Auf die Größe kommt es an

- Anne Landhäußer –

Nicht nur Hungergefühl und Geschmack bestimmen, wieviel wir essen.

Spätestens seit Morgan Spurlocks Kinoerfolg „Super Size Me“ ist bekannt, dass die Portionen in den USA manchmal etwas größer ausfallen. Tatsächlich findet sich dieses Phänomen nicht nur bei Fast-Food-Ketten, sondern auch in jedem US-amerikanischen Super­markt­regal. Ein durchschnittlicher Joghurtbecher beinhaltet in Amerika 227 Gramm. In Frankreich sind es zum Vergleich nur 125 Gramm.

Dass die pure Größe der Produkt-Einheiten einen Einfluss darauf hat, wieviel wir von diesem Produkt konsumieren, konnten Andrew Geier, Paul Rozin und Gheorghe Doros von der University of Pennsylvania in verschiedenen Studien nachweisen. Man würde ja meinen, die Menschen essen einfach solange, bis sie satt sind. Oder sie naschen, bis ihnen die Lust daran vergeht – unabhängig von der Größe der Portionen. Dem ist aber anscheinend nicht so.

In ihrer Studie platz­ierten die Forscher eine große Schüssel mit Schokoriegeln in einem Bürogebäude. Die zahlreichen Angestellten, die daran vorbei eilten, durften sich frei bedienen und taten es. Nur machte es einen eklatanten Unterschied, ob die Schüssel morgens mit 80 kleinen Riegeln à 3 Gramm oder 20 großen Riegeln à 12 Gramm aufgefüllt wurde. Die tägliche Gesamtmenge blieb die gleiche, und man könnte vermuten: Wer an einem Tag einen großen Riegel isst, der hat auch nichts dagegen einzuwenden, am nächsten Tag vier kleine zu verputzen. Tatsächlich aber wurde weit weniger konsumiert, wenn die Schüssel mit den Mini-Riegeln gefüllt war.

Hier lässt sich noch einwenden, dass vielen der 12 Gramm-Riegel vielleicht ein wenig zu groß war und sie lieber einen kleineren genommen hätten, wäre diese Option gegeben gewesen. Eine andere Untersuchung der Forscher allerdings zeigte, dass der Effekt auch dann auftritt, wenn die Personen die Menge gänzlich frei wählen können. In einem großen Wohngebäude stellten sie eine Schüssel mit M&Ms auf den Rezeptions­tisch, und von M&Ms lässt sich nicht behaupten, dass eine der Schokokugeln bereits den Hunger einer Person übersteigen könnte. Hier variierten Geier und seine Kollegen nun die Größe des Löffels: An einigen Tagen steckte ein Esslöffel in der Schüssel, an anderen ein Suppenlöffel. Durften sich die Bewohner und Besucher des Hauses mit einem Suppenlöffel bedienen, aßen sie deutlich mehr M&Ms, als wenn sie sich die Süßigkeiten mit einem Esslöffel in die Hand schaufeln sollten.

Woran es liegt, dass sich die Personen in ihrem Ess­verhalten so stark von der Größe einzelner Einheiten beeinflussen lassen, lässt sich nur vermuten. Es ist unwahrscheinlich, dass die Versuchspersonen in der Studie Angst hatten, bei der Entnahme mehrerer Riegel oder Löffel gierig zu erscheinen, denn die Wahrscheinlichkeit war sehr gering, dass sie bei ihrer Wahl beobachtet wurden. Die Autoren vermuten demgegenüber, dass Menschen zu dem Glauben tendieren, die Größen der Joghurtbecher, bereit gelegten Löffel oder abgepackten Schokoriegel seien „schon so richtig“, dass sie also einer angemessenen Esseinheit entsprechen. Auch wenn uns die Portion zu groß sein sollte, verbieten kulturelle Normen, den Rest stehen zu lassen oder wegzuwerfen. Man isst, was auf dem Teller ist. Oder im Joghurtbecher.

Geier, Rozin & Doros (2006). Unit Bias – A New Heuristic That Helps Explain the Effect of Portion Size on Food Intake. Psychological Science 17 (6), 521–525.

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