeleitet werden, um die Folgen von traumatischen Ereignissen wie beispielsweise Verkehrs­unfällen zu verringern, indem beispielsweise Trainings zur Stressreduktion in den betroffenen Regionen angeboten werden.

Su, J. C., Tran, A. G. T. T., Wirtz, J. G., Langteau, R. A. & Rothman, A. J. (2009). Driving Under the Influence (of Stress). Psychological Science, 20, 59–65.

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