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Lady Macbeth: „Fort, verdammter Fleck, fort, sag ich!“

Wenn wir etwas tun, das nicht unseren persönlichen oder den gesellschaftlichen moralischen Werten entspricht, haben wir ein schlechtes Gewissen und empfinden Scham. Man könnte bei diesem Gefühl auch von einer gewissen „moralischen Unreinheit“ sprechen. Doch nicht nur Scham oder ein schlechtes Gewissen sind Anzeichen dafür, dass sich jemand moralisch unrein fühlt. Wenn Menschen moralische Werte verletzt haben, empfinden sie oftmals das Bedürfnis, sich nicht nur seelisch, sondern auch physisch reinzuwaschen. Dieses psychologische Phänomen nennt man den Macbeth-Effekt. Im Drama von Shakespeare versucht Lady Macbeth wortwörtlich das Blut, das an ihren Händen klebt, wegzuwaschen.
Moralische Werte werden insbesondere dann verletzt, wenn Menschen brutal Gewalt angetan wird. Genau dies ist in gewalthaltigen Computerspielen auf symbolische Weise häufig der Fall. Ein Team um den deutschen Sozialpsychologen Mario Gollwitzer hat sich nun der Frage angenommen, ob Menschen, nachdem sie in einem gewalthaltigen Computerspiel Menschen verletzt haben, den Macbeth-Effekt zeigen. Das Forschungsteam hatte dabei die Idee, dass vor allem unerfahrene ComputerspielerInnen den Macbeth-Effekt zeigen sollten. Die Autoren argumentieren, dass erfahrene im Gegensatz zu unerfahrenen ComputerspielerInnen Strategien besitzen, mit deren Hilfe sie mit dem Verletzen moralischer Werte in Computerspielen zurechtkommen.
Um dem Macbeth-Effekt beim Computerspielen auf den Grund zu gehen, führte das Forschungsteam ein Experiment durch. Die Teilnehmenden wurden dafür in zwei Gruppen eingeteilt: Erfahrene und unerfahrene ComputerspielerInnen. Jeweils die Hälfte der beiden Gruppen musste ein Autorennspiel spielen, bei dem lediglich Gegenstände zerstört wurden. Die andere Hälfte spielte ein Autorennspiel, bei dem auch Menschen verletzt wurden. Danach wurde erfasst, wie moralisch verwerflich die Teilnehmenden ihre Taten während des Spiels einstuften. Zusätzlich wurde den Probanden als Dank für die Teilnahme an der Studie eine Belohnung angeboten. Sie hatten die Wahl zwischen Hygieneprodukten und anderen Produkten, womit sich die Teilnehmenden nicht „reinwaschen“ konnten. Die Ergebnisse der Studie sprechen tatsächlich für den Macbeth-Effekt bei unerfahrenen Spielern: Wenn sie das gewalthaltige Computerspiel gespielt hatten, stuften sie ihre Taten als moralisch verwerflicher ein und entschieden sich auch eher für Hygieneprodukte, als wenn sie das harmlosere Spiel gespielt hatten. Bei erfahrenen ComputerspielerInnen hingegen hatte die Gewalthaltigkeit des Spiels keinerlei Einfluss auf die Einstufung der virtuellen Taten oder die Produktwahl. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass Personen, die häufig gewalthaltige Computerspiele spielen, hinsichtlich ihrer virtuellen Taten abstumpfen oder aber Strategien entwickeln, die virtuelle Gewalt psychisch zu verarbeiten.
Grundsätzlich aber kann man folgern: Der Macbeth-Effekt ist nicht nur ein Hirngespinst Shakespeares, er kann auch im alltäglichen Leben beobachtet werden. Wer zum ersten Mal ein Ballerspiel spielt, möchte sich im Anschluss möglicherweise ganz dringend die Hände waschen.
Gollwitzer, M., & Melzer, A. (2012). Macbeth and the joystick: Evidence for moral cleansing after playing a violent video game. Journal of Experimental Social Psychology, 48, 1356–1360.
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