Du hast doch alles. Brauchst du dann noch einen Gott?

- Lena Staudigl –

Obwohl ein religiöses Leben das subjektive Wohlbefinden steigern kann, spielt Gott für mehr und mehr Menschen in wirtschaft­lich weit entwickelten Ländern keine Rolle mehr.

Jeder und jede von uns hat sie schon gegrölt. Die ersten Akkorde, der lockere 4/4-Takt, ein eher simpler Text und dann diese eine Phrase des Sängers von R.E.M.: „Losing my religion“. Das ist nicht nur Bestandteil mäßiger 90er-Partys oder der Plattensammlung von den etwas in die Jahre Gekommenen, sondern spiegelt auch die Situation in den Industrieländern wider. Menschen treten in Scharen aus der Kirche aus, obwohl eine groß angelegte Studie den Schluss nahelegt, dass Religiosität Menschen häufig glücklicher macht als deren Gegenteil.

Die Mehrheit der Menschen weltweit ist religiös. Allerdings gibt es große Unterschiede in der Religiosität zwischen Ländern. Die Psychologen Ed Diener, Louis Tay und David Myers fanden in einer Studie heraus, dass der Wohlstand einer Gesellschaft, in der eine Person lebt, ihre Beziehung zur Religion mitbestimmt: Die Forscher werteten Daten von ‚Gallup‘ aus, einem der führenden Markt- und Meinungs­forschungs­institute weltweit. Zwischen 2005 und 2009 wurden von dieser Organisation über 455.000 Personen aus 154 Ländern über den Stellenwert von Religion in ihrem Leben befragt. Eine Frage, welche die Teilnehmenden bezüglich ihrer Religiosität beantworteten, war beispielsweise „Spielt Religion in Ihrem täglichen Leben eine wichtige Rolle?“. Weiter wurde auch nach dem subjektiven Wohlbefinden der Teilnehmenden gefragt, also wie sie ihr Leben und ihre emotionale Befindlichkeit einstufen. Diener und Kollegen untersuchten nun, ob es einen Zusammenhang zwischen der Religiosität von Personen und ihrem subjektiven Wohlbefinden gibt. Hierbei wurde zunächst deutlich, dass religiöse Menschen insgesamt ein leicht höheres Wohlbefinden aufweisen als Atheisten und Agnostiker.

Weitere Auswertungen der gesammelten Daten durch Diener und Kollegen legen darüber hinaus nahe, dass Menschen in Gesellschaften mit großem Wohlstand, geringer Arbeits­losenquote und guten Bildungs­chancen, wie in Deutschland,  häufig in der Lage sind, ein wohlbehaltenes Leben zu führen – ganz ohne Religion. Dementsprechend wurde in solchen Ländern oftmals nicht nur eine geringe Religiosität, sondern auch ein schwacher Zusammenhang zwischen Religiosität und Wohlbefinden gemessen. Menschen hingegen, die in Ländern mit schwierigen Lebens­umständen wie zum Beispiel Bangladesch leben, tendieren sehr viel stärker dazu, religiös zu sein. Häufig können hier nur mit Hilfe einer Religion soziale Unterstützung, Respekt und das Gefühl ein sinnvolles Leben zu führen erlangt werden, was Wohlbefinden letztlich entscheidend mitbeeinflusst. Dementsprechend wurde in genau diesen stark religiös geprägten, aber wirtschaft­lich ärmeren Ländern ein durchschnittlich höheres subjektives Wohlbefinden der religiösen im Vergleich zu den nicht-religiösen Menschen erfasst.

Und so bleibt alles, wie es ist, nur mit ein bisschen mehr Er­kenntnis und Erleuchtung der nicht-religiösen Art: Uns geht es in Deutschland sehr gut.  Religiöses Bitten und Beten ist in den meisten Fällen einfach nicht relevant für unser Wohlbefinden. Also lehnen wir uns nur zurück und lauschen noch einmal R.E.M.: „I thought that I heard you laughing. I thought that I heard you sing. I think I thought I saw you try.“

Diener, E., Tay, L., & Myers, D. G. (2011). The Religion Paradox: If religion makes people happy, why are so many dropping out? Journal of Personality and Social Psychology, 101, 1278–1290.

© Forschung erleben 2012, alle Rechte vorbehalten

Zurück