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Flirten will gelernt sein

Mark sieht auf einer Party eine attraktive Frau und ist verunsichert. Wie soll er sie am besten ansprechen? Reicht ein „Hallo“? Oder sollte er sich etwas Kreativeres einfallen lassen, wie zum Beispiel „Kannst du genauso gut küssen, wie du tanzen kannst?“ Nee, das ist doch peinlich, oder? Aber vielleicht lacht sie und findet es süß?
Laut bisheriger Forschung stehen die Erfolgschancen für witzige Anmachsprüche allerdings schlecht, da sie eher einen negativen Eindruck vermitteln. Zudem nahmen Gary Lewandowski und sein Team von der Monmouth University an, dass witzige Anmachsprüche mehr Selbstkontrolle vom Gegenüber abverlangen. Denn ist der erste Eindruck tatsächlich negativ („Was für eine oberflächliche Anmache!“), sollte der erste Impuls sein, sich einfach abzuwenden. Diesen Impuls zu übergehen („Aber gut, ich gebe dir trotzdem eine Chance“) sollte etwas Überwindung kosten. Forschung hat gezeigt, dass sich Selbstkontrolle oft wie eine limitierte Ressource verhält, die durch jede Art von Selbstbeherrschung zunehmend erschöpft wird. Wenn Marks Angebetete nun beispielsweise eine Diät macht oder die Gedanken an ein anstehendes Vorstellungsgespräch unterdrückt, sollte sie weniger Selbstkontrollkapazitäten für anderes übrig haben.
Wie sich die Selbstkontrolle der RezipientInnen auf den Erfolg von Anmachsprüchen auswirkt, untersuchte das Forschungsteam in einer Studie an ledigen heterosexuellen Personen. Die Teilnehmenden sollten zunächst eine Aufgabe bearbeiten, die entweder schwierig war und viel Selbstkontrolle abverlangte – oder leicht von der Hand ging. Anschließend bekamen alle Teilnehmenden ein Bild einer attraktiven gegengeschlechtlichen Person, zu dem ihnen nacheinander drei Anmachsprüche präsentiert wurden – darunter ein direkter („Normalerweise spreche ich Fremde nicht an, aber ich konnte nicht widerstehen.“), ein unverfänglicher („Hi, wie geht’s dir?“) und ein witziger („Entschuldige, wie spät ist es? Ich möchte mir den Moment merken, an dem ich dich kennenlernte.“). Nach jedem Spruch folgten Fragen zum Interesse am „Gegenüber“, beispielsweise inwiefern man die Person positiv betrachtete, sie ignorieren oder sich weiter mit ihr unterhalten würde.
Wie erwartet fanden die Teilnehmenden den witzigen Spruch insgesamt am wenigsten ansprechend. Die Neigung, sich nicht weiter mit dem Gegenüber zu beschäftigen war zudem stärker, wenn zuvor die schwierige (im Gegensatz zur leichten) Aufgabe bearbeitet wurde – es fehlte laut den AutorInnen also an Selbstkontrolle. Diese dürfte beim direkten Anmachspruch nicht von Nöten gewesen sein. Denn hier berichteten die Teilnehmenden allgemein ein recht hohes Interesse am Gegenüber – unabhängig von der vorherigen Aufgabe. Auch der unverfängliche Spruch kam gut an. Nach der schwierigen (im Vergleich zur leichten) Aufgabe hätten die Teilnehmenden ihr Gegenüber hier sogar weniger wahrscheinlich ignoriert. Mutmaßlich, da es mehr Selbstkontrolle gebraucht hätte, die attraktive Person bei einem positiven Eindruck abzuweisen.
Wenn man also wie Mark seine Kreativität spielen lassen will, sollte man sich des Risikos witziger Anmachsprüche bewusst sein. Wer hingegen auf der sicheren Seite bleiben möchte, kann mit einem ganz normalen „Hallo“ nicht viel falsch machen.
Lewandowski, G. W., Ciarocco, N. J., Pettenato, M., & Stephan, J. (2012). Pick me up: Ego depletion and receptivity to relationship initiation. Journal of Social and Personal Relationships, 29, 1071-1084.
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