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Erstmal keine Nacht darüber schlafen?

Guter Schlaf ist für den Menschen sehr wichtig. Im Schlaf erholen wir uns vom Stress des Tages und alle Sorgen werden vergessen- oder etwa doch nicht? Auf der einen Seite geht schlechter Schlaf tatsächlich oft mit emotionalen Verstimmungen bis hin zu Depressionen einher. Andererseits dient die Schlafphase dem menschlichen Gehirn auch dazu, die Erfahrungen des Tages langfristig zu speichern, sodass auch negative Gedanken und Gefühle verstärkt und gefestigt werden können.
Auf dieser Grundlage entwickelte der Forscher Georg Haeffel die Theorie, dass Personen, die anfällig für negative Gedanken und damit für die Entwicklung einer Depression sind, gerade bei viel Schlaf eher depressive Symptome zeigen, da diese durch den Schlaf gefestigt werden. Schlafentzug sollte bei diesen Personen umgekehrt zu weniger depressiven Symptomen führen.
Um diese Hypothese zu überprüfen, führte Haeffel mehrere Studien durch, in denen er die Entwicklung depressiver Symptome in Abhängigkeit von dem Ausmaß der Anfälligkeit für negative Gedanken (sog. kognitive Vulnerabilität) und der Schlafqualität der Teilnehmenden untersuchte. Dazu befragte er die Teilnehmenden im Abstand von vier Wochen zu ihren depressiven Symptomen, dem Auftreten von stressigen Lebensereignissen und ließ sie die Qualität ihres Schlafes über diesen Zeitraum bewerten. Das Ausmaß an kognitiver Vulnerabilität wurde gemessen, indem die Teilnehmenden sich das Eintreffen verschiedener negativer Ereignisse vorstellen und dazu angeben sollten, wie stark sie jeweils davon betroffen wären.
Tatsächlich zeigte sich, dass Personen mit einer hohen kognitiven Vulnerabilität auf hohen Stress vermehrt mit depressiven Symptomen reagierten – aber nur, wenn sie gut beziehungsweise ausreichend geschlafen hatten. Wurde die Schlafqualität als schlecht bewertet, hatten Personen mit einer hohen kognitiven Vulnerabilität kein größeres Risiko depressive Symptome zu entwickeln als Personen mit niedriger kognitiver Vulnerabilität. Um auch eine ursächliche Wirkung des Schlafentzuges auf die Entwicklung depressiver Symptome zu zeigen, führte Haeffel eine weitere Studie an hoch kognitiv vulnerablen Personen durch, welche er zufällig in zwei Gruppen aufteilte: Eine Gruppe sollte nach dem Auftreten besonders stressiger Ereignisse ihre übliche Schlafdauer um eine Stunde kürzen, die andere sollte (statt auf Schlaf) auf ihren Lieblingssnack verzichten. Somit mussten beide Gruppen etwas unterlassen, der Verzicht auf den Lieblingssnack sollte sich im Gegensatz zum verringerten Schlaf jedoch nicht auf die depressiven Symptome auswirken.Tatsächlich zeigte sich auch in dieser Studie, dass der Schlafentzug bei Vorliegen von kognitiver Vulnerabilität das Auftreten depressiver Symptome im Vergleich zur Snack-Gruppe verringerte.
Haeffel schließt aus den Ergebnissen, dass guter Schlaf eine notwendige Voraussetzung dafür darstellt, dass kognitive Vulnerabilität das Risiko des Auftretens depressiver Symptome erhöht. Schlafentzug könnte daher bei diesen Personen eine positive Wirkung haben und somit zur Prävention von Depressionen beitragen. Über welche Mechanismen dieser Effekt vermittelt wird, ist bis jetzt jedoch unklar. Außerdem sei angemerkt, dass schlechter Schlaf bei Personen mit niedriger kognitiver Vulnerabilität nicht nur keinen präventiven Effekt hat, sondern sogar eher zu negativen Konsequenzen führt. Wer also nicht zum Grübeln neigt, kann und sollte beruhigt schlafen wie bisher, während die Grübler unter uns sich scheinbar nicht grämen müssen, wenn sie vor lauter Grübelei mal etwas weniger schlafen.
Haeffel, G. J. (2016). Don’t sleep on it: Less sleep reduces risk for depressive symptoms in cognitively vulnerable undergraduates. Journal of Personality and Social Psychology, 111(3), dx.doi.org/10.1037/pspp0000119
Redaktion und AnsprechpartnerIn*: Sebastian Butz*, Katrin Bayer
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