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Rosa ist für Mädchen?

Ein Baby kommt. Neue Klamotten und Spielzeuge fehlen. Es gilt, das Zimmer für das Kind einzurichten. Bevor man dies alles macht, warten viele Eltern ab, bis sie das Geschlecht des Kindes kennen. Falls es ein Mädchen wird, werden gerne rosa Sachen gekauft; wird es ein Junge, kauft man blaue Sachen. Aber bevorzugen Mädchen wirklich von sich aus rosa und Jungen von sich aus blau? Und falls eine Vorliebe nachweisbar ist, ist sie angeboren oder entwickelt sie sich erst in späteren Jahren?
Mit diesen Fragen haben sich Vanessa LoBue und Judy S. DeLoache aus Virginia (USA) befasst. Frühere Studien haben gezeigt, dass Säuglinge und Kinder im Vorschulalter unabhängig vom Geschlecht eher Grundfarben wie blau oder rot bevorzugen. Dennoch wusste man wenig darüber, wie Kinder auf die spezielle Farbe rosa reagieren. Um dies zu untersuchen, wurden sieben Monate alten Babys bis fünfjährigen Kindern acht Paare von Objekten gezeigt. Abgesehen von der Farbe waren die Objekte jeweils identisch. Eines war immer rosa und das andere hatte eine andere Farbe. Die Aufgabe der Kinder bestand darin, jeweils das Objekt zu wählen, das ihnen am besten gefällt.
Die Forscherinnen fanden, dass bis zu einem Alter von zwei Jahren Kinder keine Vorliebe für die Farbe rosa zeigten. Außerdem unterschieden sich Mädchen und Jungen bis zu diesem Alter nicht darin, wie häufig sie rosa Objekte bevorzugten. Doch zu Beginn des zweiten Lebensjahres, ungefähr zur gleichen Zeit, wenn Kinder sensibel für Geschlechtsunterschiede und diesbezüglich neugieriger werden, wurde ein Unterschied deutlich: Einerseits wählten Mädchen mit zunehmendem Alter deutlich häufiger rosafarbene Objekte. Andererseits nahm diese Häufigkeit bei Jungen zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr dramatisch ab. Ab einem Alter von zweieinhalb Jahren wählten Mädchen rosa Objekte häufiger aus, als allein aufgrund des Zufalls zu erwarten wäre. Im Gegenzug vermieden Jungen im gleichen Alter diese Farbe. Bei Vier- und Fünfjährigen war der Unterschied noch ausgeprägter.
Die Ergebnisse sprechen eher gegen die Vorstellung, dass eine dauerhafte biologische Vorliebe für oder eine Abneigung gegen rosa bei den Geschlechtern angeboren wäre. Als Babys bevorzugen beide Geschlechter eher Grundfarben wie blau. Erst ab dem zweiten Lebensjahr sind Präferenzen bei Mädchen für rosa zu erkennen – zu einer Zeit, wenn für Kinder das Geschlecht wichtig wird, sie im Umfeld einer bestehenden Kultur eine soziale Identität entwickeln sowie Stereotype und Rollenbilder z. B. durch Kleidungsstile erlernen. Die Präferenz für bzw. die Ablehnung von rosa ist damit eher unserer Sozialisierung zuzuschreiben. Abschließend kann also gesagt werden, dass Mädchen zwar die Farbe rosa bevorzugen und Jungen diese vermeiden – dies wird aber erst ab einem bestimmten Lebensabschnitt deutlich. Noch existieren keine geschlechtsspezifischen Daten zur langfristigen Entwicklung der Beliebtheit der eher jungentypischen Farbe blau.
Was bedeutet das für Sie, wenn Sie das Zimmer Ihres neugeborenen Mädchens bereits blau gestrichen haben? Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, weil blau möglicherweise nicht so durchgängig nur mit einem Geschlecht assoziiert wird wie rosa. (Hierzu wäre mehr Forschung nötig.) Schwieriger könnte sein, wenn Sie das Zimmer Ihres Jungen dauerhaft rosa streichen und ihn stets in rosa kleiden. Falls sich dies auf die Präferenzentwicklung des Jungen auswirkt, könnte ab einem bestimmten Entwicklungsalter eine Diskrepanz entstehen zwischen der Selbstwahrnehmung („ich mag rosa“) und den gängigen Normen („rosa ist für Mädchen“)– woraus ein innerer oder äußerer Konflikt resultieren mag. Wie wäre es, stattdessen mit geschlechtsneutralen Farben wie Grün zu dekorieren oder die Wände einfach weiß zu streichen?
LoBue, V., & DeLoache, J. S. (2011). Pretty in pink: The early development of gender- stereotyped colour preferences. British Journal of Developmental Psychology, 29, 656–667.
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