Geld kann doch glücklich machen – wenn es die Religion erlaubt

- Andreas Nehrlich –

Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Wohlbefinden sinkt mit steigender Religiosität.

„Geld allein macht nicht glücklich“ lehrt uns der Volksmund. Doch warum eigentlich nicht? Schließlich sind viele potenziell glückbringende Güter nur mit Geld zu erlangen: attraktive Freizeitgestaltung wie Restaurant- oder Kinobesuche, Reisen, schöne Wohnungen. Warum sollten sich Reiche also nicht glücklicher fühlen?

Bisherige Forschung zu Einkommen und Wohlbefinden zeigt, dass Reiche durchschnittlich etwas glücklicher sind als Arme. Dieser Zusammenhang ist zwar stabil, allerdings nicht besonders stark. Zudem stammt diese Forschung zumeist aus den USA, einem sehr religiösen Land. Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Wohlbefinden kann jedoch von Land zu Land variieren. So könnte der Glücksvorsprung für Reiche etwa dort besonders gering ausfallen, wo Reichtum und weltliche Genüsse besonders stark missbilligt werden. Dies ist in religiösen Ländern der Fall, denn die großen Weltreligionen propagieren allesamt Normen, die unmissverständlich gegen weltlichen Reichtum argumentieren: Die christliche Religion verbreitet diese Anti-Reichtums-Norm beispielsweise in der Geschichte vom goldenen Kalb, in der Gottes Rache die vom Geld Verführten erbarmungs­los trifft. Auch Jesus predigte wider weltlichen Besitz: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“ (MK, 10,25). In stark säkularisierten Ländern hingegen könnte der Zusammenhang zwischen Geld und Wohlbefinden deutlich höher sein, denn dort sprechen keine religiös-gesellschaft­lichen Normen dagegen, sich als reicher Mensch besonders glücklich zu fühlen. Doch stimmt diese Theorie?

Ein Forscherteam um Jochen Gebauer von der Humboldt-Universität zu Berlin überprüfte dies in elf europäischen, unterschiedlich religiösen Ländern. Ausgewertet wurden die anonymisierten Daten von mehr als 180.000 Benutzern der Partnervermittlung eDarling. Diese hatten bei Anmeldung ihr Wohlbefinden, ihr Einkommen und ihre Religiosität angegeben. Zudem wurden Religiositätsindizes der elf Länder hinzugezogen.

Die Ergebnisse sind deutlich: Je religiöser ein Land ist, desto weniger unterscheiden sich Arme und Reiche in ihrem Wohlbefinden. Das gilt insbesondere für Personen, die selbst religiös sind, denn sie haben die religiösen Normen vermutlich besonders verinnerlicht. Hier hatten teilweise gar ärmere Menschen ein höheres Wohlbefinden. Doch auch für Unreligiöse zeigten sich geringe Unterschiede, wenn sie in religiösen Ländern wohnten. Das verdeutlicht, dass die religiösen Anti-Reichtums-Normen offenbar starke gesamt­gesellschaft­liche Wirkung haben.

Reich zu sein fühlt sich also nicht überall gleich an. In Deutschland oder Schweden, den am wenigsten religiösen Ländern der Studie, ist Reichtum psychologisch am gewinnbringendsten. In besonders religiösen Ländern wie der Türkei und Polen fühlen sich Reiche und Arme dagegen etwa gleich wohl.

Diese Ergebnisse haben große gesellschaft­liche Relevanz. Denn bei der fortschreitenden Säkularisierung unserer Welt bedeuten sie, dass die glückbringende Wirkung von Geld zukünftig noch zunehmen könnte. Sie bedeuten aber auch, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich wohl auch bezüglich des Wohlbefindens weiter öffnet.

Gebauer, J. E., Nehrlich, A. D., Sedikides, C., & Neberich, W. (in press). The psychological benefits of income are contingent on individual-level and country-level religiosity. Social Psychological and Personality Science. Advance online publication. doi:10.1177/1948550612469819

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