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Einsamkeit erzeugt paradoxes soziales Verhalten

Viele Menschen kennen das Gefühl von Einsamkeit, welches durch einen Mangel an erfüllenden sozialen Kontakten entsteht. Doch wie wirkt sich Einsamkeit auf soziales Verhalten aus? Bisherige Forschung zeigt, dass Einsamkeit dazu motivieren kann, soziale Kontakte zu knüpfen, aber auch sozialen Rückzug fördern kann. Die Forschenden Bellucci und Park haben sich nun die Frage gestellt, wie diese gegensätzlichen Befunde erklärt werden können und untersucht, wie Einsamkeit mit Vertrauen gegenüber anderen zusammenhängt.
Hierzu setzten die Forschenden zwei Spiele ein, die online durchgeführt wurden. Im ersten Spiel bekamen alle Teilnehmenden zehn Spielgeld-Einheiten und entschieden frei, wie viel sie davon einer anderen Person überlassen wollten, die vollständig anonym blieb. Der weitergegebene Betrag wurde verdreifacht und die andere Person konnte anschließend ebenfalls frei entscheiden, wie viel sie davon an die Teilnehmenden zurückgab. Der Betrag, den die Teilnehmenden am Ende des Spiels verdient hatten, wurde ihnen als echtes Geld ausgezahlt. Die Annahme ist, dass sich Vertrauen in diesem Spiel darin zeigt, dass Menschen höhere Beträge an andere weitergeben. Um jedoch sicherzustellen, dass das Spielverhalten nicht primär auf Großzügigkeit zurückzuführen war, wurde ein zweites Spiel (mit denselben Teilnehmenden) durchgeführt. Der Ablauf war identisch zum ersten Spiel, nur dass der weitergegebene Betrag dieses Mal nicht multipliziert wurde und die andere Person nichts davon zurückgeben musste. Dieses Spiel setzte also kein Vertrauen voraus, sondern wies eher auf das Ausmaß der Großzügigkeit der Teilnehmenden hin. Die Differenz der weitergegebenen Beträge in beiden Spielen diente als Maß für das Vertrauen der Teilnehmenden (das über großzügiges Verhalten hinausgeht). Im Anschluss gaben die Teilnehmenden in einem Fragebogen an, wie einsam sie sich fühlten und für wie vertrauenswürdig sie andere Menschen generell hielten.
Die Forschenden fanden Hinweise auf ein paradoxes soziales Verhalten: Auf der einen Seite gaben einsamere Menschen höhere Beträge an andere weiter als weniger einsame Menschen – sie zeigten also mehr Vertrauen in ihrem tatsächlichen Verhalten. Gleichzeitig gaben einsamere Menschen jedoch an, andere generell für weniger vertrauenswürdig zu halten – sie hatten also negativere Erwartungen an die Vertrauenswürdigkeit anderer.
Die vorliegende Forschungsarbeit weist somit auf eine mögliche Erklärung für frühere, gegensätzliche Befunde hin: Einsame Menschen könnten anderen aufgrund des Wunsches nach sozialen Kontakten eher einen Vertrauensvorschuss geben, dabei jedoch negative Erwartungen an diese Strategie haben, was zu sozialem Rückzug führen könnte. Die Arbeit von Bellucci und Park ist damit ein wichtiger Schritt, um die Rolle von Einsamkeit in sozialen Beziehungen besser zu verstehen und wirft spannende Fragen auf: Ist etwa eine misstrauische Haltung bei Einsamkeit gegenüber anderen nur schwer abzulegen und hat damit langfristig negative Auswirkungen auf soziale Beziehungen? Oder aber kann ein erfolgreicher Vertrauensvorschuss den Glauben an die Vertrauenswürdigkeit anderer stärken und dadurch langfristig zur Wiederherstellung erfüllender sozialer Kontakte führen? Hier ist weitere Forschung nötig, um die komplexen und teilweise paradoxen Auswirkungen von Einsamkeit auf unser soziales Verhalten zu verstehen.
Bellucci, G., & Park, S. Q. (2024). Loneliness is associated with more trust but worse trustworthiness expectations. British Journal of Psychology, 115(4), 641–664. https://doi.org/10.1111/bjop.12713
Redaktion und Ansprechpartner*in¹: Lucia Boileau¹, Tobias Ebert
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