Sich der Sicherheit versichern

- Anne Landhäußer –

Wer sich unüberlegt gegen ein Risiko nicht versichert hat, schätzt dieses Risiko besonders hoch ein.

Kennen Sie das auch? Um Sie herum schließen plötzlich alle Renten­versicherungen, Berufsun­fähigkeits­versicherungen, Hausrats­versicherungen und weiß der Versicherungs­vertreter was ab und Sie fragen sich nur – verwirrt bis panisch: Was ist das denn? Muss das sein? Brauch ich das?

Ob Sie das wirklich brauchen, kann Ihnen die Sozialpsychologin Orit Tykocinski vermutlich auch nicht sagen, doch mehrere ihrer Studien legen zumindest einen Schluss nahe: Versicherungen halten in einem Punkt, was sie versprechen. Wer an seine Versicherung denkt, fühlt sich sicherer. So weit, so selbstverständlich.

Die gefühlte Sicherheit ist jedoch nicht nur darauf zurückzuführen, dass Versicherte im Falle eines Unglücks mit Unterstützung rechnen können, sondern auch darauf, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unglücks als geringer eingeschätzt wird. So schätzten Personen, die zuvor  an ihre Kranken­versicherung erinnert worden waren, die Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Jahren eine Operation oder Pflege zu benötigen deutlich geringer ein als Personen, die nicht an ihre Kranken­versicherung dachten. Das Gefühl der Sicherheit scheint sich selbst auf Bereiche zu übertragen, gegen die man sich überhaupt nicht versichern lassen kann: Personen, die sich ihrer Kranken­versicherung bewusst waren, schätzten sogar die Möglichkeit eines Krieges in Europa deutlich geringer ein als Personen, die nicht an ihre Kranken­versicherung erinnert worden waren.

Und wie steht es um Personen, die gar nicht versichert sind? Auch sie überschätzen die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls – allerdings nur dann, wenn sie sich nicht bewusst gegen eine entsprechende Versicherung entschieden haben. Wer sich beispielsweise nach reiflicher Überlegung entscheidet, keine Reiserücktritts­versicherung abzuschließen, der tut dies in der Regel, weil er einen Reiserücktritt für äußerst unwahrscheinlich hält. Personen aber, die gar keine Gelegenheit zum Abschließen einer Versicherung bekommen oder es versäumen, neigen dazu, die Risiken, gegen die sie nicht versichert sind, als besonders hoch einzuschätzen. Teilnehmende einer Untersuchung schätzten beispielsweise das Risiko, in einem Zufallsspiel Geld zu verlieren, nur dann hoch ein, wenn ihnen der Abschluss einer Versicherung gegen den Verlust verwehrt worden war. 

Die Wissenschaft­lerin erklärt diesen Befund mit einem ganz und gar un­wissenschaft­lichen Phänomen: dem Aberglauben. So wie manche Studierende glauben, von ihren DozentInnen gerade dann aufgerufen zu werden, wenn sie die besprochene Lektüre ausnahmsweise einmal nicht gelesen haben, scheinen Menschen die Gefahr eines Unglücks dann als besonders hoch einzuschätzen, wenn sie gegen eben dieses Unglück nicht versichert sind. Verschont bleibt nur, wer sich mit der Thematik auseinandergesetzt und eine bewusste Entscheidung getroffen hat. 

Also, liebe vom Versicherungs­terror geplagte LeidensgenossInnen: Sich gegen alles und jeden zu versichern ist vermutlich nicht nötig. Hilfreich wäre aber, sich mit möglichen Risiken und deren Wahrscheinlichkeit bewusst auseinanderzusetzen. Sonst sind Panikanfälle nicht auszuschließen, wenn einem all die schrecklichen Dinge einfallen, die einem passieren könnten – und gegen die man nicht versichert ist. 

Tykocinski, O. (2008). Insurance, risk, and magical thinking. Personality and Social Psychology Bulletin, 34 (10), 1346-1356.

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