Auf Wiederhören oder auf Wiederschreiben.

- Amelie Pettrich –

Stehen wir unter Stress, verschafft ein Telefongespräch mit einer geliebten Person eher Erleichterung als der Austausch von Textnachrichten.

Facebook, SMS, Whatsapp und wie sie alle heißen. Durch diese Instant Messenger ist heutzutage ein stundenlanger Austausch möglich ohne tatsächlich ein einziges Wort zu hören. Via Mobilfunknetz und Internet sind wir verbunden mit der Welt und all unseren Liebsten. Doch stärkt die Verbindung über das Netz auch die emotionale Verbindung? Und kann Instant Messaging ein reales Gespräch ersetzen?

Kommunikation über Textnachrichten ist reiner Informations­austausch. Ein Gespräch aber setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Eine Stimme wird gehört und das Gesagte inhaltlich analysiert und bestenfalls verstanden. Zudem ist Sprache mehr als ein Instrument unseres Verstandes. Was sie auch für unsere Gesundheit und reibungs­lose Entwicklung lebens­notwendig macht, ist ihre Einflussnahme auf das Hormon­system und alle damit verbundenen Funktionen und biologischen Prozesse. Dazu gehören auch der Einfluss von Sprache auf das Befinden und die emotionale Bindung, beispielsweise zwischen Mutter und Kind.

Veranschaulicht wird dieser Zusammenhang zwischen Sprache und Psyche durch den Befund eines Forschungs­teams um Leslie Seltzer aus dem Jahr 2010. Dieses fand heraus, dass bei Stress ein Gespräch dieselbe beruhigende Wirkung wie eine körperliche Berührung hat. Diese Wirkung äußerte sich in einem Absinken des Kortisolspiegels – ein Hormon, das bei Stress ausgeschüttet wird. Zudem war ein Anstieg von Oxytocin zu verzeichnen – ein Hormon, welches für die Verstärkung von emotionaler Bindung verantwortlich ist. Mit anderen Worten: Ein Gespräch hilft bei der Stressbewältigung und verbindet. Davon ausgehend stellte sich das Team um Seltzer die Frage, was an einem Gespräch diese Wirkung hervorrufen konnte.

Das Forschungs­team nahm an, dass Textnachrichten nicht die entsprechenden hormonellen Veränderungen hervorrufen können. Infolgedessen wäre Stressbewältigung und Bindungs­aufbau allein durch gesprochene Gespräche möglich, nicht aber durch getextete. Um das zu untersuchen, brachte das Team Mädchen im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren in eine Stresssituation. Anschließend gab es vier verschiedene Alternativen des Kontakts zu ihren Müttern, die sie emotional unterstützen sollten. Die Mädchen durften entweder (a) direkt mit ihren Mütternsprechen, (b) mit ihnen telefonieren, (c) mit ihnen Textnachrichten austauschen, oder (d) keinen Kontakt zur Mutter aufnehmen. So sollte untersucht werden, wie sich der Kortisolspiegel als Indikator für Stress und der Oxytocinspiegel als Indikator für emotionale Bindung veränderte.

Mädchen, die sich nur über Textnachrichten mit ihren Müttern über ihr Befinden austauschen durften, zeigten ebenso wie jene, die von ihrer Mutter isoliert blieben, keine Anzeichen von Stressbewältigung und Bindungs­verstärkung. Im Gegensatz hierzu glichen die Mädchen, die telefonierten, jenen, welche direkt im Kontakt mit ihrer Mutter standen. Der Kortisolspiegel sank und der Oxytocin-Spiegel stieg. Der hormonelle Stress wurde bewältigt und die Bindung verstärkt.

Soziale Interaktion ist also wichtig, doch ob in Wort oder Schrift scheint nicht dasselbe zu sein. Darum gilt: Versteck dich nicht hinter dem begrenzten Zeichensatz und greif lieber zum Telefon. Auf Wiederhören!

Seltzer, L. J., Prososki, A. R., Ziegler, T. E., & Pollak, S. D. (in press). Instant messages vs. speech: hormones and why we still need to hear each other. Evolution and Human Behavior.

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