Eating feeling beings

- Anne Landhäusser –

Fleischesser trauen Schweinen weniger Gefühlsleistung zu als Hunden. Vegetarier machen diesen Unterschied nicht.

Heutzutage gibt es viele Menschen, die auf Fleischkonsum verzichten. Gründe dafür gibt es einige: So trägt die Fleischproduktion einer Studie der Vereinten Nationen zufolge mehr zur Klimaerwärmung bei als der weltweite Verkehr. Zudem wird derzeit ein Großteil des weltweit angebauten Getreides an Schweine und Rinder verfüttert, während nach wie vor Menschen verhungern. Und nicht erst seit Jonathan Safran Foers internationalem Bestseller „Eating animals“ sind uns die alltäglichen Grausamkeiten der Massentierhaltung bekannt. Warum aber verzichten die einen auf Fleisch, während die anderen ihr täglich Schnitzel trotz solcher Missstände weiterhin mit Genuss verzehren? Einer aktuellen Studie zufolge könnte ein Grund darin liegen, dass Vegetarier und Fleischesser Tiere, die bei uns vorwiegend als Nutztiere zur Schlachtung gehalten werden, unterschiedlich wahrnehmen.

Die polnischen Sozialpsychologen Michal Bilewicz und Marek Drogosz  untersuchten zusammen mit Roland Imhoff von der Universität Bonn, inwiefern sich Fleischesser und Vegetarier darin unterscheiden, welche emotionalen Fähigkeiten sie Tieren zuschreiben. Ihre Hypothese war, dass Vegetarier Tiere als gefühls­fähige Wesen betrachten, während Fleischesser insbesondere solchen Tieren, die sie regelmäßig verspeisen, keine komplexen Gefühle zutrauen.

In einer ihrer Studien ließen die Psychologen über 300 Teilnehmende (dar­unter zahlreiche Vegetarier) entweder Schweine oder aber Hunde dahingehend bewerten, zu welchen Gefühlen diese Tiere in welchem Ausmaß fähig sind. Tatsächlich divergieren Schweine und Hunde hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkeiten kaum. Außerdem spielen beide Spezies schon seit geraumer Zeit eine gewichtige Rolle im westlichen Kulturkreis. In einer entscheidenden Hinsicht jedoch unterscheiden sich die Vierbeiner voneinander: Das Schwein wird zum Schnitzel, der Hund – zumindest im Westen – gewöhnlich nicht.

Die Ergebnisse der Untersuchung liefern einen Hinweis darauf, warum Fleischesser ihr Steak mit gutem Gewissen verzehren – und auch darauf, weshalb sie den bellenden Vierbeiner an ihrer Seite vielleicht eher nicht schlachten lassen würden. Während Vegetarier Schweinen nicht weniger komplexe Gefühle zutrauten als Hunden, machten Fleischesser bei der Bewertung des Gefühlslebens dieser Tiere einen großen Unterschied. Hunden trauten sie noch so einiges zu (wenn auch nicht ganz so viel wie das die vegetarischen Teilnehmenden taten); komplexe Gefühle wie Scham, Hoffnung oder Liebe schienen ihnen bei Schweinen dagegen eher nicht möglich.

Die Frage, ob und in welchem Ausmaß Tiere tatsächlich solche Gefühle hegen, lässt die vorliegende Studie natürlich offen. Sie zeigt jedoch, dass für Vegetarier offensichtlich alle Tiere gleich sind, während Fleischesser scheinbar sehr wohl  unterscheiden zwischen dem Tier, das ihnen ein treuer und warmherziger Freund ist, und dem Tier, das bei ihnen nur auf dem Teller landet.

Bilewicz, M., Imhoff, R., & Drogosz, M. (2011). The humanity of what we eat: Conceptions of human uniqueness among vegetarians and omnivores. European Journal of Social Psychology, 41, 201–209.

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