Keine Vorurteile gegen Freunde

- Anne Landhäußer –

Freundschaft­licher Kontakt mit Angehörigen anderer Gruppen senkt Vorurteile, doch gleichzeitig ermöglichen geringe Vorurteile erst den freundschaft­lichen Kontakt.

Auch wenn wir es ungern zugeben: Das ein oder andere Vorurteil haben wir alle – sei es gegen Türken, Lesben, Arbeits­lose oder Bayern-München-Fans. Als Allheilmittel gegen solche Vorurteile galt schon vor über fünfzig Jahren die Förderung häufiger Kontakte zu Mitgliedern der stereotypisierten Gruppe. In den USA führte das zum sogenannten „Busing“: Schulkinder wurden mit Bussen an entferntere Schulen gekarrt, damit weiße und schwarze Kinder täglich zusammenkamen und auf diese Weise Vorurteile abbauen konnten. Von Erfolg war diese Aktion nicht gekrönt, da die schwarzen und die weißen SchülerInnen jeweils weitestgehend unter sich blieben und sich gegenseitig nicht als gleichwertige Spielkameraden akzeptierten – und so wissen wir heute: Kontakt zwischen Gruppen führt nur dann zur Reduktion von Vorurteilen, wenn dieser Kontakt auf gleicher Augenhöhe stattfindet und gegenseitige Kooperation beinhaltet. Anders ausgedrückt: Wenn es dabei auch zu Freundschaft kommen kann.

Der Zusammenhang ist vielfach belegt: Personen, die in freundschaft­lichem Kontakt zu Angehörigen einer bestimmten Gruppe stehen, bringen dieser Gruppe weniger Vorurteile entgegen als solche Menschen, die keinerlei Kontakt zu solchen Gruppen­mitgliedern haben. Ungeklärt ist bislang jedoch, ob die Kausalrichtung, die die Kontakthypothese unterstellt, tatsächlich die richtige ist. Angenommen wird, dass freundschaft­licher Kontakt Vorurteile abbaut. Genauso plausibel jedoch wäre eine umgekehrte Wirkrichtung: Wer wenig Vorurteile gegenüber einer Gruppe hat, der knüpft auch eher freundschaft­liche Beziehungen mit Mitgliedern dieser Gruppe.

Die Richtung eines Zusammenhangs kann mit Hilfe von Längsschnitt­studien analysiert werden. Hierbei werden dieselben Personen zu mehreren Zeitpunkten befragt, so dass im Anschluss Prozesse und Entwicklungen im Verlauf einer gewissen Zeitspanne untersucht werden können. Eine internationale Forschungs­gruppe um Jens Binder führte eine solche Studie mit mehreren tausend SchülerInnen aus Belgien, England und Deutschland durch. Die Fragen, die den Jugendlichen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten gestellt wurden, bezogen sich auf freundschaft­liche Beziehungen zu MitschülerInnen mit Migrations­hintergrund sowie auf Vorurteile, die bestimmten Ausländer­gruppen entgegengebracht wurden.

Dabei zeigte sich, dass sowohl freundschaft­licher Kontakt zwischen Gruppen zu einer Reduktion der Vorurteile führt als auch umgekehrt: Wenige Vorurteile einer Gruppe gegenüber machen freundschaft­liche Beziehungen zu Mitgliedern dieser Gruppe wahrscheinlicher. Wer also bereits Vorurteile beispielsweise gegenüber Muslimen hat, will sich nicht mit muslimischen Mitmenschen anfreunden – und durch den fehlenden Kontakt verstärken sich die Vorurteile noch. Wer allerdings wenige Vorurteile gegenüber muslimischen Personen hat, knüpft möglicherweise mit solchen Freundschaft, wodurch seine Vorurteile letztlich noch weniger werden. Es gilt also, Teufelskreise zu durchbrechen und Vorurteile bewusst zu hinterfragen. Dann klappt's vielleicht auch mit dem türkischen Nachbarn (oder dem Bayernfan von gegenüber).

Binder, J., Brown, R., Zagefka, H., Funke, F., Kessler, T., Mummendey, A., Maquil, A., Demoulin, S. & Leyens, J.-P. (2009). Does contact reduce prejudice or does prejudice reduce contact? A longitudinal test of the contact hypothesis among majority and minority groups in three European countries. Journal of Personality and Social Psychology, 96, 843–856.

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