Eyecatcher mit Schuppen

- Anne Landhäußer –

Selbst Kleinkinder reagieren auf Schlangen schneller als auf andere Tiere.

Die wenigsten in Deutschland lebenden Personen können von sich behaupten, schon einmal einer Schlange in freier Wildbahn begegnet zu sein. Was einem in anderen Teilen dieser Erde schon mal passieren kann – dass einem eine Natter zufällig auf den Kopf fällt oder eine Boa träge dösend den Weg versperrt – ist hierzulande eher unwahrscheinlich. Selbst Blindschleichen, die bekanntermaßen gar keine Schlangen sind, kriechen einem nur äußerst selten über den Weg. Furcht vor den schlängelnden Reptilien ist also in unseren Breitengraden unbegründet, zumal Schlangen in der Regel schneller vor Menschen Reißaus nehmen als umgekehrt. Und dennoch: Die Angst vor Schlangen ist auch in Deutschland eine der meistverbreiteten Phobien.

Dennoch kann man daraus nicht schließen, die Furcht vor Nattern und Vipern läge in der Natur des Menschen. Die amerikanischen Psychologinnen Vanessa LoBue und Judy DeLoache fanden allerdings Belege dafür, dass uns zumindest eine spezielle Aufmerksamkeit Schlangen gegenüber tatsächlich in den Genen liegt. Dass sich ein solcher Fokus evolutionär entwickeln konnte, ist auch nicht unwahrscheinlich. Jahrtausende lang stellten Schlangen für die Völker rund um den Erdball eine ernstzunehmende Gefahr dar. Menschen, die die möglicherweise giftigen Tiere schnell genug bemerkten, um einem Biss zu entgehen, hatten größere Überlebens­chancen.

Wenn eine schnelle Reaktion auf Schlangen in der menschlichen Natur liegt, dann sollten bereits Kleinkinder diese Reaktion zeigen – selbst wenn diese Kleinkinder mit Schlangen bislang noch nicht viel verbinden. Genau hier setzten LoBue und DeLoache mit ihren Untersuchungen an. Sie setzten Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren vor einen Touchscreen. Auf diesem waren jeweils neun Farbbilder zu sehen, unter denen die Kinder in mehreren Durchgängen das jeweils nicht passende Bild so schnell wie möglich heraussuchen sollten.

Bei der Hälfte der Kinder war dieses nicht passende Bild eine Schlange unter beispielsweise acht Fröschen. Die andere Hälfte der Kinder bekam acht Schlangen zu sehen und sollte möglichst schnell den einen Frosch finden. Obwohl die Schlangen auf den Bildern nicht in Angriffsposition zu sehen, sondern friedlich zusammengerollt abgebildet waren, zogen sie den Blick der Kinder sehr schnell auf sich. Kinder, die die Schlange finden sollten, hatten ihre Finger deutlich schneller am Touchscreen als Kinder, die den Frosch finden sollten. Selbst das Finden von Raupen, die mit Schlangen ja eine gewisse optische Ähnlichkeit aufweisen, fiel den Kindern deutlich schwerer als die Identifikation von Schlangen.

Interessant an diesen Ergebnissen ist auch, dass sie unabhängig davon auftraten, ob die Kinder schon einmal eine lebende Schlange gesehen hatten. Außerdem unterschieden sich Kinder, die keine Angst vor Schlangen hatten, in ihren Reaktions­zeiten nicht von denen, die sich vor den Tieren fürchteten. Ob Angst einflößend oder nicht – Schlangen scheinen für den Menschen also tatsächlich ganz besondere Tiere zu sein.

LoBue & DeLoache (2008): Detecting the Snake in the Grass. Attention to Fear-Relevant Stimuli by Adults and Young Children. Psychological Science, 19 (3), 284–289.

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