100% Arbeit, weniger Lohn – Wissen Frauen nicht, wie viel sie leisten?

- Cassandra Gort & Jana Schirmaier –

Frauen unterschätzen bei Führungs­aufgaben ihren Beitrag am Erfolg, wenn sie diese zusammen mit einem Mann bearbeitet haben und die Anteile an der erbrachten Leistung unklar sind.

Gleiche Arbeit, gleiches Gehalt. Sollte das nicht selbstverständlich sein? Die heutige Arbeits­welt sieht leider anders aus, wie der Equal Pay Day jedes Jahr verdeutlicht. In Führungs­positionen erhalten Frauen beispielsweise rund ein Viertel weniger Lohn als ein Mann. Wie kann das sein, wenn Frauen doch die gleiche Arbeit leisten?

In wissenschaft­lichen Studien hat sich gezeigt, dass die gleiche Arbeits­leistung weniger gut bewertet wurde, wenn sie vermeintlich von einer Frau statt einem Mann erbracht wurde. Ein Grund für solch unterschiedliche Bewertungen kann in stereotypen Erwartungen liegen: Im Gegensatz zu Frauen wird Männern eher Leistungs­orientierung, Durchsetzungs­kraft und Entscheidungs­stärke zugeschrieben. Diese Stereotype können zur Folge haben, dass von Männern in bestimmten Bereichen, wie bei Führungs­aufgaben, bessere Leistungen erwartet werden als von Frauen und Frauen selbst trotz gleicher tatsächlicher Leistung bei diesen Aufgaben negativere Leistungs­erwartungen hegen.

Die Forscherinnen Michelle Haynes und Madeline Heilman untersuchten die Aus­wirkungen solch stereotyper Erwartungen für die eigene Leistungs­einschätzung bei vermeintlich “männlichen Aufgaben”, die in Teams bearbeitet wurden. Die Zusammenarbeit mit anderen ist im Beruf meist unumgänglich. Problematisch daran ist, dass in Teams die eigenen Leistungs­anteile meist unerkannt bleiben. Die Forscherinnen nahmen daher an, dass Frauen in der Zusammenarbeit mit Männern einen Erfolg bei einer Führungs­aufgabe eher einem männlichen Team­partner zuschreiben, wenn sie nur eine Erfolgsrückmeldung als Team erhalten.

Um ihre Annahme zu überprüfen, wurde den Teilnehmenden die Rolle einer Führungs­person zugewiesen, die als überwiegend von Männern besetzte Position beschrieben war. Die Teilnehmenden glaubten, mit einer gegengeschlechtlichen Person ein Team zu bilden. In den zu bearbeitenden Führungs­aufgaben konnten sie zwar nicht interagieren, dachten aber, dass die jeweils bessere Lösung für ihre Teamleistung herangezogen würde. Nach der Bearbeitung erhielten alle Teilnehmenden die Rückmeldung, dass ihr Team die Aufgabe erfolgreich gelöst habe. Während sich das Feedback bei einigen Teilnehmenden nur auf die Teamleistung  bezog und die Einzelleistungen somit undurchsichtig waren, wurde bei den anderen Teams zusätzlich auf die individuelle Leistung eingegangen.

Wie erwartet zeigte sich, dass Frauen ihren eigenen Beitrag am Teamerfolg geringer einschätzten als den ihres männlichen Team­partners, wenn sie nur eine Rückmeldung als Team bekamen. Erhielten sie jedoch individuelles Feedback und somit einen Anhaltspunkt für ihren eigenen Anteil an der erbrachten Leistung, schätzten sich Frauen ähnlich gut ein wie Männer. Männer schätzten ihren eigenen Beitrag hingegen unabhängig von der Art der Rückmeldung relativ hoch ein. 

In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass Frauen ihren Anteil am Erfolg nur unterschätzten, wenn das andere Team­mitglied ein Mann war. Glaubten sie aber, mit einer Frau zusammen zu arbeiten, verschwand die schlechtere Selbsteinschätzung, da es vermutlich wenig plausibel war, der anderen Frau den Erfolg stärker zuzuschreiben. Es scheint zudem eine Möglichkeit zu geben, die negativen Erwartungen von Frauen schon im Voraus zu durchbrechen. Wurde vor der Bearbeitung einer Führungs­aufgabe im Team eine positive individuelle Rückmeldung zu einer ähnlichen Aufgabe gegeben, schrieben sich Frauen eine ähnlich hohe Leistung zu wie ihrem männlichen Team­partner. 

Die Befunde bieten einen neuen Erklärungs­ansatz, warum sich Frauen in Führungs­positionen häufig mit geringeren Gehältern zufrieden geben als Männer: Sie unterschätzen ihren eigenen Anteil am Erfolg. Individuelle Leistungs­rückmeldungen könnten dieses Problem jedoch reduzieren.

Haynes, M. C., & Heilman, M. E. (2013). It had to be you (not me)!: Women’s attributional rationalization of their contribution to successful joint work outcomes. Personality and Social Psychology Bulletin, 39, 956–969.

BPW Germany (Mai 2014). Equal pay day. Zugriff unter www.equalpayday.de

DIW Berlin (März 2014). In Führungs­positionen verdienen Frauen knapp ein Viertel weniger als Männer. Zugriff unter www.diw.de/de/diw_01.c.440750.de/themen_nachrichten/in_fuehrungs­positionen_verdienen_frauen_knapp_ein_viertel_weniger_als_maenner.html

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