Mehr in der Lohntüte, und trotzdem nicht glücklicher

- Rainer Greifeneder –

Lebens­zufriedenheit hängt nicht von der Einkommenshöhe, sondern vom Vergleich mit anderen ab.

Richard Miles verdient 1500 Euro im Monat, und zwar als Tellerwäscher im Unternehmen A. Er bekommt mehr Geld als alle seine Kollegen, weil er der beste Tellerwäscher weit und breit ist. Richard nimmt in seiner beruflichen Vergleichs­gruppe damit den höchsten Rang ein. Jane Doe hingegen ist Bankangestellte im Unternehmen B und verdient 2000 Euro im Monat. Im Vergleich zu ihren Kollegen hat Jane das niedrigste Gehalt, weil sie noch am wenigsten Erfahrung hat. Jane nimmt damit den untersten Rang in ihrer Vergleichs­gruppe ein.

Wer von den beiden ist wohl zufriedener? Ist das absolute Einkommen für die Lebens­zufriedenheit entscheidend, dann sollte Jane Doe glücklicher als Richard Miles sein, denn sie bekommt immerhin 500 Euro mehr. Ist jedoch das relative Einkommen entscheidend, dann sollte Richard Miles zufriedener sein mit seinem Leben, weil er einen höheren Rang in seiner Vergleichs­gruppe hat.

Diese Vermutung überprüfte ein Forschungs­team um Christopher Boyce anhand der Daten von 12000 Briten. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Nicht das absolute Gehalt, sondern der relative Einkommensrang in der jeweiligen Vergleichs­gruppe sagte die Lebens­zufriedenheit der Befragten vorher. Unser Glück scheint also vom Vergleich mit anderen abzuhängen. Dabei vergleichen wir uns den Forschern zufolge vor allem mit denen, die mehr verdienen als wir selbst, und seltener mit denen, die weniger haben als wir. Ein solcher Vergleich „nach oben“ fördert zwar Ehrgeiz und Motivation, kann aber auf Dauer unglücklich machen.

Aus diesen Ergebnissen lassen sich spannende Schlussfolgerungen ziehen. Erstens muss mehr Geld nicht glücklicher machen. Die Lebens­zufriedenheit steigt erst dann, wenn das mehr an Geld die Rangposition in der Vergleichs­gruppe verbessert, man also mehr als andere verdient. Zweitens steigt die Lebens­zufriedenheit nicht an, wenn alle Mitglieder einer Gruppe mehr Geld bekommen, denn die Ränge verändern sich nicht. Dies erklärt ein spannendes Paradox, das der Ökonom Richard Easterlin schon 1974 berichtete: Während Geld zwar häufig glücklicher macht, werden ganze Länder nicht glücklicher, selbst wenn das Bruttosozialprodukt steigt. Des Rätsels Lösung ist, dass bei steigendem Bruttosozialprodukt zwar die gesamte Bevölkerung innerhalb des Landes mehr verdient, die Rangpositionen jedoch unverändert bleiben.

Boyce, C.J., Brown, G.D. A., Moore, S. C. (2010). Money and happiness: Rank of income, not income, affects life satisfaction.Psychological Science, 21(4), 471–475.

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