Intelligent loben statt Intelligenz loben

- Lilly Hartmann –

Lobt man die Intelligenz kleiner Kinder, kann dies dazu führen, dass diese eher in einer Aufgabe schummeln.

Die kleine Lisa hat im Kindergarten ein Bild für ihre Mutter gemalt. Als sie abgeholt wird, präsentiert sie ihrer Mutter das Geschenk und wartet gespannt auf ihre Reaktion. Lisas Mutter betrachtet das Bild, strahlt und sagt: „Wow, ist das für mich? Das hast du aber toll gemalt!“ Die kleine Lisa strahlt zurück und glücklich gehen die beiden nach Hause. Durch das Lob ihrer Mutter fühlt Lisa sich ermutigt und malt zuhause vor dem Abendessen gleich noch ein Bild für ihren Vater. Als dieser schließlich heimkommt und das Bild überreicht bekommt, freut er sich sehr und sagt: „Das ist aber ein schönes Bild! Du bist wirklich sehr begabt, Lisa!“.

Beide Eltern haben Lisa als Reaktion auf ihre Bilder ein Lob ausgesprochen. Dieses Lob fiel allerdings etwas unterschiedlich aus: Während Lisas Mutter die malerische Leistung lobte, betonte Lisas Vater eine lobenswerte, zeitlich überdauernde Eigenschaft von Lisa.

In beiden Fällen hat sich Lisa sehr über das Lob gefreut. Sie war stolz auf ihre schönen Bilder und fühlte sich bestätigt und geliebt. Diesen Effekt hat Lob vermutlich nicht nur auf Kinder, sondern ebenso auf uns als Erwachsene. Wenn wir für etwas gelobt werden, löst dies eine Welle positiver Empfindungen in uns aus. Wie Lisa fühlen wir uns wertgeschätzt, bestätigt und ermutigt. Aber spielt es eine Rolle, was gelobt wird? Hat das Lob von Lisas Mutter eine andere Konsequenz als das Lob von Lisas Vater? Ein Forschungs­team um Li Zhao geht davon aus, dass das Loben fester Eigenschaften zu mehr Schummeln und Unehrlichkeit führen kann, um diesen Eigenschaften gerecht zu werden und das positive Bild aufrechtzuerhalten.

Um diese Vermutung zu überprüfen, führte das Forschungs­team ein Experiment mit 3- und 5-jährigen Kindern durch. Den Kindern wurde eine Spielkarte gezeigt, auf der entweder eine Zahl  größer oder kleiner als 6 abgebildet war. Sie sollten in jeder Runde raten, ob die Karte eine niedrigere oder höhere Zahl als 6 zeigen würde. Die Kinder wussten dabei, dass ein Preis auf sie wartete, wenn sie mindestens 3 Karten richtig rieten. Das Ergebnis, das ihnen zurückgemeldet wurde, war allerdings im Vorfeld festgelegt: In einer ersten, scheinbar erfolgreichen  Proberunde wurden die Kinder entweder für ihre Intelligenz, ihre Leistung oder gar nicht gelobt. Im Anschluss folgten die eigentlichen Raterunden. Hier erhielten die Kinder die Rückmeldung, dass sie zwei Karten  richtig und drei falsch geraten hätten. Vor der entscheidenden sechsten Runde verließ die Versuchsleitung unter Vorwand kurz den Raum, ließ die Kinder jedoch versprechen, dass sie nicht schummeln würden, indem sie die verdeckte Karte, deren Wert sie raten sollten, umdrehten und nachsahen. Mithilfe einer unauffälligen Kamera konnte nun beobachtet werden, ob die Kinder schummelten und den Wert der verdeckten Karte ablasen. Tatsächlich zeigte sich, dass Kinder, die eingangs für ihre Intelligenz gelobt worden waren, häufiger (ca. 60%) schummelten als Kinder, die für ihre Leistung im Probedurchgang (ca. 40%) oder gar nicht (ca. 40%) gelobt worden waren.

Das Forschungs­team vermutet, dass ein Lob für eine stabile, d.h. zeitlich überdauernde Eigenschaft dafür sorgt, dass die gelobte Person dem Lob auch gerecht werden möchte, um das positive Bild dieser Eigenschaft aufrechtzuerhalten. Dafür greift sie offenbar sogar auf Betrug zurück. Für unser anfängliches Beispiel bedeutet dies, dass das Lob von Lisas Vater sich vielleicht nachteilig auf Lisas moralisches Verhalten auswirken könnte. In diesem Fall wäre also die Familie besser mit dem Lob von Lisas Mutter bedient, welches sich auf eine einmalige Leistung Lisas beschränkte.

Zhao, L., Heyman, G. D., Chen, L., & Lee, K. (2017). Praising young children for being smart promotes cheating. Psychological Science, 28, 1868–1870. doi:10.1177/0956797617721529

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Selma Rudert*, Sebastian Butz

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