Er war ein Held. Völlig selbstlos, getrieben von höheren Idealen, zog er aus, um den Reichen zu nehmen, was den Armen gebührte. Dabei riskierte er seinen Tod durch den Galgen. Obwohl er mit Lady Marianne und dem Prädikat „Held“ angemessenen Lohn für seine Mühen erhielt, ist Robin Hood doch der Prototyp eines Altruisten. Und, ganz klar, ein Linker war er auch. Schwerlich als links bezeichnen lässt sich dagegen der erzkonservative Intellektuelle Joseph Ratzinger, der heute aller Welt als Papst Benedikt XVI bekannt ist. Doch auch er steht mit seiner Person ein für das, was der Christ „Nächstenliebe“ nennt und gemeinhin als Altruismus bezeichnet werden kann: Die Bereitschaft, sich für andere Menschen aufzuopfern.
Ob es einen Zusammenhang zwischen der politischen Orientierung einer Person und ihrer Einstellung zu Altruismus gibt, wurde bislang nie systematisch untersucht. Dabei ist die Fragestellung gerade vor dem Hintergrund interessant, dass sowohl bei Linken als auch bei Rechtskonservativen eine altruistische Grundhaltung durch die politische Orientierung erklärbar wäre. Wer links ist, steht gemeinheim für soziale Gerechtigkeit ein und lehnt gleichzeitig Rassismus und andere Formen der Ausgrenzung ab. Konservative dagegen betonen christliche Werte und damit insbesondere den Schutz allen Lebens. Nicht zuletzt war auch Jesus ein Altruist in personam.
Die Psychologen Ingo Zettler und Benjamin Hilbig von den Universitäten Aachen und Mannheim haben eine Online-Studie durchgeführt, die Hinweise darauf liefert, wer es denn nun wirklich ernst meint mit der Nächstenliebe. Sie befragten fast 140 Personen aus Deutschland, die Hälfte davon Studierende, nach ihrer politischen Orientierung und erfassten mittels Fragebogen ihren Hang zum Altruismus sowie einige andere Persönlichkeitsmerkmale. Geachtet wurde dabei darauf, dass AnhängerInnen aller großen deutschen Parteien vertreten waren.
Es zeigte sich, dass die links orientierten Teilnehmenden auf der Altruismus-Skala deutlich höhere Werte erzielten als ihre rechtskonservativen Pendants. Dabei ließ sich der Zusammenhang zwischen der politischen Orientierung und Altruismus nicht auf sonstige systematische Persönlichkeitsunterschiede zwischen Linken und Rechten zurückführen.
Dieses Ergebnis legt nahe, dass eine linke politische Einstellung nicht nur bei Robin Hood mit Altruismus Hand in Hand ging. Das ist kompatibel mit früheren Befunden, die deutlich machen, dass die Nächstenliebe Rechtskonservativer häufig nicht allen gilt. Studien zeigen: Je weiter links sich eine Person einordnet, desto weniger Vorurteile trägt sie mit sich herum. Allerdings muss in Rechnung gestellt werden, dass Menschen natürlich ein Interesse daran haben, Fragen ihrem Selbstbild entsprechend zu beantworten und gerade Linke davon profitieren könnten, sich als Menschenfreunde darzustellen. Es ist leicht, sich als Altruist zu inszenieren oder auch einfach davon überzeugt zu sein, man sei ein Altruist. Tatsächliches altruistisches Handeln steht auf einem anderen Blatt. Dass jeder Linke bereit wäre, wie Robin Hood für andere den Tod durch den Galgen zu riskieren, darf und muss daher weiterhin angezweifelt werden.
Zettler, I. & Hilbig, B. (2010). Attitudes of the selfless: Explaining political orientation with altruism. Personality and Individual Differences, 48, 338–342.
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