Achtung Über­schrift – Beeinflussung auf eigene Gefahr!

- Mona Salwender –

Wenn die Über­schrift eines Zeitungs­artikels nicht mit der Kernaussage des Textes übereinstimmt, kann sich das textbezogene Urteilsvermögen oder die Erinnerung der LeserInnen verschlechtern.

Wenn Sie morgens die Zeitung aufschlagen, lesen Sie vermutlich zunächst die Über­schrift eines Artikels. Erst dann nehmen Sie sich den dazugehörigen Text vor. Denn die Über­schrift sollte schließlich die Hauptaussagen des Artikels zusammenfassen und somit Ihr Verständnis für selbigen erleichtern. Doch was geschieht, wenn die Über­schrift den Text nicht im Kern wiedergibt, sondern zum Beispiel nur Nebensächlichkeiten herausstellt? Kann der so gewonnene erste Eindruck über den Inhalt des Artikels das diesbezügliche Urteilsvermögen oder auch die Erinnerung beeinflussen? 

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass Über­schriften die Verarbeitung eines nachfolgenden Textes unbewusst in eine bestimmte Richtung lenken können. Zum Beispiel aktiviert eine Über­schrift bei der lesenden Person bereits bestehendes Wissen, welches zum Verstehen des Textes herangezogen wird. Dieser Prozess beeinflusst schließlich, welche Informationen in dem Text fokussiert, abgespeichert und erinnert werden. 

Auf diesen Befunden aufbauend nahm ein Forschungs­team um Ullrich Ecker an, dass sich das textbezogene Urteils- oder Erinnerungs­vermögen einer Person verschlechtern kann, wenn eine Über­schrift nicht mit dem Kerninhalt des Artikels übereinstimmt – und zwar in Abhängigkeit davon, ob die Unstimmigkeit beim Lesen bemerkt wird oder nicht. Wird diese entdeckt, so sollte die lesende Person versuchen, den Einfluss der Über­schrift auf das Textverständnis und das dazugehörige Urteil zu minimieren. Durch diese geistige Beanspruchung sollte das Erinnerungs­vermögen an Textdetails jedoch reduziert sein. Wird die Unstimmigkeit nicht entdeckt, dürften keine geistigen Korrekturversuche unter­nommen werden, so die weitere Annahme. Somit sollte die Über­schrift ungehindert Einfluss auf das Textverständnis sowie die entsprechende Schlussfolgerung nehmen, die Erinnerung aber unbeeinflusst bleiben.

Diese Annahmen überprüfte das Forschungs­team in einem Experiment. Die Teilnehmenden sollten hierbei verschiedene Artikel (zum Beispiel zu der Entwicklung von Einbruchsraten) lesen. Dabei stimmte die Über­schrift entweder mit der Kernaussage des Textes überein oder war unstimmig. Des Weiteren wurde variiert, ob diese (Un-)stimmigkeit leicht oder schwer bemerkt werden konnte: Die Über­schrift bezog sich entweder auf im Text genannte Fakten (leichtes Bemerken) oder auf eine erwähnte Meinung (schweres Bemerken). Anschließend sollten die Teilnehmenden bestimmte Textinhalte erinnern und verschiedene Einschätzungen abgeben (beispielsweise zum zukünftigen Trend der Einbruchsraten).

Die Befunde bestätigen die Hypothesen des Forschungs­teams: Solange die (Un-)Stimmigkeit zwischen Über­schrift und Artikel leicht zu entdecken war, zeigte sich kein Effekt der irreführenden Über­schrift auf das Urteilsvermögen. Die Befragten bezogen sich in stimmiger wie auch unstimmiger Bedingung gleichermaßen auf die Kernaussagen des Artikels. Zudem wurden die Textinhalte unter Unstimmigkeit schlechter erinnert. War die (Un-)Stimmigkeit  jedoch nicht offensichtlich, war die Einschätzung der Teilnehmenden in der unstimmigen Bedingung in Richtung der irreführenden Über­schrift beeinflusst. Darüber hinaus war die Erinnerung an die Textinhalte in beiden Bedingungen vergleichbar.

Wer Nachrichten konsumiert, sollte sich also bewusst sein, dass Über­schriften so formuliert werden können, dass sie das Urteilsvermögen oder die Erinnerung der Lesenden zu beeinflussen vermögen. Medien sollten daher stets aufmerksam konsumiert und bereits ab der Über­schrift kritisch hinterfragt werden. 

Ecker, U. K. H., Lewandowsky, S., Chang, E. P., & Pillai, R. (2014). The effects of subtle mis­information in news headlines. Journal of Experimental Psychology: Applied, 20(4), 323–335.

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Sebastian Butz

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