Bedroht durch Attraktivität?
Saskia ist jung, attraktiv, hoch motiviert und erfahren. Sie bewirbt sich auf eine Stelle, die wie auf sie zugeschneidert ist. Anna ist Personalerin und wird über die Einstellung der Bewerberin entscheiden. Schadet es Saskia in dieser Situation, dass sie attraktiv ist?
Diese Frage hat sich die Forschergruppe um Maria Agathe, Matthias Spörrle und Jon K. Maner gestellt. In einer Studie haben sie eine Bewerbungssituation simuliert, in der sich Studierende einen Lebenslauf durchlesen sollten. Das beigefügte Bewerbungsfoto zeigte eine Frau oder einen Mann, die hochattraktiv oder weniger attraktiv waren. Die Teilnehmenden sollten entscheiden, wie wahrscheinlich sie als Mitglied eines Auswahlkomitees die Person für eine Stelle vorschlagen würden und angeben, inwieweit sie mit dieser Person gerne zusammenarbeiten würden. Abschließend wurden die Teilnehmenden gefragt, wie attraktiv sie die abgebildete Person finden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Teilnehmende mit attraktiven Personen des eigenen Geschlechts (also Frauen mit attraktiven Frauen und Männer mit attraktiven Männern) weniger gern interagieren möchten und diese auch weniger wahrscheinlich einstellen würden als unattraktive BewerberInnen des eigenen Geschlechts. Attraktive BewerberInnen wurden nur von Teilnehmenden des anderen Geschlechts bevorzugt. Anna würde also lieber einen männlichen attraktiven Bewerber oder eine unattraktivere Bewerberin für einen Job vorschlagen, jedoch nicht Saskia. Eine Erklärung dafür könnte Annas Befürchtung sein, dass sie von Saskia in den Schatten gestellt wird. Bei einem attraktiven männlichen Bewerber hingegen müsste sich Anna weniger Sorgen machen, denn mit diesem würde sie sich wahrscheinlich nicht direkt vergleichen. In einer weiteren Studie konnte das Forscherteam zeigen, dass diese Effekte insbesondere bei Menschen mit niedrigem Selbstwert auftreten.
Die Erkenntnisse aus dieser Studie haben wichtige Implikationen für unser alltägliches Leben. Weil in Deutschland dem Lebenslauf meist ein Foto angehängt wird, könnte es sein, dass attraktive Personen einen Nachteil erfahren, wenn sie von einer gleichgeschlechtlichen Person beurteilt werden. Die AutorInnen der Studie schlagen deshalb vor, Bewerbungsunterlagen von Personen beider Geschlechter beurteilen zu lassen.
Aghte, M., Spörrle, M., & Maner, J. K. (2011). Does being attractive always help? Positive and negative effects of attractiveness on social decision making. Personality and Social Psychology Bulletin, 37, 1042–1054.
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