Allein in der Fremde

- Nora Frey –

Räumliche Mobilität führt zu einer gesteigerten Motivation, das soziale Umfeld zu erweitern.

Wer hat das nicht schon mal erlebt – ein neuer Lebens­abschnitt beginnt, man fängt an zu studieren oder hat einen neuen Job und muss deshalb sein Umfeld verlassen und an einem anderen Ort, vielleicht sogar alleine, neu Fuß fassen. Räumliche Mobilität spielt heutzutage eine wichtige Rolle im Arbeits­alltag und auch in der Freizeit ist es „in“, einen mobilen „Lifestyle“ vorweisen zu können. Doch was macht so ein Umzug mit einem Menschen? Das plötzliche Alleinsein und die komplett neue Situation können schließlich nicht spurlos an einem vorbeigehen. 

Ein Forscherteam um Shigehiro Oishi hat sich genau damit auseinandergesetzt. Die Forschenden nahmen an, dass räumliche Mobilität die Erwartung mit sich bringt, Freunde zu verlieren und verstärkt Traurigkeit und Einsamkeit zu erleben. Diese Erwartung motiviert Menschen wiederum, neue Kontakte zu knüpfen, um diese negativen Gefühle zu vermeiden. 

In der Studie von Oishi und seinem Forschungs­team wurden 168 Teilnehmende aller Alters­gruppen in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe stellte sich vor, einen neuen Job in einer anderen Stadt anzunehmen. Die zweite Gruppe stellte sich ebenfalls vor, einen neuen Job zu bekommen, allerdings in ihrer aktuellen Heimatstadt. Beide Gruppen verfassten darüber einen Text. Die dritte Gruppe beschrieb einen normalen Tag in ihrem Leben. Nachdem die Texte verfasst waren, schätzten die Teilnehmenden, wie viele soziale Beziehungen sie in dieser vorgestellten Zukunft haben würden. Zum Schluss gaben sie noch an, wie motiviert sie in der im Text beschriebenen Situation wären, neue Kontakte zu knüpfen. Im Anschluss an die Studie erfasste das Forschungs­team außerdem, wie oft die Teilnehmenden in den verfassten Texten Wörter benutzten, die mit Angst, Stress oder Einsamkeit zu tun haben.

Die Ergebnisse der Studie sprechen für die Annahmen des Forschungs­teams. Die Teilnehmenden, die über einen Job in einer anderen Stadt nachgedacht hatten, schätzten die Zahl ihrer zukünftigen Freundschaften deutlich geringer ein und benutzen wesentlich mehr Wörter mit Bezug zu Einsamkeit. Dies hatte zur Folge, dass die Teilnehmenden motivierter waren, neue Kontakte zu knüpfen.

Die Frage, ob man nun von Szenarien, die sich die Teilnehmenden nur vorgestellt haben auch tatsächlich auf das reale Leben schließen kann, sei in den Raum gestellt. Allerdings macht die Studie Vorhersagen, die Mut machen: Ein Umzug ist kein Welt­untergang! Kontakte knüpfen macht es auf jeden Fall leichter mit der neuen Situation umzugehen. 

Oishi, S., Kesebir, S., Miao, F. F., Talhelm, T., Endo, Y., Uchida, Y., & ... Norasakkunkit, V. (2013). Residential mobility increases motivation to expand social network: But why? Journal Of Experimental Social Psychology,49(2), 217–223. doi:10.1016/j.jesp.2012.10.00

© Forschung erleben 2014, alle Rechte vorbehalten

Zurück