Keine Schöne für das Biest?

- Anne Landhäußer –

Je attraktiver eine Person selbst ist, desto weniger attraktiv findet sie andere.

Bei „die Schöne und das Biest“ handelt es sich aus guten Gründen um ein Märchen. Die Realität sieht häufig anders aus: Die schöne Angelina Jolie wollte eben doch lieber Frauenschwarm Brad Pitt heiraten als einen Typen mit Bauchansatz und schiefen Zähnen. Und prüfen Sie einmal in Gedanken Ihren Freundeskreis: Ist es nicht tatsächlich so, dass die Schönen immer mit anderen Schönheiten zusammen sind? Alte Männer mit dicken Brieftaschen mögen eine Ausnahme darstellen.

Die Sozialpsychologie beschäftigt sich schon seit Langem mit der Frage, warum wir Menschen dazu tendieren, uns Lebens­gefährten zu suchen, die ähnlich attraktiv sind wie wir selbst. Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass wir uns im Grunde unseres Herzens alle Mr. oder Mrs. Beautiful als Partner wünschen – nur müssen sich die mittelmäßig oder weniger Attraktiven dann zwangs­weise mit weniger begnügen, weil alle Traummänner schon an die Traumfrauen vergeben sind – und umgekehrt. Relevant ist sicher auch, dass Frau Meier von nebenan vermutlich niemals den Mut aufbrächte, sich hemmungs­los an Brad Pitt heranzuschmeißen – Zurückweisung kann schließlich ganz böse weh tun.

Woran liegt es, dass schöne Menschen in Beziehungs­dingen weitestgehend unter sich bleiben? Sind sie eitel und so sehr von ihren eigenen optischen Qualitäten überzeugt, dass sie nichts unter ihrem eigenen Niveau dulden wollen? Oder sehen sie die Welt einfach mit anderen Augen und haben eine andere Vorstellung von Attraktivität als der mittelmäßig hübsche Durchschnitt? Tatsächlich fand der amerikanische Psychologe R. Matthew Montoya nun heraus, dass es unter anderem von unserer eigenen Attraktivität abhängt, wie wir das Aussehen anderer bewerten.

Montoya ließ fast hundert heterosexuelle Studenten und Studentinnen zahlreiche Fotos von Studierenden einer anderen Universität nach Attraktivität beurteilen. Weibliche Probanden bekamen dabei nur Männer zu sehen, während männliche Probanden nur das Äußere der Frauen bewerten sollten. Des Weiteren sollten die Probanden bei jedem Bild angeben, wie zufrieden sie damit wären, mit der gezeigten Person zusammen zu sein. Außerdem schätzte einerseits jeder Teilnehmer seine eigene physische Attraktivität ein (subjektive Attraktivität), andererseits wurde von jedem Probanden ein Foto gemacht, anhand dessen fünf Mitarbeiter des Versuchsleiters unabhängig voneinander und ohne den Probanden zu kennen dessen Attraktivität beurteilten (objektive Attraktivität).

Die Ergebnisse sind erstaunlich: Von Eitelkeit keine Spur. Während die selbst eingeschätzte Attraktivität der Teilnehmer keinerlei Einfluss darauf hatte, für wie attraktiv sie die Personen auf den Fotos hielten, hatte ihre objektive Attraktivität einen deutlichen Effekt. Je hübscher die unabhängigen Beurteiler einen Studien­teilnehmer fanden, desto kritischer war dieser mit dem Aussehen der gezeigten Personen. Und wer eine Person nicht schön fand, gab auch an, dass er in einer Beziehung mit dieser Person wohl eher nicht zufrieden wäre. Im Umkehrschluss lässt sich sagen, dass nicht ganz so blendend Schöne die Messlatte niedriger hängen und auch Personen mit kleinen Schönheitsmakeln durchaus noch hübsch finden. Schönheit liegt eben im Auge – und wie wir nun wissen: auch am Aussehen – des Betrachters.

R. Matthew Montoya (2008): I'm Hot, So I'd Say You're Not: The Influence of Objective Physical Attractiveness on Mate Selection. Personality and Social Psychology Bulletin, 34 (10), 1315-1331.

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