Zeig mir nicht, was richtig ist!

- Johannes Kraus –

Wer sich selbst moralisch fragwürdig verhalten hat, bewertet moralische Rebellen schlechter.

Viele von uns erinnern sich voller Bewunderung an Menschen wie Gandhi und Martin Luther King, die gegen Missstände in der Gesellschaft rebellierten. Sie sind noch heute schillernde Gestalten, weil sie sich in einer Welt voller Unmoral über diese Zustände erhoben und gegen den Trend der Zeit das Richtige taten. Sie waren Vorreiter großer Ideen wie Menschenrechten und Gleichberechtigung, wichtigen Stützen unseres heutigen Demokratieverständnisses.

Die Bewunderung für solche moralischen Helden scheint aber nicht von jedem geteilt zu werden. Denn vor allem diejenigen haben positive Gefühle gegenüber Rebellen, die nicht selbst in der Position waren, rebellieren zu können. Von Personen, die sich in der gleichen Situation nicht richtig verhielten, ernten Helden anstelle von Respekt und Bewunderung  eher Ablehnung und Verachtung.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungs­arbeit von Benoît Monin von der Stanford University. In der Studie wurde eine moralisch zweifelhafte, rassistische Situation herbeigeführt. Die Studien­teilnehmer sollten in der Rolle eines Polizisten eine Entscheidung zwischen verschiedenen Straftatverdächtigen treffen. Drei mögliche Täter wurden mit Foto, Alibi und Strafregister zur Auswahl gestellt. Dabei handelte es sich um zwei weiße und eine afroamerikanische Person. Die Personenbeschreibung des afroamerikanischen Verdächtigen entsprach dabei eindeutig dem Stereotyp des „schwarzen Straftäters“: Er war arbeits­los, hatte diverse Vorstrafen und eine Menge Bargeld bei sich. Monin teilte seine Probanden in zwei Gruppen ein. Die Versuchsteilnehmer der ersten Gruppe wählten einen Verdächtigen aus. Die Teilnehmer der zweiten Gruppe hingegen mussten nicht selbst urteilen. Anschließend erfuhren alle Probanden, dass ein anderer Teilnehmer der Studie anscheinend die Bearbeitung der Aufgabe folgendermaßen verweigert hatte: „Ich weigere mich, hier eine Wahl zu treffen. Diese Aufgabe ist offensichtlich diskriminierend.“ Von besonderem Interesse war es nun, wie die Versuchsteilnehmer die Persönlichkeit dieses rebellischen Probanden im Vergleich zu einem anderen, ’gehorsamen’ Probanden beurteilten. Es zeigte sich, dass Personen, die selbst nicht rebelliert hatten, den gehorsamen Teilnehmer besser beurteilten als den moralischen Rebellen. Diejenigen Probanden jedoch, die nicht selbst geurteilt hatten, schätzten den Rebellen positiver ein.

Die Forscher begründen die negative Reaktion derjenigen, die selbst geurteilt hatten, mit einem Angriff auf das Selbstkonzept. Während die Urteiler selbst moralisch falsch handelten, verhielten sich die Rebellen korrekt. Damit gefährden die Rebellen das Selbstbild der Urteilenden, denn die meisten Menschen sehen sich selbst als anständig und moralisch. Indem die Rebellen also einen Missstand in Frage stellen, lassen sie alle, die sich zuvor nicht dagegen zur Wehr setzten, in einem negativen Licht erscheinen. Dies führt dazu, dass die fügsamen Menschen den Rebellen weniger mögen und deutlich schlechter bewerten als andere, die sich nicht unmittelbar in der kritischen Situation befanden.

Monin, Benoît; Sawyer, Pamela J.; Marquez, Matthew J. (2008). The Rejection of Moral Rebels: Resenting Those Who Do the Right Thing. Journal of Personality and Social Psychology, 95 (1), 76–93.

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