Rot sehen und das Blaue vom Himmel versprechen

- Rainer Greifeneder –

Die Farbe rot fördert den Fokus auf Details, die Farbe blau regt die Kreativität an.

Farben machen unser visuelles Erleben reich. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Wahrnehmung und wirken sich in vielerlei Hinsicht auf unser Denken und Verhalten aus. Doch was genau passiert, wenn wir rot (oder blau) sehen? Ravi Mehta und Rui Zhu fanden heraus, dass sowohl Rot als auch Blau mit besseren Leistungen verbunden sind – allerdings nicht im gleichen Bereich. 

Rot ist in unserem Erleben und Sprachgebrauch häufig mit Gefahr und Fehlern verbunden. Warnschilder sind rot, Korrektur-Tinte ist rot und Aktien-Verluste sind es ebenfalls. Vieles Rote meidet man besser, und daher geht das Forschungs­team davon aus, dass die Farbe Rot mit einer Motivation zur Vermeidung verbunden ist. Und wer Fehler vermeiden will, der fokussiert am besten auf Details und Kleinigkeiten, damit sprichwörtlich nichts durch die Lappen geht. Blau hingegen ist mit Frieden, Ruhe und Weite verbunden. Himmel und Ozean sind blau und erstklassige Wertpapiere auch (blue chips). Vieles Blaue signalisiert Stabilität und Sicherheit, und in solchen Umgebungen kann man „alte Pfade verlassen“ und Neues wagen. Diese Motivation zum Ausprobieren führt nach Meinung des Forschungs­teams dazu, dass wir kreativer und risikofreudiger werden.

Um diese Ideen zu prüfen, ließen Mehta und Zhu die Teilnehmenden ihrer Studie Buchstabenrätsel lösen. Die Lösung dieser Rätsel hatte entweder etwas mit Vermeidung (z.B. vermeiden) oder mit Ausprobieren (z.B. Abenteuer) oder mit keinem von beidem zu tun (z.B. Computer). Einem Teil der ProbandInnen wurden diese Wörter auf rotem Hintergrund, einem anderen Teil auf blauem Hintergrund präsentiert. Es zeigte sich, dass die rot-ProbandInnen die Worte zum Thema Vermeidung, die blau-ProbandInnen jedoch die Worte zum Thema Ausprobieren schneller lösen konnten. Rot war also mit Vermeidung, blau mit Ausprobieren verknüpft. In einer zweiten Studie wurde wiederum der Bildschirmhintergrund farbig eingefärbt, bei den einen rot, bei den anderen blau. Die Teilnehmenden bearbeiteten dieses Mal entweder eine Aufgabe, bei der ein Fokus auf Details hilfreich ist (eine Wortliste auswendig lernen), oder eine Aufgabe, bei der Kreativität von Nutzen ist (viele verschiedene Ideen nennen). Es zeigte sich, dass der rote Hintergrund die Leistung bei der Detailaufgabe, der blaue Hintergrund jedoch die Leistung bei der Kreativitätsaufgabe verbesserte. In einer weiteren Studie schließlich demonstrierten Metha und Zhu, dass rot-ProbandInnen dann eine Werbeanzeige überzeugender finden, wenn diese viele Details enthält. Blau-ProbandInnen hingegen sind dann überzeugter, wenn die Werbeanzeige sich vor allem kreativen Denkern erschließt, weil die einzelnen Elemente nur lose zueinander in Bezug stehen. Selbst bei Werbeanzeigen spielt die Farbe des Hintergrunds also eine wichtige Rolle.

Zusammenfassend halten Metha und Zhu fest, dass Rot den Fokus auf Details, Blau hingegen die Kreativität fördert. Keine der Farben ist also immer besser, sondern nur bei bestimmten Aufgabentypen. Das Forschungs­team schlagen vor, dass man sich dieses Wissen zunutze machen kann, wenn man die Kern-Eigenschaften einer Aufgabe kennt. Demnach ist rot eine passende Wandfarbe für die Bilanz-, und blau für die Werbeabteilung.

R. Mehta und R. J. Zhu (2009). Blue or red? Exploring the effect of color on cognitive task performances. Science, 323 (5918), 1226-1229.

Dieser Artikel ist in Psychologie-Heute erschienen (Juni 2009). www.psychologie-heute.de

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