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Wenn Richtigstellen falsch ankommt

Stellen Sie sich vor, Sie lesen einen Zeitungsartikel, in dem eine Journalistin eine Falschbehauptung einer anderen Quelle richtigstellt – eigentlich eine Maßnahme, die Vertrauen schaffen sollte. Oder etwa nicht? Forschende aus den USA haben in zwei Studien untersucht, wie sehr Menschen Journalist*innen vertrauen, die falsche Aussagen anderer Quellen korrigieren – im Vergleich zu jenen, die korrekte Aussagen bestätigen. Das Ergebnis: Faktenchecks, die Aussagen korrigieren, können unerwünschte Nebenwirkungen haben.
In einer ersten Studie bewerteten Erwachsene aus den USA zunächst die Glaubwürdigkeit von acht politischen und wirtschaftlichen Aussagen – vier davon waren Falschbehauptungen, vier korrekt. Anschließend wurden die Teilnehmenden per Zufall einer von zwei Gruppen zugewiesen: Eine Gruppe las einen journalistischen Faktencheck, der eine wahre Aussage bestätigte; die andere Gruppe erhielt einen Faktencheck, der eine falsche Aussage richtigstellte. Alle Faktenchecks enthielten eine sachliche Begründung, stammten von einem renommierten Faktencheck-Netzwerk und wurden von Journalist*innen verfasst, die nicht die ursprünglichen Aussagen gemacht hatten. Danach wurde erfasst, wie stark die Teilnehmenden dem Faktencheck sowie den Journalist*innen misstrauten.
Teilnehmende, die eine Korrektur gelesen hatten, zeigten ein höheres Maß an Misstrauen gegenüber den Journalist*innen. Sie hielten diese häufiger für unehrlich und vermuteten eher versteckte Motive. Sie fanden die Richtigstellungen überraschender und erklärungsbedürftiger, als die Bestätigungen. Dieses Muster zeigte sich selbst dann, wenn die Korrekturen mit den Überzeugungen der Befragten übereinstimmten – also bei Aussagen, die die Teilnehmenden ohnehin für möglicherweise falsch hielten. Eine zweite Studie, in der die Teilnehmenden Werbeversprechen lasen, erbrachte vergleichbare Ergebnisse. Bei einer Korrektur wurde den Journalist*innen und Berichten wieder mehr Misstrauen entgegengebracht, als bei einer Bestätigung. Dieses Reaktionsmuster zeigte sich über das gesamte politische Spektrum hinweg, war jedoch bei konservativen Personen etwas ausgeprägter.
Die Forschenden führten dieses Muster auf die sogenannte Negativitätsverzerrung zurück – die Tendenz, negative Informationen stärker zu gewichten als positive. Korrekturen werden häufig als negativ wahrgenommen und können daher grundsätzliche Skepsis hervorrufen. Dies wiederum kann das Vertrauen in die Journalist*innen untergraben, die Falschaussagen anderer berichtigen.
Die Korrektur falscher Aussagen kann also Nebenwirkungen mit sich bringen. Journalist*innen sollten sich darüber bewusst sein, dass der Akt des Korrigierens – so wichtig und gut er auch ist – das Vertrauen der Leserschaft gefährden kann. Die Forschenden plädieren für eine sensiblere Gestaltung von Korrekturen, wie eine einfühlsamere Sprache, mehr Kontext und mehr Transparenz. Aber auch Lesende könnten lernen, anders mit Faktenchecks umzugehen. Anstatt sich von der Negativitätsverzerrung hinters Licht führen zu lassen, könnten Sie Korrekturen als Zeichen von Verantwortung und journalistischer Sorgfalt auffassen.
Stein, R., & Meyersohn, C. E. (2024). Whose pants are on fire? Journalists correcting false claims are distrusted more than journalists confirming claims. Communication Research, 0(0). https://doi.org/10.1177/00936502241262377
Redaktion und Ansprechpartner*in¹: Michael Bartelmäs¹, Sven Kachel
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