Aber bitte mit viel Salz, ich hab‘ zu tun!

- Helena Bender –

Wenn eine andere Aufgabe beim Verzehr von Lebens­mitteln Aufmerksamkeit auf sich zieht, schmecken diese weniger intensiv, geschmacksintensivere Zutaten werden verstärkt bevorzugt und es wird mehr gegessen.

In der heutigen Gesellschaft, in der Multitasking eine zunehmende Bedeutung zukommt, widmen wir unseren Mahlzeiten immer weniger Aufmerksamkeit. So läuft häufig der Fernseher während des Essens oder wir essen mal schnell unterwegs etwas. Gleichzeitig lässt sich eine Zunahme des Konsums von Fett, Salz und Zucker beobachten. Der durchschnittliche Mensch ernährt sich also zunehmend ungesünder. 

Die niederländischen Autorinnen Reine van der Wal und Lotte van Dillen untersuchten das Zusammenwirken dieser Tendenzen. Auf Basis bisheriger Forschung nahmen sie an, dass andere Aufgaben während des Essens Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die eigentlich nötig wäre, um Geschmacksstoffe wahrzunehmen und um Sättigung zu verspüren. Zur Prüfung dieser Hypothesen sollten Testpersonen zwei Zitronensaftlösungen hinsichtlich ihrer Säure bewerten. Einmal mussten die Teilnehmenden sich dabei eine siebenstellige Zahl merken und ein anderes Mal nur eine Ziffer. Über die Komplexität der Merkaufgabe sollte hierbei die Beanspruchung von Aufmerksamkeit variiert werden. Die Ergebnisse des Experiments entsprachen den Annahmen der Autorinnen: Die Testpersonen bewerteten die Zitronensaftlösung als weniger sauer, wenn sie gleichzeitig die komplexe Merkaufgabe erledigten als wenn sie die leichte Merkaufgabe erledigten. Dieser Effekt zeigte sich insbesondere bei der intensiven Zitronensaftlösung, was mit Befunden übereinstimmt, nach denen die Wahrnehmung höherer Geschmacksintensitäten mehr Aufmerksamkeit abverlangt.

Das Ergebnismuster ließ sich mit anderen Geschmäckern replizieren. So wurde während der komplexen Merkaufgabe eine Granatapfelsirup-Lösung als weniger süß beurteilt. Auch Salzkräcker schmeckten weniger salzig, wenn die Teilnehmenden sich sieben Zeichen merken mussten anstatt nur einem Zeichen. Darüber hinaus wurden während der komplexen Merkaufgabe mehr Salzkräcker gegessen als während der leichten Merkaufgabe – aber nur, wenn die Geschmacksintensität stimmte. Kräcker ohne zusätzliches Salz wurden nicht vermehrt gegessen. Das Verlangen nach höheren Geschmacksintensitäten bei verringerter Aufmerksamkeit zeigte sich auch in einer weiteren Studie. Als Testpersonen selbst eine Limonade durch das Hinzugeben von Granatapfelsirup mischen sollten, benötigten die Teilnehmenden mit der komplexen Merkaufgabe mehr Sirup, um mit ihrem Getränk zufrieden zu sein, als jene mit der leichten Merkaufgabe. 

Die Befunde weisen darauf hin, dass Menschen sich ungesünder ernähren, wenn sie ihre Aufmerksamkeit beim Essen anderen Dingen widmen. Läuft während der Mahlzeit der Fernseher oder isst man im Büro vor dem PC, wird dem Essen weniger Beachtung geschenkt. Dadurch werden Geschmacksstoffe des Essens weniger intensiv wahrgenommen und es wird tendenziell mehr gegessen. Nach den vorliegenden Ergebnissen scheint insbesondere ein intensiver Geschmack zu vermehrtem Verzehr zu verleiten – angesichts der Zunahme von Fett, Salz und Zucker wie auch Geschmacksverstärkern in Nahrungs­mitteln ein möglicher Teufelskreislauf. Aufgrund der gesundheitsschädigenden Wirkung eines übermäßigen Konsums dieser Substanzen und einer einseitigen Ernährung ist es demnach wichtig, dass wir uns Zeit nehmen, um bewusst und genussvoll zu essen, da dies zu einer gesünderen Ernährung beitragen kann.

van der Wal, R. C., & van Dillen, L. F. (in press). Leaving a flat taste in your mouth: Task load reduces taste perception. Psychological Science. 

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