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Eine Sache von Gewicht

- Rainer Greifeneder –

Physisches Gewicht und abstrakte Bedeutung sind eng miteinander verknüpft.

„Gewicht“ bezeichnet in unserer Alltagssprache einen physischen Aspekt, der sich in Kilogramm bestimmen lässt, hat aber auch eine abstrakte Bedeutung. Weder ein schweres Paket noch eine wichtige Angelegenheit nimmt man auf die leichte Schulter, und gewichtige Aufgaben können sowohl physisch anstrengend als auch bedeutsam sein. Diese sprach­liche Nähe zwischen physischem Gewicht und abstrakter Bedeutung sehen die Forscher Nils Jostmann, Daniel Lakens und Thomas Schubert als Indiz dafür, dass unser Denken auf körperlichen Empfindungen aufbaut und beides eng verknüpft ist. Daraus leiten die Forscher die Idee ab, dass wir einer physisch schweren Sache manchmal auch abstraktes Gewicht beimessen, sie also für wichtig halten.

Um diese These zu überprüfen wurde den Teilnehmenden einer Studie ein Klemmbrett in die Hand gegeben, auf dem ein Fragebogen befestigt war. In dem Klemmbrett befand sich ein versteckter Hohlraum, der bei der einen Hälfte der Probanden leer, bei der anderen jedoch mit Papier gefüllt war. Insgesamt wog das mit Papier gefüllte Klemmbrett ungefähr 400 Gramm mehr als das leere. Die Teilnehmenden erfuhren, dass ein universitäres Gremium einem Studenten die Möglichkeit verwehre, seine Meinung zu einer wichtigen Angelegenheit zu äußern. Die meisten Menschen empfinden eine solche Situation als unfair und plädieren für Meinungs­freiheit. Interessanterweise fanden die Teilnehmenden der Studie dies besonders wichtig, wenn das Klemmbrett schwer war, offensichtlich weil die Einschätzung der Bedeutsamkeit der Situation mit dem physischen Gewicht verknüpft ist.

Was wichtig ist, wird häufig auch gründlicher verarbeitet. Daher sollte es möglich sein, bei einer „schweren“ Angelegenheit gute von schlechten Argumenten besser zu unter­scheiden. Zur Prüfung dieser Idee gaben die Forscher ihren Teilnehmenden eine Reihe von guten und schlechten Argumenten vor. Wieder war das Klemmbrett entweder leer oder voll. Wie erwartet unter­schieden die Teilnehmenden mit dem schweren Klemmbrett stärker zwischen den guten und den schlechten Argumenten, offensichtlich weil sie aufgrund der gespürten Wichtigkeit die Argumente besser durchdachten.

Ergebnisse wie diese stützen die Idee, dass abstrakte Konzepte wie Macht, Zeit, Nähe und Wärme in körperlichen Erfahrungen begründet und daher mit diesen eng verbunden sind. Im Alltag kann dies interessante Konsequenzen haben, zum Beispiel wenn einer gebundenen Schul- oder Hausordnung mehr Folge geleistet werden könnte als einer inhaltsgleichen Lose-Blatt-Sammlung. Bei solchen Gedanken wird jedoch klar, dass physisches Gewicht nicht allein die Bedeutung einer Sache bestimmt, sondern viele andere Aspekte ebenfalls eine Rolle spielen.

Jostmann, R.B., Lakens, D., Schubert, T.W. (2009). Weight as en embodiment of importance. Psychological Science, 20(9), 1169-1174.

Dieser Artikel ist in Psychologie heute erschienen (Januar 2010).www.psychologie-heute.de 

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