Korrekt imitiert ist halb verstanden

- Nicole Fritz –

Imitation verbessert das Sprachverständnis.

Sie sitzen in einem Café und sehen, wie sich zwei Personen unterhalten. Eine der beiden Personen ändert während des Gesprächs ihre Sitzposition und schlägt das eine Bein über das andere; kurze darauf tut dies auch ihr Gegenüber. Dann hören Sie, wie eine der beiden Personen häufig das Wort „irgendwie“ verwendet; auch dies wird kurz danach von der anderen Person aufgegriffen und kommt in ihren Kommentaren nun vermehrt vor. Ein merkwürdiger Zufall, denken Sie?

Nein, denn tatsächlich neigen Menschen in sozialen Interaktionen dazu einander zu imitieren, indem sie beispielsweise dieselbe Mimik oder Gestik an den Tag legen wie ihr Gesprächs­partner oder dieselben sprachlichen Muster übernehmen. Ein Grund dafür ist, dass wir uns durch imitierendes Verhalten besser in unseren Gesprächs­partner hineinversetzen und ihn dadurch besser verstehen können. Auch viele Lernprozesse finden über Beobachtung und Imitation statt – Kinder lernen zum Beispiel viele Dinge einfach dadurch, dass sie andere beobachten und das nachmachen, was sie sehen.

Das Forschungs­team um Patti Adank stellte sich die Frage, ob sich dieses Phänomen auch auf das Verständnis von Sprache selbst übertragen lässt. Die Forscher untersuchten, ob das Imitieren eines unbekannten Akzents dazu führen kann, dass man den fremden Akzent besser versteht. Dazu hörten holländische Studierende in einer Studie einen künstlich entworfenen holländischen Akzent. Zunächst würde überprüft, wie gut der Akzent verstanden wurde. Anschließend wurden die Teilnehmenden in verschiedene Trainings­gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt keinerlei Training. Alle anderen Gruppen bekamen Sätze des künstlichen Akzents zu hören und sollten dabei entweder (a) über die gehörten Sätze nachdenken, (b) die gehörten Sätze in Lautschrift niederschreiben, (c) die Sätze nachzusprechen, ohne den fremden Akzent zu imitieren, oder (d) die Sätze mit dem Akzent möglichst akkurat imitieren. In einem anschließenden Test wurde gemessen, wie sehr sich das Verständnis für den unbekannten Akzent durch das Training verbessert hatte. Die deutlichste Verbesserung zeigte sich in der Gruppe, die den Akzent imitieren sollte.

Es konnte also nachgewiesen werden, dass Imitation eines unbekannten Akzents das Sprachverständnis für diesen Akzent verbessert. Die Forscher vermuten, dass wir durch das Imitieren der Handlung einer anderen Person allgemein – in diesem Fall also durch das Nachsprechen eines ungewohnten Akzents –  diese Handlung leichter verstehen und nachvollziehen können.

Befunde dieser Art haben nicht nur wichtige Implikationen für die weitere Forschung, sondern können auch in unserem Alltag direkte Anwendung finden. Etwa, wenn es darum geht, eine Fremdsprache möglichst effektiv zu erlernen oder auch nur darum, seinen Gesprächs­partner unter schwierigen Bedingungen (beispielsweise in einer lauten, überfüllten Bar) noch möglichst gut zu verstehen.

Adank, P., Hagoort, P. & Bekkering H. (2010). Imitation Improves Language Comprehension. Psychological Science, 20(10), 1–7.

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