Bescheiden zum Erfolg?

- Michael Berger –

Wenn sich Menschen an eine Situation zurück erinnern sollen, in der sie selbst bescheiden waren, zeigen sie in nachfolgenden Aufgaben mehr Selbstkontrolle.

Die Fähigkeit zur Selbstver­markt­ung wird oft als eine heutzutage unabdingbare Kern­kompetenz in der Arbeits­welt beschrieben. Bescheidene Menschen bekommen hingegen häufig mitleidig vorgeworfen, sich „unter Wert zu verkaufen“. Dieser meist negative Eindruck kommt beispielsweise auch in der öffentlichen Darstellung durch die Medien zum Tragen. Sind nun solche Menschen, die nicht mit ihren Erfolgen prahlen und zugunsten anderer auf eigene Vorzüge verzichten, tatsächlich zu einer stagnierenden beruflichen Laufbahn verdammt?

Nicht unbedingt, meint ein Forschungs­team um Eddie Tong von der Universität Singapur. Denn bescheidene Menschen können andere Vorzüge ihr Eigen nennen: So konnten in den letzten Jahren viele positive Aspekte mit Bescheidenheit in Verbindung gebracht werden. Bescheidene Menschen können demnach Fehler besser anerkennen, sowie die Meinungen anderer akzeptieren und haben ein ausgeglicheneres Selbstbild. Das Forschungs­team vermutete nun, dass Bescheidenheit auch die Selbstkontrolle einer Person erhöhen kann. Der Gedanke hierbei ist, dass bescheidene Menschen selbstwerterhöhende Impulse besser widerstehen können, sprich, sich selbst im Gegensatz zu anderen nicht aufwerten. Diese erhöhte Resistenz spiegelt sich dann auch in ihrer Selbstkontrolle wieder, also der Fähigkeit, unerwünschte Reaktionen zu unterdrücken.

Um diese Vermutung zu überprüfen, bekam die eine Hälfte der Teilnehmenden die Anweisung, sich an eine Situation zu erinnern, in der sie selbst bescheiden waren bzw. handelten. Die andere Hälfte der Teilnehmenden sollte eine neutrale Tätigkeit beschreiben (z.B. die Wohnung zu putzen). Danach bekamen die Teilnehmenden eine Schale voller M&Ms vorgesetzt, während sie auf die nächste Aufgabe warteten. Den Erwartungen gemäß zeigten Personen, die sich zuvor an eine bescheidene Handlung ihrerseits erinnern sollten, mehr Selbstkontrolle und aßen weniger M&Ms. Weitere Studien zeigten, dass Menschen, die zuvor an Bescheidenheit gedacht hatten, sich bei einer physisch anspruchsvollen Aufgabe mehr anstrengten und auch mehr Ausdauer bei einer frustrierenden Aufgabe zeigten.

Die Ergebnisse der Studie sprechen dafür, dass Bescheidenheit Selbstkontrolle tatsächlich erhöht und bescheidene Menschen somit im Durchschnitt mehr Selbstkontrolle haben. So lässt sich abschließend sagen, dass bescheidene Menschen im Punkto Selbstver­markt­ung zwar benachteiligt sind, ihre erhöhte Selbstkontrolle aber auch Vorteile mit sich bringen kann, wie etwa eine verbesserte Ausdauer, höhere Frustrations­toleranz und Resistenz gegenüber ablenkenden Störreizen.

Tong, E. M., Tan, K. W., Chor, A. A., Koh, E. P., Lee, J. S., & Tan, R. W. (2016). Humility facilitates higher self-control. Journal of Experimental Social Psychology, 62, 30–39. doi: 10.1016/j.jesp.2015.09.008

Redaktion und AnsprechpatnerIn*: Selma Rudert*, Sebastian Butz

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