Sind 16.000€ nicht immer 16.000€?

- Annemarie Fridrich –

Im direkten Vergleich schmerzen Verluste mehr als Gewinne gleicher Größe erfreuen.

Eine Teilnehmerin einer Quizshow hat bisher 16.000€ gewonnen. Nun hat sie die Chance auf 32.000€, wenn sie die nächste Frage richtig beantwortet. Beantwortet sie die nächste Frage allerdings falsch, ist alles verloren. Im einen Fall kommen also 16.000€ zum jetzigen Kontostand hinzu, im anderen Fall werden 16.000€ abgezogen. In dieser Situation entscheiden sich viele Menschen dafür, kein Risiko einzugehen und die Teilnahme am Quiz zu beenden. Die Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahneman erklären dies damit, dass Verluste stärkere emotionale Reaktionen auslösen als Gewinne gleicher Größe – ein möglicher Verlust von 16.000€ schmerzt demnach mehr als ein möglicher Gewinn von 16.000€ erfreut.

Diese Erklärung setzt jedoch voraus, dass die Spielerin tatsächlich den möglichen Gewinn und den möglichen Verlust zur gleichen Zeit im Auge hat. Was passiert jedoch, wenn die Spielerin ihre Reaktion auf einen möglichen Gewinn von 16.000€ unabhängig zu ihrer Reaktion auf einen möglichen Verlust von 16.000€ beurteilt? Schmerzt dann der Verlust immer noch mehr als der Gewinn? Die Forscher Peter McGraw, Jeff Larsen, Daniel Kahneman und David Schkade stellen dies in Frage, weil bei separaten Bewertungen mögliche Gewinne mit anderen Gewinnen (z.B. Lotto) und mögliche Verluste mit anderen Verlusten (z.B. Autounfall) verglichen werden und kein relativer Abgleich von Gewinn und Verlust stattfindet.

Zur Untersuchung dieser Frage stellten sich die Teilnehmenden einer Studie ein Spiel vor, bei dem sie mit gleicher Wahrscheinlichkeit entweder $200 gewinnen oder verlieren können. Außerdem sollten die Teilnehmenden jeweils angeben, wie sie sich bei einem Gewinn oder einem Verlust fühlen würden. Die Beurteilung erfolgte anhand von verschiedenen Skalen. In einer Bedingung hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit das Ausmaß des Effekts eines Verlusts und Gewinns („kein Effekt“ bis „sehr großer Effekt“) zu beurteilen. Für die Beurteilung von Gewinn und Verlust wurde zwar die gleiche Skala verwendet, die Beurteilung erfolgte jedoch nacheinander. In einer zweiten Bedingung wurden Gewinn und Verlust gemeinsam auf einer Skala bewertet. Dabei sollte eingeschätzt werden, ob und in welchem Ausmaß der Verlust eines bestimmten Geldbetrages einen stärkeren oder schwächeren Effekt als der Gewinn des gleichen Geldbetrages hat. Es zeigte sich, dass Verluste nur dann einen größeren Einfluss auf die Gefühle haben, wenn Gewinne und Verluste direkt miteinander verglichen werden. Nur wenn die Spielerin also die möglichen 16.000€ Gewinn mit den möglichen 16.000€ Verlust direkt vergleicht, zeigt sich eine Präferenz für die Vermeidung von Verlusten gegenüber dem Erzielen von Gewinnen. Beurteilt sie die möglichen Gewinn und den möglichen Verlust unabhängig voneinander, so lösen beide Ereignisse wahrscheinlich emotionale Reaktionen ähnlicher Stärke aus. Diese Befunde illustrieren, wie flexibel die menschliche Urteils- und Entscheidungs­bildung, und wie wichtig ein Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse ist.

McGraw, A. P., Larsen, J. T., Kahneman, D., & Schkade, D. (2010). Comparing gains and losses. Psychological Science, 21, 1438-1445.

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