News

Rastlos zur Langeweile

- Kaya Schöller –

Wer beim Konsum digitaler Medien vor- und zurückspult oder zwischen Inhalten wechselt, um Langeweile zu reduzieren, kann sich paradoxerweise dadurch mehr langweilen.

 

Wer kennt das nicht: Aus Langeweile greift man reflexartig zum Handy. Erst schaut man sich ein Video auf YouTube an, spult ein Stück vor, wechselt dann zu TikTok, und springt auch dort schnell zum nächsten Clip. Auf diese Weise soll Langeweile vermieden werden. Doch funktioniert das wirklich?

Die Forschenden Katy Y. Y. Tam und Michael Inzlicht haben unter­sucht, wie das sogenannte digitale Switchen, also das schnelle Wechseln zwischen und innerhalb digitaler Inhalte, mit dem Gefühl von Langeweile zusammenhängt. Sie nahmen an, dass Menschen bei Langeweile stärker zum digitalen Switchen neigen – dies aber paradoxerweise die Langeweile noch verstärkt.

In mehreren Studien mit über 1.200 Teilnehmenden überprüften sie diese Annahmen. In ersten Studien zeigte sich, dass die Teilnehmenden bei langweiligen Inhalten (und entsprechend empfundener Langeweile) eher spulten oder zwischen Videos switchten als bei interessanteren Inhalten. Weiterhin entschieden sich die Teilnehmenden bei einem Szenario eher für die Möglichkeit, zwischen Videos switchen zu können, als dafür, im gleichen Zeitraum von 10 Minuten nur ein Video anzusehen. Sie erwarteten weniger Langeweile, wenn sie switchen können.

Dieser Glaube erwies sich in weiteren Experimenten – entsprechend den Erwartungen des Forschungs­teams – als falsch. In einem dieser Experimente sahen Teilnehmende ein zehnminütiges Video am Stück oder konnten innerhalb derselben Zeit zwischen mehreren kürzeren Videos hin- und herwechseln. Die Videos wurden zuvor getestet, um sicherzustellen, dass sie vergleich­bar interessant waren. Wenn Teilnehmende die Möglichkeit hatten, zwischen Videos zu wechseln (was sie überwiegend umsetzten), statt nur eines anzusehen, berichteten sie eher Langeweile und fanden das Anschauen weniger zufriedenstellend, fesselnd und bedeutungs­voll. Dieses Ergebnismuster zeigte sich auch, wenn Teilnehmende innerhalb eines Videos switchten, also vor oder zurückspringen konnten. Teilnehmende berichteten ebenfalls eher mehr Langeweile beim digitalen Switchen (im Vergleich zum Ansehen eines Videos), wenn sie sich die Videos selbst auf YouTube auswählen durften. 

Diese Experimente wurden mit Studierenden durchgeführt. Weitere Studien in breiteren Stichproben weisen auf mögliche Rahmenbedingungen hin. So könnte das „nicht-Switchen“ auch mit mehr Langeweile einhergehen, wenn zuvor zwischen Inhalten gewechselt wurde. Das Gefühl nach dem vorherigen Switchen, etwas zu verpassen oder andere Inhalte sehen zu wollen, könnte hierbei eine Rolle spielen. Es bedarf weiterer Forschung, um die Zusammenhänge genauer zu unter­suchen.

Doch welche Bedeutung haben diese Ergebnisse nun für unser alltägliches Leben? Wir mögen zwar glauben, dass wir durch ständiges Wechseln zwischen digitalen Inhalten Langeweile verhindern können, doch tatsächlich kann dieses Verhalten un­zufriedener machen und die Langeweile steigern. Wir können uns selbst hinterfragen, ob das Springen zwischen Inhalten uns nicht mehr langweilt und un­zufriedener macht, als wenn wir uns bewusst auf einen Inhalt einlassen. 
 

Tam, K. Y. Y. & Inzlicht, M. (2024). Fast-forward to boredom: How switching behavior on digital media makes people more bored. Journal of Experimental Psychology: General, 153(10), 2409–2426. https://doi.org/10.1037/xge0001639

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Janin Rössel¹, Dominik Stöckle

© Forschung erleben 2025, alle Rechte vorbehalten

Zurück