Knapp daneben? Fast so gut wie gewonnen!

- Clarissa Heinemann –

Knappes Scheitern erhöht die Motivation, darauffolgende Aufgaben besser zu bewältigen.

Haben Sie schon einmal  haarscharf eine Partie „Mensch ärgere Dich nicht“ verloren? Oder sind in einer Prüfung an der angestrebten Note knapp vorbei gewesen? So ziemlich jeder kennt das Gefühl, bei einer Tätigkeit sehr knapp zu scheitern. Nichts ist motivierender als ein Erfolg – und kaum etwas niederschmetternder, als knapp an ihm vorbeizusegeln.

Jedoch ist dies nur ein Teil der (versagten) Medaille. Die Forscherinnen Monica Wadhwa und JeeHye Christine Kim weisen mit ihrer Forschung auf positive Seiten von knappen Misserfolgen hin. Das Besondere am knappen Scheitern ist ihren Annahmen nach, dass man den Erfolg schon fast riechen kann – erzielt man ihn dann nicht, flaut die Motivation nicht einfach sofort ab, sondern wird auf andere Möglichkeiten übertragen. So sollten sich Menschen nach einem knapp verpassten Erfolg selbst bei gänzlich anderen Aufgaben mehr anstrengen. Diese gesteigerte Motivation sollte sich hingegen nicht finden, wenn ein positiver Ausgang nie erreichbar schien oder das Ziel tatsächlich erreicht wurde.

Um ihre Annahmen zu überprüfen, ließen die Forscherinnen Teilnehmende eines Experiments ein Handyspiel testen. Das Spiel bestand aus einem Gitter von 16 Kacheln; unter der einen Hälfte der Kacheln verbargen sich Felsen, unter der anderen Diamanten. Gewonnen war das Spiel, wenn alle Diamanten gefunden wurden, ohne einen Fels aufzudecken. In diesem Fall winkte eine zusätzliche Belohnung. Allerdings war das Spiel so programmiert, dass ein Sieg gar nicht erst möglich war. Dabei gab es verschiedene Versionen des Spiels, die sich in der Art der Niederlage unterschieden: Einige Teilnehmende konnten nie die Aussicht auf den Erfolg genießen – sie erlebten eine eindeutige Niederlage, indem sie direkt beim zweiten Versuch auf einen Fels stießen. Die anderen fanden hingegen sieben Diamanten – der Erfolg war also greifbar nah! – und beim letzten Versuch deckten sie dann doch einen Fels auf. Abschließend erhielten alle Teilnehmenden als Entlohnung eine Tafel Schokolade, die sie sich an einem Stand am Ende des Flurs abholen konnten. Hierbei wurde die Zeit gemessen, in der die ProbandInnen diese Strecke zurücklegten. Wer würde motivierter und schneller sein, sich die Schokolade abzuholen?

Wie erwartet legten diejenigen, die den Gewinn nur knapp verpasst hatten, den Weg schneller als die anderen Versuchsteilnehmenden zurück. Natürlich könnte das Streben nach Schokolade auch ein Anzeichen für Frust (anstatt  Motivation) sein. Weitere Studien belegten jedoch, dass sich Personen nach einem knappen Verlust zum Beispiel auch mehr bei einem zweiten kniffligen Spiel anstrengten, bei dem man Geld gewinnen konnte – und das sogar mehr als Personen, die bei der vorherigen Aufgabe gewonnen hatten.

Nicht immer bringt Verlieren also nur Nachteile mit sich. Einen Erfolg um Haaresbreite zu verpassen kann uns sogar einen extra Motivations­schub für neue Aufgaben geben – und das mehr als wenn wir das eigentliche Ziel erreicht hätten. So vermag der süße Duft des Erfolgs, mehr als der Erfolg selbst, zu motivieren – ganz nach dem Motto „Jetzt erst recht!“.

Wadhwa, M., & Kim, J. C. (2015). Can a near win kindle motivation? The impact of nearly winning on motivation for unrelated rewards. Psychological Science, 26, 701–708. doi:10.1177/0956797614568681

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Janin Rössel*, Anna Bruk

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